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Drogenkonsumräume gegen den sozialen Flächenbrand

Die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte fordern soziale Lösungen gegen Drogen- und Gewaltkriminalität

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 5 Min.
In der Nähe des Kottbusser Tors gibt es nur zwei feste Drogenkonsumräume – obwohl hier viel getickt wird.
In der Nähe des Kottbusser Tors gibt es nur zwei feste Drogenkonsumräume – obwohl hier viel getickt wird.

Einen Zaun will Clara Herrmann nicht. Als die Grünen-Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg am Donnerstag ihre Ideen für den Görlitzer Park vorstellt, vermeidet sie zwar ein klares Nein an SPD und CDU. Ihren Widerwillen gegen eine Umzäunung und die nächtliche Schließung des Görlis, wie unter anderem von SPD-Innensenatorin Iris Spranger gefordert, macht sie dennoch unmissverständlich deutlich: »Ich kann keinen Maßnahmen zustimmen, die zu weiteren Nachteilen für die Anwohner*innen führen.« Die Nachbar*innen und Gewerbetreibenden rund um den Görli seien vor allem von dem Drogenkonsum in ihren Hauseingängen, Fluren und Kellern belastet. »Ursache ist nicht der Park, Verdrängung ist keine Lösung.«

Einen Tag vor dem Sicherheitsgipfel des Berliner Senats stellt Herrmann zusammen mit der ebenfalls grünen Bezirksbürgermeisterin von Mitte, Stefanie Remlinger, bei einer Pressekonferenz eigene Vorschläge vor. Ein Punkt liegt ihnen besonders am Herzen: Auch wenn der öffentliche Fokus auf Leopoldplatz und Görlitzer Park es anders vermuten ließe, sei das Drogenproblem in Verbindung mit Kriminalität »nicht zu begrenzen auf einen Park, einen Platz oder einen Kiez«, so Remlinger. Im Gegenteil, es müsse jetzt gehandelt werden, um einen »sozialen Flächenbrand in der ganzen Stadt« zu verhindern.

In den vergangenen zwei Jahren hat die Zahl schwer suchtkranker Menschen in beiden Bezirken deutlich zugenommen. Zudem hat sich der Konsum mehr und mehr hin zum Crack verlagert, einer mit Natron gestreckten Kokain-Version, für die es derzeit keine geeigneten Substitutionsmittel gibt. Am Leopoldplatz komme deshalb die bewährte Strategie der zentralisierten Hilfsstruktur an ihre Grenzen, berichtet Remlinger. »Wir haben die Leute bewusst auf den Platz gezogen, um sie zu beraten, unterzubringen und sie aus dem Kiez rauszuhalten. Das hat jahrelang funktioniert. Jetzt funktioniert es nicht mehr.«

Rund um den Görlitzer Park und das Kottbusser Tor sieht es ähnlich aus. Die beiden Bürgermeisterinnen fordern von dem Sicherheitsgipfel deshalb »nachhaltige Maßnahmenpakete«, die nicht nur Symptome bekämpfen, sondern die Probleme an ihren sozialen Wurzeln packen. Ein zentraler Punkt: doppelt so viele Drogenkonsumräume mit längeren Öffnungszeiten. Aktuell gibt es für Kreuzberg nur einen Raum am Kottbusser Tor und einen in der Reichenberger Straße, wo Menschen unter medizinischer Aufsicht sicher konsumieren können sowie das Drogenkonsummobil von Fixpunkt. In der Nähe des Leopoldplatzes gibt es neben der mobilen Stelle nur einen festen Raum.

Eine weitere Forderung: Übernachtungs- und Aufenthaltsangebote für Drogensüchtige. Derzeit könne sie nur wenige der suchtkranken Menschen unterbringen, sagt Remlinger. »Für Menschen, die noch nicht trocken sind, ist eine Unterbringung in Berlin momentan nicht möglich.« Auch Betroffene ohne deutschen Pass hätten kaum Zugang zum sozialen Hilfesystem. Für EU-Bürger*innen schöpfe sie bereits alles Mögliche aus, erzählt Remlinger. Doch für außereuropäische Ausländer*innen ohne gesicherten Aufenthalt gäbe es so gut wie keinen Spielraum. Soziale Angebote sollten sich deshalb zukünftig für Menschen ohne Leistungsansprüche öffnen.

Zusätzlich halten Remlinger und Herrmann einen Ausbau der niedrigschwelligen, aufsuchenden Sozialarbeit für erforderlich. Für alle sozialen Maßnahmen, die Wege aus der Sucht aufzeigen, ein menschenwürdiges Leben trotz Suchtkrankheit ermöglichen oder sogar verhindern, dass Menschen in die Abhängigkeit rutschen, braucht es vor allem eines: Geld. Aktuell müssten sich die sozialen Träger von Haushalt zu Haushalt hangeln. Ohne eine Verstetigung der Mittel könnten sie nicht nachhaltig arbeiten, beklagt die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg.

Sie veranschlagt 30 Millionen Euro als einmalige Investitionen sowie 9 Millionen jährliche Kosten für ihren Bezirk. Darunter fielen neben sozialen Angeboten wie Drogenkonsum- und Aufenthaltsorten auch der Umbau des Görlitzer Parks. Statt eines Zaunes erwähnt Herrmann etwa ein neues Beleuchtungskonzept. Außerdem sollten mit dem Geld die anliegenden Häuser saniert werden, um den Zugang zu Hausfluren und Innenhöfen zu erschweren.

Vasili Franco, Innenpolitik-Experte der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, bezweifelt, dass die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen: »Wenn ich derzeit auf den Haushaltsentwurf des schwarz-roten Senats blicke, sehe ich keine Aufwüchse für die Sozialarbeit, die Suchthilfe oder Drogenkonsumräume.« Natürlich beschwöre die SPD-Innensenatorin ein »ganzheitliches Konzept«. »Aber ich kenne die Debatte von der Kotti-Wache, da wurden am Ende 3,5 Millionen Euro für die Wache bereitgestellt und für den Bezirk gab es 250 000 Euro einmalig.« Diese Gelder, für soziale Maßnahmen am Kottbusser Tor gedacht, würden im aktuellen Entwurf nicht einmal fortgeschrieben.

Soziale Lösungen fordern auch Kiezinitiativen wie Wrangelkiez United. Während die Bezirke – anders als anfangs geplant – nun doch gemeinsam mit Senat, Polizei und Feuerwehr am Sicherheitsgipfel teilnehmen dürfen, wurden politische Gruppen und Nachbarschaftsvertretungen nicht eingeladen. Deshalb organisiert Wrangelkiez United gemeinsam mit dem polizeikritischen Bündnis »Ihr Seid Keine Sicherheit« am Freitagnachmittag einen alternativen Sicherheitsgipfel im Görlitzer Park unter dem Motto »No Cops for Görli«. Dort soll es unter anderem um die hohe Polizeipräsenz gehen. Weil es sich um einen »kriminalitätsbelasteten Ort« handelt, dürfen die Beamt*innen rund um den Park und das Kottbusser Tor Personen anlasslos kontrollieren. In der Vergangenheit wurden immer wieder Fälle von Racial Profiling, also rassistischen Polizeimaßnahmen, bekannt.

Ganz so abolitionistisch geben sich Herrmann und Remlinger dann doch nicht. Sie bedanke sich bei allen Akteur*innen, auch bei der Polizei, betonte Herrmann. Neben einem starken Hilfesystem setze sie auf Prävention und Repression. Es bräuchte mehr Kontaktbereichsbeamt*innen, die den Kiez und seine Leute kennen. Und sie geht noch weiter: »Natürlich können wir uns auch so etwas wie eine mobile Wache vorstellen.«

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