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FC Carl Zeiss und der Ring der Liebe
BallHaus Ost: Wie liebestolle Fans auch die ganz schlimmen Zeiten überleben
In Würde untergehen ohne abzusaufen, heißt die Devise für den FC Carl Zeiss Jena in der noch jungen Saison der Regionalliga Nordost. Meine geliebten Kleingeldkönige aus dem Paradies haben sehr schnell die Devise für diese Spielzeit ausgegeben: irgendwie mitspielen, nicht absteigen und die Fußballgöttin eine fromme Frau sein lassen. In diesem Stil wurden mehr oder weniger lustlos in den ersten fünf Partien zwei Punkte geholt, die den FCC folgerichtig auf den 15. Platz expedierten. Von oben grüßt indes der Vieselbacher FC Rot Weiß – schlimmer kann es für uns Gebeutelte vom lieblichen Saalestrand eigentlich nicht kommen.
Frank Willmann blickt auf den Fußball zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.
Um es smart und streng zu formulieren: Ich mache weder dem Trainer noch der jungen Mannschaft einen Vorwurf. René Klingbeil muss mit den Spielern umgehen, die ihm zur Verfügung gestellt werden. Und er wird dabei von keinem Sportdirektor unterstützt. Und welcher Spieler zu einem Verein ohne Geld kommt, muss ich euch nicht erklären.
In der vergangenen Saison erreichte Carl Zeiss in der Regionalliga Nordost Platz zwei und gewann zum vierten Mal in Folge den Thüringenpokal. Das kam durchaus überraschend, hatte Jena sich doch zu Beginn der letzten Spielzeit von allen vermeintlichen Legionären und Großverdienern getrennt, um mit dem eigenen Nachwuchs und dazugeholten jungen Kräften einen Neubeginn zu starten, der eine eingespielte Jenaer Mannschaft irgendwann in die 3. Liga spülen sollte. Klingt gut, indes die Sachkundigen unter uns wissen: Taucht irgendwo in der 4. Liga ein junger Paradiesvogel auf und entfaltet seine Flügel, wird er sofort von gierigen Raubvögeln verspeist, von ligahöheren Wesen verschleppt.
Eigengewächs Vasilios Dedidis spielt jetzt in Weinrot und stellt mit seinem Wechsel zum BFC Dynamo die Neuausrichtung infrage. Ultras und Umfeld nebst einiger Fußballflüsterer tragen den Fokus auf den eigenen Nachwuchs mit und hoffen auf bessere Zeiten. Denn die Kassen sind leer beim FC Carl Zeiss. Die Goldmarie macht um den Fußball in Jena einen großen Bogen, obwohl das neue Stadion demnächst eröffnet wird und Platz für 15 000 Zuschauer bietet. Für die Regionalliga viel zu groß, gegen Lok Leipzig kamen 5000 Fans ins Ernst-Abbe-Sportfeld.
Ob irgendwer im Verein, beziehungsweise bei der bestimmenden FC Carl Zeiss Jena Fußball Spielbetriebs GmbH oder beim Stadionbetreiber self5, einen wirklichen Plan zur glorreichen Zukunftsbewältigung hat? Es fällt ein wenig schwer daran zu glauben, die schmallippigen Aussagen der Protagonisten lassen blühende Fußballlandschaften am Thüringer Horizont vermissen. Der Präsident leiert routiniert die Keine-Kohle-Mär herunter und treibt uns liebestolle Blauweißlinge die Lachträne ins Auge. Ein Stadion für viele Millionen, eine Mannschaft für drei Euro zwanzig.
Fans for Live berührt dies alles nur am Rande. Aneinander geschmiedet durch den immerwährenden Ring der Liebe ernähren sie sich von der Vergangenheit. Wenn in den nächsten Wochen ein Bauernopfer gefordert wird, um dem gerechten Zorn der zahlenden Zuschauer gerecht zu werden, sagen wir weder Hoppla noch Auf Wiedersehen, beispielsweise zum Nochtrainer Klingbeil, dem der Verein am Dienstag abermals Vertrauen versprach. Wir stehen am Rand, singen unsere Lieder, lassen unsere Fahnen wehen. Auch wenn die Songline derzeit lautet: Weißt du noch, im Frühjahr 1981 und wir gegenwärtig nur dann in Verzückung fallen, wenn wir Menschen wie Lothar Fußballgott Kurbjuweit zufällig im Sportforum Hohenschönhausen (auf der falschen Seite) begegnen.
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