Stoppt die Aiwangers!

Karlen Vesper ist entsetzt über Ausreden und Aussitzen des Skandals

Mann, das zieht sich. Ewiglich und elendiglich. Beschämend und beschädigend. Hubert Aiwanger kapiert es einfach nicht. Man muss an seinem Verstand zweifeln. Wir sind der ewigen Ausreden satt. Auch für diese kann es kein Verständnis, kein Verzeihen geben. Nachdem er wortgleich zunächst seinem Chef Markus Söder nachplapperte, das inkriminierte Flugblatt sei »menschenverachtend und ekelhaft«, behauptete er dann, es nicht verfasst zu haben (dafür hat man ja einen Bruder) und nicht zu wissen, wie es in seinen Schulranzen gelangte. Und beteuert: »Ich war nie Antisemit, nie Menschenfeind.« Er spricht von einer Schlammschlacht der Medien. Derweil hängt sein Bruder Helmut Zettel ins Schaufenster seines Waffengeschäfts, auf denen die Lektüre von Heinrich Bölls »Die verlorene Ehre der Katharina Blum« empfohlen wird. Bekanntlich endet die Geschichte mit einem Mord; die Hauptheldin erträgt die Diffamierungen in der Presse nicht mehr. Eine Mordandrohung an Journalisten heute?

Die Vorgänge würden politisch instrumentalisiert, lamentiert Hubert Aiwanger. Was heißt instrumentalisiert? Sie werden selbstredend politisch interpretiert. Was denn sonst? »Ich soll persönlich und politisch fertig gemacht werden«, jammert er. Der Mehrheit der Bundesbürger dürfte es egal sein, ob Aiwanger Vizekönig in Bayern bleibt oder fürderhin Kuhställe ausmisten muss.

Nunmehr haben sich das Internationale Auschwitzkomitee und der Zentralrat der Juden zu Wort gemeldet, Entsetzen, Empörung artikuliert. Man kann offenbar immer noch nicht Selbstheilungskräften in der deutschen Gesellschaft trauen. Man erinnere sich an Globke, Oberländer, Filbinger und wie sie alle hießen. Gewiss, deren Schuld war größer, sie hatten direkte Mitschuld an den ungeheuren, unsagbaren Verbrechen. Indes: Verbales Zündeln ist nicht minder verbrecherisch, eine Straftat. Schlimm genug, dass sie 1988 (sic) in Bayern nicht geahndet wurde. Zu jener Zeit sind übrigens endlich, nach jahrzehntelangem Schweigen und Verdrängen in der Bundesrepublik, die millionenfachen Morde an Juden, Slawen, Sinti und Roma ins öffentliche Bewusstsein gedrungen, entwickelte sich eine ehrliche, aufrichtige Erinnerungs- und Gedenkkultur. Spätestens da wussten alle, was geschehen ist. Von dummen Jungenstreichen kann keine Rede sein.

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