Deutschen Bahn: Blaues Auge für die EVG-Führung

Nur eine knappe Mehrheit der Eisenbahngewerkschaft stimmt für das Tarifergebnis

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.
Viele Beschäftigte der Bahn beklagen zurückgehende Reallöhne.
Viele Beschäftigte der Bahn beklagen zurückgehende Reallöhne.

Der Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn AG ist beendet. In der Urabstimmung über die Schlichterempfehlung zu den zuvor gescheiterten Tarifverhandlungen zwischen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und dem Konzern stimmten 52,3 Prozent für deren Annahme. Dies gab die EVG am Montag auf einer Pressekonferenz in Berlin bekannt. Die Wahlbeteiligung lag bei 65,3 Prozent. Laut EVG-Satzung wären für die Annahme bereits 25 Prozent Ja-Stimmen ausreichend gewesen, nachdem die Leitungsgremien der Gewerkschaft das Schlichtungsergebnis wenige Tage nach seiner Verkündung am 26. Juli akzeptiert hatten. Um das Votum des Bundesvorstands der EVG zu kippen und einen unbefristeten Streik zu ermöglichen, hätte es also eine Dreiviertelmehrheit gebraucht.

Der EVG-Vorsitzender Martin Burckhard sprach trotz des knappen Ergebnisses von einer »klaren Mehrheit« für einen »solidarischen Tarifabschluss«, der ein »großer Erfolg« für seine Gewerkschaft sei und besonders unteren Lohngruppen überproportional zugutekomme. Auch Verhandlungsführer Kristian Loroch verteidigte den Abschluss als »vertretbaren Kompromiss«.

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Das Abstimmungsergebnis kann man wohl eher als dunkelblaues Auge für die EVG-Spitze werten, denn es zeigt, dass fast die Hälfte der Mitglieder unzufrieden mit dem Tarifergebnis und dem Zickzack-Kurs ihrer Führung ist. Und das ist verständlich, denn an der Kampfbereitschaft der Kollegen hat es jedenfalls nicht gelegen, dass die Ausgangsforderungen Stück für Stück fallen gelassen wurden. Ursprünglich verlangte die EVG eine Mindesterhöhung von 650 Euro pro Monat bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.

Ihre relativ hohen Forderungen begründete die Gewerkschaft auch mit einem notwendigen »Nachholeffekt«. So hatte die EVG im Rahmen eines »Bündnisses für unsere Bahn« im Oktober 2021 einen Sanierungstarifvertrag mit der Deutschen Bahn abgeschlossen, der neben einer einmaligen Corona-Prämie von 1100 Euro lediglich eine Lohnerhöhung von 1,5 Prozent beinhaltete, was nicht zuletzt aufgrund der wenig später einsetzenden hohen Inflation einen deutlichen Reallohnverlust bedeutete.

Im Rahmen dieser Tarifrunde gab es mehrere flächendeckende Warnstreiks. Höhepunkt war eine gemeinsam mit Verdi organisierte 24-stündige Arbeitsniederlegung, mit der der Schienen- und Luftverkehr weitgehend lahmgelegt wurde. Als es auch danach keine Fortschritte bei den Verhandlungen mit der Deutschen Bahn gab, wurden diese von der EVG für gescheitert erklärt und eine Urabstimmung über unbefristete Streiks angekündigt. Doch bereits wenige Tage später willigte sie in das Schlichtungsverfahren ein, dessen nun akzeptiertes Ergebnis im Wesentlichen dem entspricht, was die Bahn zuletzt angeboten hatte.

Im Mittelpunkt des jetzt knapp gebilligten neuen Tarifvertrags steht eine pauschale Lohnerhöhung um 410 Euro pro Monat, die in zwei Stufen im Dezember 2023 und im August 2024 wirksam werden soll. Dazu kommt eine einmalige, steuer- und abgabenfreie »Inflationsausgleichsprämie« in Höhe von 2850 Euro, die im Oktober 2023 ausgezahlt werden soll. Weitere Punkte betreffen die Ost-West-Lohnangleichung innerhalb des Konzerns sowie die Einbeziehung von mehr Mitarbeitern aus Tochterunternehmen in den Konzerntarifvertrag.

Ferner soll es für einige Berufsgruppen zusätzliche Lohnerhöhungen durch neue Eingruppierungen geben. Das betrifft unter anderem Fahrdienstleister, Zugbegleiter und Werkstattmitarbeiter, für die sich insgesamt ein Lohnplus zwischen 800 und 900 Euro ergeben könnte. Diese Erhöhungen werden allerdings erst im März 2025 wirksam. Die Laufzeit des Tarifvertrags beträgt 25 Monate.

Die jetzt besiegelte Einigung bewegt sich zwar ungefähr auf dem Niveau des letzten Tarifabschlusses für den Öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen im Mai 2023. Aber unterm Strich ist der EVG-Abschluss die Zementierung des über mehrere Tarifverträge zuvor kumulierten Reallohnabbaus. Und das sehen offenbar auch große Teile der Basis so.

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), die sich seit vielen Jahren in erbitterter innerbetrieblicher Konkurrenz mit der EVG befindet und offensiv um deren Mitglieder wirbt, wird das Ergebnis der Urabstimmung jedenfalls mit Interesse zur Kenntnis nehmen. Ihre Tarifverhandlungen bei der Bahn beginnen in einigen Wochen und sie wird alles daran setzen, ein erkennbar besseres Ergebnis für die von ihr vertretenen Berufsgruppen des Eisenbahnverkehrs zu erkämpfen.

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