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Große Furcht vor der Narkose
Operationen lösen häufig verschiedenste Ängste aus, aber es gibt Abhilfe
Operationen waren Martina schon immer unheimlich gewesen. Lange hatte sie aber das Glück, dass bei ihr kein Eingriff nötig war. Doch als sie eines Tages unglücklich stürzte, änderte sich die Lage schlagartig: Ihr Handgelenk war regelrecht zertrümmert, sodass eine Operation unvermeidbar war – was bei ihr arge Beklemmungen auslöste. »Ich hatte so große Angst vor einer Vollnarkose, mein ganzes Leben hatte ich die«, berichtet sie. Warum, weiß sie nicht. »Es war einfach die Angst vor dem Kontrollverlust.« In ihrem Fall war zwar ein Eingriff in Regionalanästhesie möglich, wegen größerer Risiken aber nicht empfehlenswert, wie ihr der Narkosearzt erklärte. »Alles in allem war er so einfühlsam und vertrauenerweckend, dass ich mich doch für die Vollnarkose entschieden habe.«
Eine anstehende Operation löst häufig Ängste aus. Manchen Menschen ist nur etwas bang zumute, andere haben schlimmste Befürchtungen. Immer wieder wenden sich deshalb auch Betroffene an die Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD). »Vielen geht es dabei um die Narkose«, sagt der Ärztliche Leiter Johannes Schenkel. »Andere fürchten sich vor Komplikationen, vor Schmerzen oder auch vor schlechten Nachrichten.« Zum Beispiel könnte eine Operation die Gewissheit bringen, an Krebs zu leiden. Im Gespräch geht es zunächst darum, dahinterzukommen, wovor genau sich Patientinnen und Patienten fürchten. »Davon hängt auch ab, wie man vorgeht und mit wem man sprechen sollte«, erklärt Schenkel. »Wichtig ist außerdem, grundsätzlich zu vermitteln: Es ist ganz normal, vor einer Operation Angst zu haben.«
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Wie verbreitet solche Ängste sind, weiß auch Grietje Beck, Direktorin der Klinik für Anästhesie, Operative Intensiv- und Schmerzmedizin am Universitätsklinikum Mannheim. Studien zufolge hätten mehr als die Hälfte der Patienten in irgendeiner Weise Angst vor der Kombination aus Anästhesie und Operation, berichtet sie. Was ihnen dabei genau Furcht einflößt, ist ganz unterschiedlich. »Die Ängste sind oft recht komplex«, sagt sie. Geht es um die Narkose, so haben manche Menschen Sorgen, dass sie während des Eingriffs zu sich kommen könnten. Andere befürchten dagegen, nie mehr aufzuwachen. Auch die Vorstellung, nackt und hilflos zu sein, ist für viele beschämend. »Eine große Rolle spielt, dass Patienten oft nicht verstehen, was bei einer Narkose genau passiert«, betont Beck. Anästhetische Verfahren seien für sie dann wie eine »Black Box«.
Wie in Martinas Fall können heute viele Eingriffe – wie etwa der Einsatz eines Knie- oder Hüft-Implantats – in Teilnarkose durchgeführt werden. Es ist aber nicht so, dass eine solche Regionalanästhesie grundsätzlich weniger Angst auslöst, wie Beck berichtet: »Die Ängste sind dann nur anderer Art. Zum Beispiel fürchten sich manche Patienten davor, dass sie nicht richtig wirkt.«
Kommunikation: Auf die ärztlichen Gespräche vor dem Eingriff sollten sich Patienten gut vorbereiten und mitteilen, was ihnen Angst macht. Wer bereits lange vor der Operation unter Ängsten leidet, kann sich zum Beispiel an den Hausarzt, einen Psychologen oder eine Beratungsstelle wenden.
Entspannungsverfahren: Eine einfache Art, sich zu beruhigen, sind Atemübungen. Auch Meditation, Progressive Muskelentspannung und Hypnose können helfen, Ängste zu reduzieren.
Ablenkung: Musikhören wirkt entspannend. Mehrere Studien haben gezeigt, dass Musik hier tatsächlich effektiv ist. Auch ein spannendes Buch oder Film helfen, nicht ständig an die Operation zu denken.
Vorsicht: Unbedingt vermeiden sollte man den Griff zur Zigarette. Rauchen kann kurzfristig entspannen, vergrößert aber die Komplikationsrisiken. Außerdem sollte man vor dem Eingriff nicht auf eigene Faust Beruhigungsmittel nehmen. Wenn nötig, werden sie in der Klinik verordnet. ast
Manchmal ist die Furcht so groß, dass Patienten erst gar nicht zum Operationstermin erscheinen. »Es kommt sogar vor, dass jemand noch kurz vor dem Eingriff die Flucht ergreift«, berichtet der Greifswalder Orthopäde Georgi Wassilew, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik. »Das geschieht dann meistens unter einem Vorwand.« Er vergleicht die Angst vor dem Eingriff mit Flugphobie: Der erste Schritt, sie zu überwinden, besteht darin, sich an Bord – also in die Klinik – zu begeben. Der zweite ist, auch wirklich zur Operation anzutreten – und nicht sozusagen vor dem Start auszusteigen. Ist die Furcht so groß, dass man einen nötigen Eingriff immer wieder aufschiebt, sollte man sich professionelle Hilfe suchen.
Dabei sind starke Ängste nicht nur belastend, sondern haben auch negative Auswirkungen auf die Operation. Betroffene brauchen mitunter mehr Narkosemittel, zudem kann es leichter zu Übelkeit während des Eingriffs kommen. Auch danach leiden Angst-Patienten stärker: »Sie erleben Schmerzen intensiver«, berichtet Wassilew.
Das beste Mittel gegen die Furcht lautet: das Gespräch mit dem Ärzteteam suchen. Darauf sollte man sich gut vorbereiten und die wichtigsten Fragen vorher aufschreiben. »Wir empfehlen, gegenüber den Ärzten zu kommunizieren, dass man Angst hat«, sagt Schenkel von der Stiftung UPD.
Vonseiten der Mediziner ist bei den Vorgesprächen viel Zeit und Geduld gefragt. »Wir beruhigen und erklären«, sagt Beck. Was Narkoseverfahren anbetrifft, gibt es wenig Grund zum Fürchten: »Die Risiken sind gering.« Auch von chirurgischer Seite können Ängste häufig zerstreut werden. Steht zum Beispiel der Einsatz eines künstlichen Hüftgelenks an, können Operateure Patienten mit der Aussicht auf bessere Zeiten Mut machen: »Der Eingriff ist mit der geringsten Komplikationsrate und dem größten Zugewinn an Lebensqualität verbunden«, sagt Wassilew. Falls es bei einem Eingriff doch zu Zwischenfällen – etwa unvorhergesehenen Blutungen – kommt, »können wir auf alles reagieren«. Auch das sei eine beruhigende Botschaft.
Darüber hinaus gibt es für Betroffene viele Möglichkeiten, sich im Vorfeld eines Eingriffs zu beruhigen: etwa durch Entspannungsverfahren oder auch Musikhören. Am sinnvollsten ist es, schon Wochen vorher Verfahren wie Meditation, Progressive Muskelentspannung oder Atemtechniken zu üben. Abgesehen davon kann das Schlafhormon Melatonin dazu beitragen, Ängste zu reduzieren. »Präoperativ wurden damit schon gute Effekte erzielt«, sagt Beck. Hilft das alles nicht, können Beruhigungsmittel wie Benzodiazepine eingesetzt werden. »Gerade bei älteren Patienten ist man heute aber wegen der Nebenwirkungen vorsichtig.« Solche Mittel können nämlich zu Tagesmüdigkeit sowie zu Gedächtnis- und Konzentrationsschwierigkeiten führen.
Martina hat ihre Operation längst gut überstanden. Die Vollnarkose empfand sie rückblickend als gar nicht schlimm. »Die positiven Erfahrungen überwiegen.« Sollte eines Tages wieder eine Narkose anstehen, wäre sie wahrscheinlich ruhiger, meint sie.
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