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Wartezeit zur Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe verdoppelt
Wegen Problemen mit Software zur »Strafzeitberechnung« wird ein neues Gesetz vorerst nicht umgesetzt
Zu den Ideen und Forderungen des Abolitionismus gehört auch die Abschaffung von Gefängnissen und anderen Zwangsanstalten, mit denen der Staat seine Bürger erziehen will. Davon ist nicht nur Deutschland noch weit entfernt. Immerhin hat der Bundestag im Juni aber ein neues Gesetz beschlossen, wonach die sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe halbiert werden soll. Einen entsprechenden Vorschlag zur Neuregelung hatte die Ampel-Koalition bereits im vergangenen Dezember beschlossen. Die für Oktober geplante Umsetzung des Gesetzes verzögert sich jedoch bis mindestens 1. Februar 2024, wie zuerst die Bundesarbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe berichtete.
Ersatzfreiheitsstrafen können gegen Personen verhängt werden, die ihre Geldstrafe für Bagatelldelikte wie das Fahren ohne Fahrschein, kleineren Diebstählen oder Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz nicht bezahlen können. Stattdessen können diese von den Gerichten ins Gefängnis geschickt werden. Die Länge der dort zu verbüßenden Haft entspricht der Anzahl an Tagessätzen, die das Urteil als Geldstrafe verlangt.
Schätzungsweise 56 000 Menschen entscheiden sich in Deutschland jährlich für diese Ersatzfreiheitsstrafe. Damit ist sie mittlerweile die häufigste Form der Haft in Deutschland, stellt die Initiative »Ersatzfreiheitsstrafe abschaffen« auf ihrer Webseite fest. Das System wird dort als unfair beschrieben, denn die Menschen entschieden sich nicht für die Gefängnisstrafe »weil sie nicht zahlen wollen, sondern weil sie nicht zahlen können«. Die Fälle, in denen Menschen wegen geringfügiger Straftaten verurteilt werden, hingen oft mit Armut und Wohnungslosigkeit zusammen. Überdurchschnittlich würden auch rassifizierte Menschen wegen Bagatelldelikten verurteilt und säßen deshalb auch häufiger ersatzweise im Gefängnis.
Als größtes Hindernis für Einführung der halbierten Ersatzfreiheitsstrafe gilt die bayerische Justizverwaltung, die ein Softwaresystem zur »Strafzeitberechnung« angeblich nicht rechtzeitig umstellen kann. Die benötigte Anwendung trägt den Namen »web.sta« und wird von insgesamt neun Bundesländern benutzt. Bayern hat die Leitung der technischen Arbeitsgruppe für deren Neuprogrammierung. In einer Beschlussempfehlung des Verkehrsausschusses im Bundestag heißt es außerdem, dass sich aus den vorgesehenen Änderungen zur Ersatzfreiheitsstrafe »Anpassungsbedarf« in den Rechtsverordnungen einiger Länder ergebe. Sprich: Solange die Landtage keine Entscheidungen über diese neuen Verordnungen fällen, kann die halbierte Ersatzfreiheitsstrafe dort nicht eingeführt werden.
Gruppen und Initiativen wie »Ersatzfreiheitsstrafe abschaffen« kritisieren auch die Neuregelung zur reduzierten Ersatzfreiheitsstrafe. Denn dadurch werde die Kriminalisierung von Armut nicht beendet und das Problem auch nicht an der Wurzel gelöst. Andere Kritiker reiben sich an den hohen Kosten, die durch die Unterbringung von Zehntausenden Menschen im Gefängnis jährlich entstehen. Für einen Tag Ersatzfreiheitsstrafe sollen diese pro Person bis zu 188 Euro betragen. So steht es in Dokumenten von Justizministerien der Länder, die das »ZDF Magazin Royale« zusammen mit der Plattform »FragDenStaat« veröffentlicht hat.
Aus diesen Recherchen entstand schließlich der »Freiheitsfonds«, der Spenden sammelt um Menschen aus der Ersatzfreiheitsstrafe zu »befreien«. Über 750 000 Euro will die Initiative bereits gesammelt und damit 838 Personen freigekauft haben. Mit dem Geld seien 156 Haftjahre »aufgelöst« worden.
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