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Aufmerksamkeit für den Augenwurm
Der Memento-Preis soll Impulse für eine bedarfsgerechte Forschung zu vernachlässigten Krankheiten geben
Ein Wurm im Auge ist kein schöner Anblick, nicht einmal für Studenten in Deutschland, wie der Biologe Klaus Brehm von Universität Würzburg berichtet. »Aber nach erstem Ekel entspannen sie sich doch. Vermutlich weil dieser Infekt, diese Kuriosität der Natur, sie selbst niemals treffen wird. Und wenn doch, genießen sie eine gute medizinische Versorgung.« Mit dieser kleinen Episode leitete der Wissenschaftler und Juror des Memento-Preises seine Laudatio zur diesjährigen Auszeichnung ein.
Der Preis soll auf Krankheiten hinweisen, die von Wissenschaft und Pharmaindustrie vernachlässigt werden, und Impulse für bedarfsgerechte Forschung sowie weltweiten Zugang zu Arzneimitteln geben. Er wird seit 2015 verliehen, zu dem Bündnis dafür gehören Brot für die Welt, Ärzte ohne Grenzen, die Buko-Pharmakampagne und die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe.
In diesem Jahr geht es um den Afrikanischen Augenwurm (Loa loa). Erforscht wird der Parasit von einem Wissenschaftlerteam. Die Beteiligten gehören dem Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin sowie dem Centre de Recherches Médicales de Lambaréné (Cermel) in Gabun an. Ihr gemeinsames Programm ist auf die Wissenslücken gerichtet und kooperiert mit nationalen und internationalen Partnern.
Zur Leitung dieses Teams gehört Michael Ramharter. Dem Infektiologen und Tropenmediziner wurde der Memento-Preis vor einer Woche in Berlin verliehen. Der Fadenwurm ist in Europa kaum bekannt, weil der Befall und die Krankheit, Loiasis genannt, lange für weniger gefährlich gehalten wurde. »Unter den schon vernachlässigten Krankheiten ist diese noch einmal vernachlässigt«, kommentiert der gebürtige Wiener Ramharter und schiebt nach: »Eigentlich handelt es sich um eine komplett ignorierte Krankheit.« Sie kommt in Zentralafrika und Teilen Westafrikas vor.
Übertragen wird der Wurm mithilfe einer bestimmten Bremsengattung (Chrysops), die als Zwischenwirte dienen – und auch die Erreger der bekannteren Schlafkrankheit übertragen. Der Fadenwurm und seine Larven sind gefährlich für alle Menschen, die in den tropischen Regenwäldern, also eher im ländlichen Bereich leben. Mit dem Bremsenstich gelangen die Larven in die Haut und entwickeln sich in drei Monaten zum erwachsenen Wurm. Weibliche Würmer geben sogenannte Mikrofilarien (erstes Larvenstadium) ins Gewebe ab, sie gelangen später ins Blut und werden wieder von stechenden Bremsen aufgenommen. Laut Ramharter existieren bis 100 000 Larven in einem Milliliter Blut.
Die Würmer können im Auge auftauchen, verursachen dort Schmerzen und Rötungen, schädigen es aber nicht nachhaltig. Außerdem sorgen sie für wechselnde Schwellungen an Armen und Beinen, die Stunden und Tage anhalten. Was heißt das für Betroffene? Eine Frau aus Gabun berichtet auf der Projektwebseite loaloa.org von Kopfschmerzen, Juckreiz und starker Müdigkeit. Daraus ergeben sich Schwierigkeiten, normaler Feldarbeit und anderen Alltagsaufgaben nachzugehen. Aufgrund der Forschung unter anderem im Cermel geht der Biologe davon aus, dass etwa 20 Millionen Menschen infiziert sind, weitere 200 Millionen leben mit diesem Risiko.
In den Verbreitungsgebieten sind bis zu 80 Prozent der Erwachsenen betroffen, ein Wurm kann bis zu 20 Jahre im menschlichen Körper leben. »Man kann also oft von einer lebenslangen Infektion ausgehen«, sagt Ramharter. Andere Wissenschaftler berichteten von einer bis zu 15-prozentigen Übersterblichkeit bei Betroffenen.
Aktuell geht es darum, effektive Bremsenfallen und Insektenschutzmittel zu entwickeln. Nötig sind neue Therapien. Auch Wurmmittel aus der Veterinärmedizin seien zu prüfen, erklärt Ramharter. Heute verwendete Medikamente seien bereits seit Jahrzehnten im Einsatz. Die Behandlungsoptionen sind begrenzt, die möglichen Medikamente bergen oft die Gefahr von starken Nebenwirkungen. Zudem kann noch nicht zwischen einer okkulten, also verborgenen, Loiasis und einer anderen Variante der Krankheit mit vielen Mikrofilarien im Blut differenziert werden, heißt es ebenfalls auf der Projektwebseite. Wäre das möglich, ließe sich die Ausbreitung besser eindämmen.
Das Cermel ist eine Nachfolgeinstitution des Forschungslabors am Albert-Schweitzer-Spital in Lambaréné. Seit 2012 arbeitet es als rechtlich eigenständige Non-Profit-Forschungsinstitution, gehört aber weiterhin zur Fondation Internationale Albert Schweitzer und arbeitet eng mit dem Spital zusammen. Das Forschungslabor hatte sich seit 1981 auf die Arbeit zur tropischen Malaria konzentriert. Der deutsch-französische Arzt, Forscher und Philosoph Albert Schweitzer war mit Unterbrechungen von 1913 bis 1956 in Gabun tätig, auch bei der Versorgung von Lepra-Patienten.
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