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Mit dem Gesicht zur Sonne
Sonnenblumenkerne können Protein von tierischen Lebensmitteln gleichwertig ersetzen
Bezogen auf das Körpergewicht ist die Zahl der vom Menschen gehaltenen Nutztiere rund 20-mal so groß wie das aller wild lebenden Wirbeltiere auf der Erde. Der Verzehr von Lebensmitteln tierischer Herkunft muss dringend halbiert werden, vor allem in den reichen Industrieländern, wenn wir dem Schrumpfen der Artenvielfalt Einhalt gebieten wollen. Doch nicht jedes vegane Ersatzprodukt eignet sich für eine Produktion in großem Maßstab, vor allem, wenn für die Erzeugung wertvolle, alte Baumbestände gerodet werden. Vielmehr ist es entscheidend, bereits angelegte Ackerflächen von Tierfutter umzuwidmen auf Pflanzen für die menschliche Ernährung. Um den Aufwand zu verdeutlichen: Für jedes Kilogramm tierisches Protein sind mindestens vier Kilogramm pflanzliches Futter erforderlich!
Theoretisch ist jede pflanzliche Kalorie physikalisch effizienter, wenn sie direkt und nicht erst über den Umweg eines Tiermagens Lebensenergie spendet. Genau dafür bieten sich Sonnenblumen an. Die reichhaltigen Samenkerne sind sehr wertvoll für die Humanernährung, denn sie liefern nicht nur Fett, fettlösliche Vitamine und Lezithin, sondern auch Protein für den Aufbau und Erhalt innerer Organe wie Herz und Leber sowie für Muskelzellen und das Immunsystem.
Die große Blume mit dem wissenschaftlichen Namen Helianthus annuus gehört zu der Familie der Korbblütler in der Ordnung der Asternartigen. In ihrem botanischen Namen steckt der Begriff Helios für Sonne, und in der Tat neigen sich die wärmeliebenden Jungpflanzen täglich der Sonne zu. Ursprünglich stammt die einjährige Pflanze aus Nord- und Mittelamerika, wo sie eine reiche Ernte und einen guten Vorrat symbolisierte. Die Menschen nutzten gemahlene Sonnenblumenkerne zur Herstellung von Fladenbrot und mischten sie mit verschiedenen Getreidearten.
Mit der Entdeckung der neuen Welt durch Europäer gelangte die Sonnenblume auf unseren Kontinent. Noch heute ist die gelb leuchtende Pflanze ein inoffizielles Nationalsymbol für Russland wie auch für die Ukraine. Immerhin waren diese Länder bis 2020 mit je sechs Millionen Tonnen die beiden weltgrößten Erzeugerländer von Sonnenblumenöl.
Seit mehr als zehn Jahren werden Sonnenblumenkerne in zunehmender Menge zu pflanzlichen Brotaufstrichen, veganem Wurstaufschnitt sowie zu »Sonnenblumen-Hackfleisch-Ersatz« verarbeitet. Diese Produkte eignen sich besonders für kleine Kinder und ältere Menschen, welche die Kerne im Ganzen noch nicht beziehungsweise nicht mehr gut zerkauen und schlucken können. Auch für Menschen, die unter Allergien gegen Hülsenfrüchte wie Sojabohnen leiden, sind Sonnenblumenkerne eine gute Möglichkeit, sich trotzdem überwiegend pflanzlich zu ernähren.
Für junge Menschen mit gesunden Zähnen ist die industrielle Verarbeitung zu veganem Wurst-Aufschnitt oder Hack nicht erforderlich, aber sie kommen den bisherigen Ernährungsgewohnheiten entgegen. Wie auch andere Kerne und Saaten lassen sich geschälte Sonnenblumenkerne über Müsli, Salate, Suppen oder gekochtes Gemüse streuen. In Vollkornbrot mitgebacken, senken die Kerne von Sonnenblumen, Nutzhanf oder Leinsaat den glykämischen Index dieser Backwaren.
In Reformhäusern, Drogeriemärkten und Bioläden werden seit Kurzem auch sogenannte Lowcarb-Brote verkauft, die hauptsächlich aus verschiedenen Samen bestehen. Diese kohlenhydratarmen Brotsorten sind eine gute Möglichkeit, die Insulinausschüttung der Bauchspeicheldrüse zu bremsen. Das ist besonders für Übergewichtige mit deutlich vergrößertem Bauchumfang bedeutsam, die oftmals einen bis zu achtfach erhöhten Insulinspiegel aufweisen. Das zuckersenkende Hormon Insulin ist zwar lebenswichtig, aber wenn es durch viel Zuckerkonsum oder (malz-)zuckerhaltige Getränke ständig überhöht im Blut zirkuliert, können die betroffenen Personen kein Normalgewicht erreichen, denn Insulin fördert einerseits den Appetit noch mehr, andererseits bewirkt es, dass Fett in den Körperzellen gespeichert bleibt. Um eine Senkung des Insulinspiegels zu erreichen, muss man nicht zwangsläufig nur Fleisch plus Salat verzehren, mit Sonnenblumenkernen gelingt eine kohlenhydratarme Ernährung auch rein pflanzlich. Sie dienen aber auch als Lieferanten für B-Vitamine (außer B12), Vitamin E sowie Kalzium und können mit ihrem Lezithingehalt Nerven und Psyche stärken.
Jedoch ist das Verhältnis zwischen den beiden lebensnotwendigen Fettsäuren recht ungünstig. Mit dem Fett aus Sonnenblumenkernen kann keine nennenswerte Menge an Omega-3-Fettsäuren zugeführt werden. Nicht nur das menschliche Gehirn und die Augen sind auf diese angewiesen, auch Entzündungsprozesse können durch sie gehemmt werden. Möglicherweise werden sogar menschliche Fähigkeiten zu Empathie, gegenseitigem Verständnis, Anteilnahme und Geduld durch einen Mangel der wichtigen Omega-3-Fettsäuren beeinträchtigt, wie es in verschiedenen Studien gezeigt werden konnte. So erforschten Alex Sumich von der Nottingham-Trent-Universität und Dean Fido von der Universität Derby den Zusammenhang zwischen der Zufuhr mehrfach ungesättigter, langkettiger Fettsäuren und einem impulsiven, aggressiven Verhalten versus einer (Selbst-)Regulierung von Emotionen.
Die besten Lieferanten für mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind Kaltwasserfische wie Hering und Makrele. Jedoch ist die Zahl der Menschen inzwischen zu groß, sodass nur noch einmal wöchentlich Fisch empfohlen werden kann. Pflanzliche Öle gilt es deshalb klug zu kombinieren.
Als Ausgleich zu Sonnenblumenkernen, die überwiegend die zweifach ungesättigte Linolsäure liefern, eignen sich Leinsamen oder Walnüsse, die reichlich von der dreifach ungesättigten Linolenfettsäure enthalten. Inzwischen sind auch sogenannte Omega-3-Öle zu kaufen, die aus verschiedenen Ölsorten zusammengestellt und zusätzlich mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren aus pflanzlichen Meeresalgen angereichert wurden. Allerdings sind sie teuer und sehr hitzeempfindlich.
Zum Kochen, Dünsten und sanften Braten ist das sogenannte High-Oleic-Sonnenblumenöl gut geeignet. Die Kerne dieser besonders gezüchteten Sonnenblume enthalten ähnlich wie Oliven einen hohen Anteil der einfach ungesättigten Ölsäure. Dadurch reagiert das daraus hergestellte Öl weniger empfindlich auf heiße Temperaturen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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