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Deutsche Basketballer im WM-Halbfinale und bei Olympia
Das DBB-Team qualifiziert sich nach einem Nervenkrimi gegen Lettland fürs Halbfinale gegen die Stars aus der USA und für Paris 2024
Dennis Schröder stand inmitten des Basketballfelds der Mall of Asia von Manila, und seine Kollegen nahmen ihn in die Mitte. Sie klopften ihm auf die Schultern, den Kopf und viele weitere Körperteile, als hätte er gerade den entscheidenden Wurf zum Halbfinaleinzug im Korb versenkt. Doch das hatte er nicht. Stattdessen war Lettlands NBA-Star Dāvis Bertāns, der bis dahin schon 20 Punkte erzielt hatte, nach Schröders letztem Fehlwurf noch einmal an den Ball gekommen. Er war nach vorn gedribbelt, um kurz vor der Schlusssirene per Dreipunktwurf die wackelige deutsche 81:79-Führung in einen lettischen Sieg umzuwandeln. »Es kam mir vor wie Stunden, in denen der Ball in der Luft war. Ich habe gedacht, das hört einfach nicht auf«, beschrieb Andreas Obst später die Szene auf dem Feld.
Doch das Glück der Letten hatte endlich sein Ende gefunden. Bertāns’ Wurf war einen Hauch zu lang angesetzt, sprang vom Ring zurück ins Feld. Das Team des Deutschen Basketball-Bunds (DBB) hatte dieses WM-Viertelfinale doch noch gewonnen und feierte den Sieg, obwohl sein bislang überragender Kapitän Schröder einen rabenschwarzen Tag erwischt hatte und getröstet werden musste.
Die deutschen Basketballer stehen damit erst zum zweiten Mal nach 2002 in einem WM-Halbfinale. Der Vorstoß unter die besten vier war vor 21 Jahren gelungen, weil die deutsche Mannschaft damals einen Dirk Nowitzki in ihren Reihen hatte, der eine ganze WM dominierte. »Heute hat Dennis ein schweres Spiel gehabt, und wir haben trotzdem gewonnen. Das zeigt, wie diese Mannschaft tickt«, sagte Distanzschütze Obst.
In der Tat war noch nie so deutlich wie an diesem Mittwoch in Manila, wie sehr sich der deutsche Basketball weiterentwickelt hat. Er ist nicht mehr von einem Star abhängig. Stattdessen punkteten neun verschiedene Spieler, vier von ihnen zweistellig, und Schröder war keiner von ihnen. Der Lenker des Teams hatte sich mit neun Punkten zufriedengeben müssen. Gerade einmal vier seiner 26 Wurfversuche trafen das Ziel. Eine unterirdische Quote, über die sich niemand mehr ärgerte als Schröder selbst.
Nur gut für das DBB-Team, dass nach vier Spielen Verletzungspause NBA-Kollege Franz Wagner rechtzeitig wieder zur Mannschaft gestoßen war. Als klar war, dass Schröder das Pech an der Hand klebt, übernahm der 22-Jährige in der zweiten Halbzeit das Punktesammeln. Egal ob direkt unterm Korb oder hinter der Dreierlinie, Wagner erzielte 16 Punkte, holte zudem acht Rebounds und legte drei Vorlagen für andere Kollegen auf. »Wenn man länger nichts gemacht hat, muss man erst mal wieder das Selbstbewusstsein suchen. Das hat ein paar Minuten gedauert. Aber dann war es einfach geil, da draußen zu sein und mit den Jungs zu zocken«, freute sich Wagner bei magentasport.de über eine rundum gelungene Rückkehr.
Außerdem erledigten die so wichtigen Rollenspieler Obst (drei Dreier), Johannes Thiemann (zehn Punkte ohne Fehlwurf) und Moritz Wagner (zwölf Punkte und zwei Ballgewinne) erneut höchst effizient ihre Aufgaben. »Wir haben bei dieser WM fünfmal richtig gut gespielt. Heute nicht. Wir wussten, irgendwann haben wir mal so einen Rohrkrepierer, aber wir haben einen Weg gefunden. Die Bankspieler haben mal wieder einen großartigen Job gemacht«, lobte Bundestrainer Gordon Herbert seine zweite Reihe, die neben der aus den USA die stärkste dieses Turniers ist und schon zum vierten Mal in Serie einen frühen deutschen Rückstand schnell wieder drehen konnte. Wenn der Motor nicht anspringt, kommen einfach alle anderen zusammen und schieben den Wagen über die Ziellinie.
Die NBA-Stars aus den USA sind am Freitagnachmittag (14.40 Uhr) der Halbfinalgegner der Deutschen. Da trifft dann der große Turnierfavorit auf das einzige noch ungeschlagene Team dieser WM in Asien. »Das wird auf jeden Fall ein Kampf«, kündigte Andreas Obst ein weiteres enges Spiel an, und auch der Bundestrainer frohlockte: »Wir haben schon einmal in der Vorbereitung gegen sie gespielt und über mehr als 30 Minuten richtig gut ausgesehen.« Allerdings schränkte er auch sofort ein: »Aber wir müssen viel besser spielen als heute.«
Es ist schon fast tragisch, dass die großen deutschen TV-Sender diesen Höhepunkt deutscher Basketballgeschichte trotz des Gewinns der EM-Bronzemedaille 2022 in Sachen Live-Übertragung wieder komplett ignorieren. ARD und ZDF begnügen sich mit kurzen Zusammenfassungen in ihren Nachrichtensendungen und verzichten »angesichts begrenzter Ressourcen« (ARD) darauf, dem Rechteinhaber Telekom eine Sublizenz abzukaufen. Dabei war diese sicher viel günstiger zu haben als die Rechte für die Fußballweltmeisterschaft in Katar oder die Tour de France.
Auch der Privatsender RTL, der bei der EM im Vorjahr ab dem Viertelfinale eingestiegen war, bleibt diesmal tatenlos, hat man sich doch die Rechte an der an diesem Wochenende beginnenden Football-Profiliga NFL in den USA viel kosten lassen. So bleiben die deutschen Basketballspiele dieser WM zwar kostenlos und unverschlüsselt beim Telekom-Sender Magenta-TV und auf dessen Website zu sehen, doch ein breites Gelegenheitspublikum ist für den Basketball damit eher nicht zu erschließen.
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