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Berliner Krankenhäuser gegen Finanzierung von Vivantes
Klinikbündnis will Senat aufgrund angeblich wettbewerbsverzerrender Förderung verklagen
Die Uhr tickt. Ein Monat ist bereits vergangen, seit ein Bündnis aus 29 Berliner Kliniken dem Senat ein Ultimatum stellte. Kaum mehr eine Woche bleibt noch, um einen tragfähigen Kompromiss zu finden. Sonst will der Zusammenschluss Ende August – also spätestens nächste Woche – Klage einreichen.
Dem Bündnis »Ein gesundes Berlin, nicht ohne uns«, in dem sich unter anderen die DRK-Kliniken, Kliniken der Caritas und der Diakonie, das Jüdische Krankenhaus und die Sana-Kliniken zusammengeschlossen haben, ist die steuerliche Finanzierung der Vivantes GmbH ein Dorn im Auge. Es moniert, dass durch jährliche Ausgleichszahlungen an Vivantes durch das Land Berlin der Wettbewerb zwischen den Kliniken verzerrt würde. Gar die »Trägerpluralität« sehen sie laut einer entsprechenden Pressemitteilung in Gefahr.
Vivantes erhalte eine Förderung, die das Maß übersteige, das allen anderen Wettbewerbern zuteil werde. Nach Angaben des Bündnisses erhielt Vivantes von 2019 bis 2022 Extrazahlungen von 515 Millionen Euro. 2023 ist demnach im Haushalt ein Mehr von 225 Millionen Euro vorgesehen.
Per Klage wollen die Kliniken das Verwaltungsgericht prüfen lassen, »in-
wiefern diese zusätzlichen Leistungen für Vivantes in Hinblick auf das Grundgesetz (Berufsfreiheit und Gleichbehandlungsgrundsatz), das EU-Beihil-
ferecht, das Krankenhausfinanzierungsgesetz und die Vorgaben zur Haushaltsplanung rechtens sind«, heißt es in einer Erklärung.
Das Bündnis betont jedoch, dass das Klagevorhaben kein Selbstzweck sei. Vielmehr sei es die Absicht, den seit Jahren laufenden Bemühungen mehr Nachdruck zu verleihen und ein Handeln der Landesregierung zu erwirken. So sei auch das Ultimatum zu verstehen. Man werde erst Klage einreichen, wenn nach Ablauf keine konkreten Ergebnisse vom Senat vorlägen.
Senat im Prüfmodus
Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) ließ Anfang August beim Besuch einer der Bündniskliniken verlauten, dass sie in Anerkennung der Kostensteigerungen bei Bau, Energie und Personal um eine Lösung bemüht sei. Sie verwies aber auf die parlamentarische Sommerpause, die bis zum 27.8. andauere, weshalb der Senat mehr Zeit brauche als im Ultimatum vorgesehen.
Zum gegenwärtigen Stand teilte eine Sprecherin des Gesundheitssenats »nd« mit, dass man sich in konstruktiven Gesprächen mit Vertreter*innen des Bündnisses befinde. »Wir hören die Botschaft genau, prüfen die Klageschrift – und das im gesamten Senat. Das weitere Vorgehen wird insbesondere mit der Senatsverwaltung für Finanzen geklärt«, so die Sprecherin.
Aus dem Finanzsenat hieß es ebenfalls, dass man die Klage samt Erfolgsaussichten prüfe. »Abhängig vom Ergebnis der Prüfung wird der Senat weitere Maßnahmen ergreifen«, teilte ein Sprecher »nd« mit. Innerhalb einer Woche müssten also sowohl die Prüfung abgeschlossen, als auch Maßnahmen entwickelt werden.
Eine Sprecherin der das Bündnis führenden DRK-Kliniken teilte »nd« mit, dass Ende dieser Woche eine Sitzung der Vertreter*innen der Kliniken anstehe. Dann würden etwaige Schritte beratschlagt, für den Fall, dass noch etwas Zählbares vom Senat eingehe. Auch das tatsächliche Einreichedatum der Klage werde dann erst festgelegt. Die Sprecherin hob hervor: »Alles ist im Fluss. Wir warten bis zum Schluss, ob uns noch konkrete Signale erreichen. In den letzten Jahren hat es noch nie so viel Bewegung und so viel Ausstausch zwischen Kliniken und Senat gegeben.«
Qualität durch Wettbewerb
Im Krankenhausfinanzierungsgesetz ist das Prinzip der Trägervielfalt vorgegeben. Die jeweiligen Bundesländer müssen demnach die wirtschaftliche Sicherung von Einrichtungen in freigemeinnütziger, privater und kommunaler Trägerschaft durch weitgehend gleiche Förderung sicherstellen. Das Bundeskartellamt kam 2021 nach einer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass der Wettbewerb Garant sei für eine Sicherung der Qualität der Gesundheitsversorgung.
Die zurzeit laufenden Bestrebungen waren auch an den ehemaligen rot-grün-roten Senat herangetragen worden. Catherina Pieroth (Grüne) war Teil der Koalition. Heute, als Sprecherin für Gesundheit ihrer Fraktion, bekennt sie sich zur Trägervielfalt. Bei der Klärung der Frage, ob alle für die Versorgung notwendigen Krankenhäuser weitestgehend gleich gefördert würden, hätte sie sich einen anderen Weg gewünscht, sagte Pieroth »nd«. Sie sehe die Landesregierung in der Verantwortung. »Ehrlicherweise muss aber auch gesagt werden, dass der vorliegende Haushaltsentwurf des aktuell schwarz-roten Senats nicht dazu beiträgt, der Initiative etwas entgegenzusetzen und damit eine Klage obsolet zu machen.«
Dominantes Vivantes
Senatorin Czyborra stellte zuletzt die enorme Bedeutung von Vivantes heraus. Allein 30 Prozent aller Krankenhausbetten stelle das Unternehmen. Deshalb müsse eine Insolvenz in jedem Fall vermieden werden.
Die Ausgaben von Vivantes stiegen auch durch die jüngsten Tarifabschlüsse. Die zuständige Gewerkschaft Verdi kritisiert die Klage: Erst wenn andere Häuser vergleichbare Arbeitsbedingungen böten, sollten sie finanziell gleichberechtigt werden.
Neben Vivantes wird auch die Charité vom Land getragen. Eine Klage strebt der Klinikverbund hier allerdings nicht an. Die Charité böte als Universitätsklinik ein Behandlungsangebot, das sich mit hochspezialisierten Leistungen und Forschung ergänze und einen höheren Finanzbedarf rechtfertige.
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