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Konferenz in Köln: Eine andere Welt ist möglich

Die Abolitionismus-Bewegung sucht nach Alternativen zu repressive Polizeistrukturen

  • Maximilian Kisters
  • Lesedauer: 5 Min.

Um über eine ganz andere Welt zu sprechen, versammelten sich dieser Tage mehr als 200 Aktivist*innen und Interessierte zur Abolitionismus-Konferenz in Köln. Nachdem in Hamburg im Juni die erste große Veranstaltung unter dem Titel »Racial Capitalism – Krisen – Abolition« stattfand, luden die Veranstalter*innen jetzt nach Köln zur Bewegungskonferenz ein. Organisiert wurde sie von unterschiedlichen politischen Gruppen, die sich alle beim Thema Abolitionismus, also der Abschaffung repressiver Polizei- und Gefängnisstrukturen, treffen konnten.

Ursprünglich entstammt die Bewegung dem Kampf gegen die Sklaverei. Die Abolition, also die Abschaffung des Plantagenkapitalismus, war damals das proklamierte Ziel. Aber auch in bürgerlichen Gesellschaftsordnungen und autoritäreren Systemen, so prangerten die Abolitionist*innen an, bestehe der institutionelle Rassismus weiter. Damals wie heute richtet sich ihr Kampf gegen eben diesen institutionalisierten Rassismus und damit auch gegen die Institutionen, die ihn tragen. Simin Jawabreh, Aktivistin und Teilnehmerin des Eröffnungspanels, betont dabei: »Abolitionismus ist immer auch Klassenkampf.« Der Kampf richte sich gegen Racial Capitalism, also einen Kapitalismus, der auf rassistischen Strukturen aufbaut, und könne deswegen nicht getrennt von Arbeitskämpfen gesehen werden, sondern müsse immer mit der Überwindung des Kapitalismus einhergehen.

Dass die Bewegung gerade wieder von Neuem aus dem Boden sprießt, wäre allerdings ein Fehlschluss. Während die heutigen Abolitionist*innen sich in historischer Kontinuität derer sehen, die gegen die Sklaverei gekämpft haben, sind auch viele andere Kämpfe als abolitionistisch zu verstehen: »Auch Kämpfe, die nicht explizit unter diesem Label geführt wurden, waren abolitionistische Kämpfe«, erklärt Simin Jawabreh. Die Arbeit gegen die Ersatzfreiheitsstrafe oder die Ausbeutung von Gastarbeiter*innen sind ebenso Auseinandersetzungen mit staatlichen Institutionen und ihren Strukturen, die Menschen unterdrücken und ausbeuten. Auch die Revolution im Iran lässt sich als abolitionistische Revolution verstehen, meint Simin Jawabreh, auch dort werde gegen Unterdrückung durch staatliche Institutionen und für eine Zukunft ohne dieses Leid gekämpft.

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Mit Simin Jawabreh, Vannessa E. Thompson und Britta Rabe moderierte die Autorin Şeyda Kurt am Freitag ein Panel mit einigen der bekanntesten Gesichtern der deutschen abolitionistischen Bewegung. Vanessa E. Thompson, die Herausgeberin des deutschsprachigen Abolitionismus-Readers, erklärte, dass das »Polizieren« immer mit Gewalt einher gehe und vor allem mit dem Blick auf die kommende multipolare Weltordnung auch andere autoritäre Systeme der abolitionistischen Gesellschaft im Weg stünden. Antiimperialismus und Antimilitarismus gingen immer mit Abolitionismus einher, denn die Aufrüstung richte sich genauso nach innen. Zu sehen sei das beispielsweise an dem Mord an Mouhamed Lamine Dramé im Sommer 2022, der von Polizisten mit einer Maschinenpistole erschossen wurde.

Schon auf dem Panel wird klar, was es meint, eine Bewegungskonferenz zu sein: »Wir stehen auf den Schultern von Giganten«, sagt Vanessa E. Thompson. In der Geschichte finden sich unzählige Beispiele, die aufzeigen, wie der Kampf gegen repressive Regime aussehen kann. Angefangen mit der haitianischen Revolution, bei der sich Sklaven gegen die Kolonialherrschaft auflehnten. Und auch in den afrikanischen Kolonien habe es schon immer abolitionistische Kämpfe gegeben.

Antikoloniale Auseinandersetzungen seien immer auch als abolitionistische Kämpfe zu verstehen, meint Vanessa E. Thompson. »Auf gestohlenem Land gibt es keine Justiz«, lautet die Maxime. »Es gab schon immer liberale oder reformistische Tendenzen im Abolitionismus«, beschreibt Thompson, damit ist der Begriff mehr als eine Sammlung von Ideen zu verstehen. Die Teilnehmer*innen der Konferenz diskutieren hingegen Ideen des radikaleren Spektrums und wollen, ganz gemäß des Ausspruchs der bekannten Abolitionistin Ruth Wilson Gilmore, eines ändern: alles.

Der Impuls, eine neue Art des Zusammenlebens zu finden, beginnt natürlich mit Kritik an Institutionen wie der Polizei und Gefängnissen. In den Workshops und Diskussionen werden das Vorgehen und die Mittel, mit denen rassifizierte Menschen unterdrückt werden, konkretisiert und problematisiert. Während der Name der Bewegung vermittelt, dass es bloß um die Abschaffung des Systems geht, bildet die Errichtung von Alternativen und Perspektiven für eine neue Art des Zusammenlebens einen mindestens genauso wichtigen Aspekt. Das passiere auch schon, wie Simin Jawabreh erzählt: »In sehr vielen Vierteln kämen Menschen nie auf die Idee, die Polizei zu rufen, sondern organisieren sich selbst, um Konflikte zu lösen.«

Ein Konzept, das in dieser Ordnung eine zentrale Rolle spielt, ist die »Transformative Gerechtigkeit«. Darin findet sich eine grundlegende Kritik an der eurozentristischen Wahrnehmung von Gerechtigkeit, die auf Bestrafung und Schuldfragen basiert. Dafür brauche es aber eine Gemeinschaft, die Heilungsprozesse begleitet und – statt das System aufrecht zu erhalten, wie es Gefängnisstrafen tun – Gerechtigkeit herstellt.

Die Organisator*innen der Konferenz berichteten von einer großen Begeisterung aller Beteiligten während der Planungsphase. Ein relativ großes Team hatte sich gefunden, um das Event auf die Beine zu stellen. Die Abschaffung polizeilicher Strukturen scheint dabei ein Verbindungsglied gewesen zu sein: »Kein Linker mag die Polizei«, aber auch das konkretere Nachdenken über eine andere Art des Zusammenlebens ohne Kapitalismus und Rassismus vereint viele Menschen. Dabei gesteht sich das Team auch ein, dass in der Planung Schwarze Perspektiven gefehlt haben. Da die abolitionistische Bewegung initial eine Schwarze Bewegung sei, müsse das struktureller berücksichtigt werden.

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