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Berliner Friedensbündnis: Gegen Putin und die Nato
Neues Antikriegsbündnis in Berlin will am Samstag für Waffenstillstand in der Ukraine demonstrieren
Es ist, als ob die erste Schockstarre überwunden ist: Im April haben sich linke Organisationen und Friedensinitiativen in der Antikriegskoordination zusammengetan, um eine Bewegung zu mobilisieren, die sich für eine friedliche Lösung des Ukraine-Kriegs einsetzt. Für Samstag ruft das Bündnis zu einer Demonstration auf.
Der Unmut über die zwei vorherrschenden Perspektiven auf den Ukraine-Krieg gab den Initator*innen Anlass, sich zusammenzutun: Auf der einen Seite stehe eine Sichtweise, die vor allem Russland kritisiert und keine Kritik an der Nato formuliert, auf der anderen eine, die ausschließlich die Nato kritisiert und sich mit Kritik an Russland schwertut, sagt Sprecherin Christine Buchholz im Gespräch mit »nd«. Das neue Bündnis dagegen will Kritik an Russland wie auch an der Nato zusammenbringen. »Sowohl Russland als auch dem Westen geht es darum, ihren weltpolitischen Einfluss zu erhalten und auszudehnen. Die Nato- und EU-Staaten, einschließlich der Bundesregierung, wollen ihre wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen durchsetzen«, heißt es im Aufruf des Bündnisses.
Das Bündnis steht nach eigenen Angaben weder auf der Seite Russlands, noch auf der Seite der Nato. Die Initiator*innen streiten die Schuld Russlands am Krieg keineswegs ab. Sie betonen aber, dass zugleich auch die Osterweiterung der Nato kritisiert werden müsse. »Es müssen beide Seiten in den Blick genommen werden«, sagt Hermann Nehls, Mitinitiator und Mitglied im Bezirksvorstand der Linkspartei in Neukölln. »Russland handelt klar völkerrechtswidrig. Gleichzeitig gibt es ein massives Interesse der USA und der Nato, Einfluss in der Region auszuüben«, so Nehls.
Weiterhin am Bündnis beteiligt sind Initiativen wie Rheinmetall entwaffnen, die Naturfreunde, die Internationale der Kriegsdienstgegner*innen und die Informationsstelle Militarisierung. »Dass dieses Bündnis entstanden ist, ist bedeutsam für zukünftige Mobilisierungen«, sagt Sprecherin Buchholz. Seit der Gründung im April habe es bereits bundesweit Anfragen erhalten.
Bei der von Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer initiierten und viel diskutierten Demonstration unter dem Motto »Aufstand für den Frieden« im Februar sei die Mehrheit des Bündnisses vor Ort gewesen, teilt Hermann Nehls »nd« mit, »allerdings mit eigenem Material und mit Kritik«.
Nehls sieht die Friedensbewegung, die einst aus der Großdemonstration im Bonner Hofgarten 1981 entstanden ist, als Vorbild für die Antikriegskoordination. Hunderttausende Menschen protestierten damals gegen die nukleare Rüstungspolitik der Nato und stießen damit eine europaweite Friedensbewegung an. Gerade die Bundesrepublik müsse sich aufgrund der Geschichte wieder zu der Verantwortung besinnen, nie wieder Krieg zu führen, sagt Nehls im Gespräch mit »nd«. Das sei nach 1945 ein deutsches Versprechen gewesen. Die Regierenden seien jetzt stattdessen in einer »Militärlogik gefangen und meinen, Frieden mit Waffen schaffen zu können.« Aus dieser Logik gelte es auszubrechen, sagt Nehls.
Die zentrale Forderung des Bündnisses ist ein sofortiger Stopp der Kriegshandlungen in der Ukraine. »Wir wissen, dass wir auf Russland wenig Einfluss üben können«, sagt Bündnissprecherin Buchholz. »Wir können aber die Bundesregierung unter Druck setzen, damit sie sich für einen Waffenstillstand einsetzt. Stattdessen trägt sie zur Eskalationsspirale bei«, so Buchholz. Jede kriegerische Handlung trage zu einer Verschärfung des Konflikts und damit zur Eskalation bei. Mit den Waffenlieferungen an die Ukraine sei Deutschland de facto als Kriegspartei aufgetreten, sind die Bündnispartner überzeugt.
Die Rede vom Schutz der Demokratie und von Menschenrechte bewertet das Bündnis als Vorwand für dahinter versteckte geopolitische Interessen: »Wir müssen darauf schauen, was für Interessen dahinter stecken. Wenn die Bundesregierung gleichzeitig Deals mit Saudi-Arabien eingeht, ist es schwer abzukaufen, dass es ihr wirklich um Menschenrechte geht«, sagt Sprecherin Buchholz.
Ähnlich wie bei kriegerischen Konflikten im Sudan, in Mali oder im Niger gehe es auch im Ukraine-Krieg letztendlich um die Interessen von Staaten, ihre wirtschaftliche Vormachtstellung in den jeweiligen Regionen zu sichern. Staaten in Afrika seien für Rohstoffe und als Absatzmärkte begehrt und auch die Ukraine sei als Agrarland und Markt der Zulieferindustrie ein begehrter Wirtschaftsstandort in Osteuropa, betont Buchholz.
Die Vorstellung, dass wirtschaftliche Stärke nur durch militärische Handlungen zu sichern sei, lehnen die Bündnispartner klar ab. Erfolgreicher Handel müsse ihnen zufolge auch ohne kriegerische Handlungen möglich sein. Offensichtlich sei für die Bündnispartner auch, dass der Krieg für die breite Bevölkerung keinen Wohlstand schaffe, sondern vor allem Rüstungskonzerne davon profitierten. Der Konzern Rheinmetall etwa verzeichnet seit Beginn des Krieges Milliardengewinne und einen steilen Anstieg der Aktienkurse.
Am Tag des Weltfriedens will die neue Antikriegskoordination ein Zeichen setzen. Zu Wort kommen sollen dabei auch russische und ukrainische Kriegsdienstverweiger*innen sowie ein polnischer Kriegsgegner und Sozialist. »Sie haben es in diesen Zeiten schwer, sich öffentlich zu äußern«, sagt Buchholz. Deshalb sei ein Schwerpunkt der Veranstaltung, ihnen Raum zu geben. Den Auftakt der Demo macht am Samstag eine Kundgebung um 14 Uhr am Pariser Platz. Von da aus wird es einen Zug geben, der am Brandenburger Tor enden soll. Die Abschlusskundgebung findet um 15.45 Uhr am Platz des 18. März statt.
Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Artikel nach einer Eingabe von Hermann Nehls geändert. Die erwartete Größe der geplanten Aktion spiele laut Nehls keine besondere Rolle, sondern ausschließlich die politische Position des Bündnisses: gegen die russische Führung und gegen die Nato. Die Aussage, das Bündnis hätte sich von der Wagenknecht-Demonstration abgegrenzt, bezeichnet Nehls als irreführend.
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