- Berlin
- Schulplatzmangel
Schulhof bleibt leer: CDU-Stadträtin verhindert Ergänzungsbau
Lichtenbergs CDU-Schulstadträtin sagt Ergänzungsbau für Obersee-Schule im Alleingang ab, die übrigen Fraktionen planen Missbilligungsantrag
In Alt-Hohenschönhausen mangelt es an Schulplätzen. Dennoch hat die Lichtenberger Schulstadträtin Catrin Gocksch (CDU) die Pläne für einen modularen Ergänzungsbau (MEB) auf dem Schulhof der Obersee-Schule verworfen. Eine schriftliche Anfrage der Berliner Linksfraktion im Abgeordnetenhaus zeigt, dass der geplante MEB mittlerweile aus den Investitionsplänen des Landes gestrichen wurde.
Am Dienstag formulierten die Bezirksfraktionen von Grünen, SPD und Die Linke einen Missbilligungsantrag für die Bezirksverordnetenversammlung am Donnerstag, der »nd« vorab vorliegt. Denn die CDU-Stadträtin übergeht mit ihrer Entscheidung einen Beschluss der BVV vom 15. Juni, der die Umsetzung des MEB fordert, und eine Entscheidung des Bezirksamts vom März.
Bereits im Juni hatte Gocksch eine Prüfung der Baupläne veranlasst und damit das Projekt auf Eis gelegt. Am vergangenen Mittwoch kam dann der endgültige Stopp: Das teilte zumindest Martin Pätzold, CDU-Abgeordneter im Abgeordnetenhaus für Alt-Hohenschönhausen, der Elternschaft der Obersee-Schule in einer sogenannten Bürgerinformation mit. Demnach habe sich Gocksch »nach Abwägung aller Argumente« dazu entschieden, auf den MEB zu verzichten. Stattdessen schaffe Gocksch durch die sofortige Belegung des neuen Schulgebäudes in der Schleizer Straße mehr Schulplätze. Außerdem könne auf einem Grundstück gegenüber der Obersee-Schule eine Gymnastikhalle inklusive Unterrichtsräumen gebaut werden, wodurch 100 neue Schulplätze entstünden.
Erst am Freitag folgte dann eine Mitteilung von Gocksch selbst an die übrigen Fraktionsvorsitzenden. Das berichtet Daniela Ehlers, Grünen-Fraktionsvorsitzende in der Lichtenberger BVV, auf Anfrage von »nd«. »Es gab von ihrer Seite aus keine offizielle Mitteilung an den Ausschuss«, ärgert sie sich.
In dem gemeinsamen Antrag missbilligen Linke, Grüne und SPD dieses Vorgehen und fordern Gocksch auf, »die Bezirksamtsmitglieder und die Bezirksverordneten unverzüglich und umfassend über ihre Entscheidungen, den zugrunde liegenden Abwägungsprozess, die konkreten Konsequenzen und deren materielle und finanzielle Sicherstellung zu informieren«. Das Bürgerbüro von Pätzold ist laut Missbilligungsantrag für derartige Mitteilungen mit »erheblichen Auswirkungen für den Schulbetrieb« nicht zuständig.
Ehlers kritisiert nicht nur die Kommunikation, sondern auch die Entscheidung selbst. Denn anstatt an der Obersee-Schule durch das geplante Ergänzungsgebäude Schulplätze zu schaffen, plädiere Gocksch für komplizierte Klassenverlegungen, die drei zurzeit überbelegte Schulen entlasten sollten. »Gerade aus Perspektive der Schulwegsicherheit ist es hochproblematisch, Kinder als Übergangslösung in andere Schulen zu schicken und sie aus einer bestehenden Schulgemeinschaft herauszureißen«. Den Hinweis der CDU-Stadträtin auf die Belegung der neu entstandenen Schule in der Schleizer Straße hält sie für »Augenwischerei«. »Dadurch entsteht kein einziger neuer Schulplatz«, so Ehlers. Denn die Schule werde für das angrenzende Neubauquartier benötigt.
Schulstadträtin Gocksch begründet den Stopp des MEB außerdem mit der Prognose, dass der Schulplatzbedarf im Kiez geringer ausfallen werde als angenommen. »Diese waghalsige Wette der Bezirksstadträtin auf die Zukunft ist vor dem Hintergrund, dass die Schüler*innenprognosen der Vergangenheit stets zu niedrig angesetzt waren, ein unverantwortliches Glücksspiel auf dem Rücken der Kinder«, erwidern Ehlers und ihr Amtskollege Philipp Ahrens in einer Pressemitteilung.
Sie halten Gockschs Widerstand gegen den bereits geplanten und finanzierten MEB für Klientelpolitik. Denn Gocksch handelt im Sinne des Fördervereins der Obersee-Schule, der eine Nachverdichtung des Schulhofes vehement ablehnt. Das Argument, dass der grüne Innenhof der Schule bewahrt werden müsse, lässt Ehlers nicht gelten: »In einer Situation, wo viele Schüler*innen gerade keinen Schulplatz haben und es keine Alternative gibt, muss leider Gottes mal ein Baum gefällt werden.«
Die SPD-Fraktion schließt sich der Kritik der Grünen an. »Mit ihrem intransparenten Alleingang spaltet die Schulstadträtin die Schullandschaft in Alt-Hohenschönhausen«, lässt sich der Fraktionsvorsitzende der SPD Lichtenberg, Kevin Einenkel, in einer Pressemitteilung zitieren. Er fordert eine schnelle Aufklärung des Sachverhalts gemeinsam mit allen zuständigen Gremien und den betroffenen Schulen. Außerdem müssten BVV-Beschlüsse respektiert werden.
Der Lichtenberger Baustadtrat Kevin Hönicke (SPD) widerspricht zudem Gockschs Plan, gegenüber der Obersee-Schule eine Gymnastikhalle plus Ergänzungsbau zu errichten. »Den Vorschlag mit dem gegenüberliegenden Gelände empfinde ich als Skandal, weil er jeder Grundlage entbehrt«, teilte Hönicke »nd« mit. Weder sei die Idee mit ihm abgesprochen worden, noch lasse sie sich mit dem Bebauungsplan vereinbaren.
Von Seiten der Eltern erntet Gocksch ebenfalls Empörung. Anne Hausen, Gesamtelternvertreterin der Brodowin-Schule, die überbelegt ist und durch den MEB entlastet werden sollte, ärgert sich über »Nichtkommunikation und Handlung entgegen des BVV Beschlusses«. Die Alternativvorschläge der Stadträtin hält sie für nicht umsetzbar.
Für Dienstagabend vor der Sitzung des Schulausschusses und Donnerstagabend vor der BVV-Sitzung sind zwei Protestkundgebungen geplant.
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