Ehemaliges Diesterweg-Gymnasium: Schicksal Verfall

Seit über einem Jahrzehnt steht ein Schulbau in Wedding ungenutzt da, es gibt keinen Plan und die Kosten steigen

  • Christian Lelek
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit mittlerweile zwölf Jahren steht der knallorange Kastenbau mit den abgerundeten Ecken in der Putbusser Straße im Weddinger Brunnenviertel leer. Daran wird sich in den nächsten Jahren auch nichts ändern.

2011 waren die letzten verbliebenen Schüler*innen aufgrund vermeintlich sinkender Schülerzahlen in benachbarte Schulen umgezogen. Mit den Jahren des Leerstands kamen Wassereinbrüche, Schimmel und Verfall. 2018/2019 sah es mal so aus, als könnte der Standort bald wieder als Schule fungieren. Schließlich sah man sich mit einer wieder wachsenden Zahl von Kindern und Jugendlichen konfrontiert.

Für die Idee des Bezirks von Abriss und Neubau standen knapp 50 Millionen Euro zur Verfügung. Doch dann kam der Denkmalschutz dazwischen. Ein Abriss war vom Tisch. Der Bau als solcher sollte erhalten bleiben. Seitdem ist wenig passiert.

Im aktuellen Investitionsprogramm des Landes Berlin wird der Standort mit der Maßnahme »Gesamtsanierung ISS« (Integrierte Sekundarschule) geführt. Für die Jahre 2022 bis 2026 sind dafür allerdings keinerlei Ausgaben verzeichnet. Als erster Ansatz für das Vorhaben ist das Jahr 2027 angegeben – »Prognose Fertigstellung: 2034«. Im Programm des Vorjahres war noch 2030 als Fertigstellung prognostiziert worden.

Die geschätzten Gesamtkosten belaufen sich laut dem aktuellen Programm inklusive geschätzter steigender Baukosten auf 67 Millionen Euro. In der Antwort des Staatssekretärs für Schulbau, Torsten Kühne, auf eine parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Franziska Brychcy und Tobias Schulze (beide Linke), heißt es: »Angesichts der aktuellen hohen Baukostensteigerungen ist mittlerweile von deutlich höheren Kosten auszugehen.« Eine denkmalgerechte Sanierung sei zudem noch mal als »bedeutend kostenintensiver« eingeschätzt worden.

Dabei ist fraglich, ob die 67 Millionen Euro aus dem Investitionsprogramm überhaupt noch eine Rolle spielen. Denn als Referenzwert werden die, eigentlich für Abriss und Neubau geschätzten, 50 Millionen Euro aufgeführt. Vermutlich wurde also nie eine Schätzung der Kosten für eine Sanierung vorgenommen. Aus der Antwort geht weiter hervor, dass »grundsätzliche bau-, planungs-, denkmalschutzrechtliche sowie finanzielle Aspekte« zu klären seien. So kommt Kühne auch zur Schlussfolgerung: »Die Nennung eines Umsetzungszeitpunktes ist derzeit nicht möglich.«

Der Bezirksbaustadtrat von Mitte Ephraim Gothe (SPD) betont gegenüber »nd« indes die Bestrebungen des Bezirks zum Erhalt des Denkmals und zur Wiederinbetriebnahme als Schule. Das bestätigt auch ein Sprecher des Bezirksamtes Mitte gegenüber »nd«. Auf die Frage, ob Abriss und Neubau ausgeschlossen werden könne, heißt es: »Auch dies kann noch nicht final beantwortet werden, da die Gespräche noch am Anfang stehen.« Im Grundsatz sei jedoch vom Erhalt auszugehen. Gothe sieht aufgrund der bezirksübergreifenden Wirkung einer Wiederinbetriebnahme das Land in der Handlungspflicht.

Die Initiative »ps Wedding« hingegen sieht Versagen auf bezirklicher Ebene: »Im Vergleich zu anderen Bezirken gibt es in Mitte keine Schulplanung, keine Ausschreibungen«, sagt Sabine Horlitz von der Initiative. 2019 hatte der Bezirk eine Arbeitsgruppe mit Howoge und ps Wedding beschlossen. Diese hatte aber nie ihre Arbeit aufgenommen. Laut Horlitz werde die Initiative dieses Jahr noch ein erneutes Nutzungskonzept vorlegen.

Abgeordneter Schulze hebt gegenüber »nd« die Einmaligkeit der Problematik hervor. Auch andernorts gebe es schwierige Schulprojekte, doch nicht in dem Umfang wie beim ehemaligen Diesterweg-Gymnasium. »Von daher ist das Projekt nur noch auf der Überholspur zu realisieren oder gar nicht. Dazu muss es raus aus der Schulbauoffensive und als Modell für ein Schul-, Sozial- und Kulturprojekt rein in die Stadtentwicklung«, so Schulze.

Gegenwärtig wird die Außensportanlage vom Verein Caiju für nachbarschaftlichen Sport und Gartenarbeiten genutzt. Sie hätten einen sich jährlich verlängernden Vertrag mit dem Bezirk, teilte eine Vertreterin des Vereins »nd« mit. Zum Fortbestand des Schulgebäudes glaubt sie: »Da wird so schnell nichts passieren. Eine Sanierung wäre zu teuer. Das können oder wollen sich der Bezirk und das Land Berlin nicht leisten. Und einem Abriss steht der Denkmalschutz entgegen. Es wäre auch schade um den schönen Bau.«

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