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Hansi Flick: Schicksalstage eines Bundestrainers
Alles wird besser, hat der Bundestrainer versprochen. Jetzt muss er es mit dem DFB-Team gegen Japan und Frankreich beweisen
Hansi Flick dürfte der Blick auf die Spiele und Termine der Nationalmannschaft auf der Internetseite des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gefallen. Vier Partien findet man für dieses Jahr, Ergebnisse sind noch nicht eingetragen. Nach dem Ligabetrieb startet nun auch die neue Länderspielsaison – und der Bundestrainer gewissermaßen mit einer weißen Weste. So hatte er es sich im Juni auch gewünscht: »Ich kann versprechen, dass wir im September eine andere Mannschaft sehen.« Davon kann man sich an diesem Sonnabend beim Spiel gegen die Japaner in Wolfsburg überzeugen lassen.
Wäre es doch nur so einfach wie bei einem Verein. Ist es aber nicht. Flick kann sich keine neuen Spieler kaufen, die Auswahl für die Auswahl der Besten ist begrenzt. Das bestätigt der Blick auf den Kader für die Partien gegen Japan und drei Tage später in Dortmund gegen Frankreich. Eine neue Mannschaft hat der Bundestrainer natürlich nicht. Und da fängt das Ungemach wieder an. Denn nur einen Klick weiter auf der DFB-Seite stößt man auf die vergangene Länderspielsaison: elf Spiele, sechs Niederlagen, darunter das erneute Vorrundenaus bei einer Weltmeisterschaft, diesmal in Katar. Insgesamt konnte das deutsche Nationalteam nur vier der letzten 16 Spiele gewinnen.
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Woher Flick seine Zuversicht nimmt, weiß niemand so recht. Die andauernde Erfolglosigkeit durch die immer wieder gleichen Schwächen im Spiel hat jedenfalls eine Menge Kritiker auf den Plan gerufen. Empört wies Flick im Sommer Wortmeldungen aus der Bundesliga über seine zweifelhafte Kaderzusammenstellung als »Unverschämtheit« zurück. Da war ihm mal so richtig der Kragen geplatzt. Maßregelungen von anderer Seite musste er hinnehmen. Als DFB-Vizepräsident Hans-Joachim Watzke Flick jüngst aufforderte, »ein System zu entwickeln, das Erfolge möglich macht«, widersprach der Bundestrainer nicht. Als Matthias Sammer davon sprach, dass der deutsche Fußball sich in seiner größten Krise befinde und nur noch Weltmeister darin sei, Ausreden zu suchen, lobte ihn Flick als »kritischen Geist«. Das vernichtende Urteil kam ja auch direkt aus der Task Force des DFB.
Ein starker Bundestrainer ist der 58-Jährige jedenfalls nicht mehr. Flick weiß: »Für uns zählen jetzt nur Siege.« Da kommt mit Japan ein Gegner gerade recht, um zu beweisen, dass es besser geht. Denn mit dem 1:2 im ersten Gruppenspiel fing das Desaster bei der WM in Katar an. Im Spiel danach wartet mit Frankreich ein Hochkaräter des Weltfußballs. Mit zwei guten Auftritten könnten der Trainer und sein Team die Kritiker vorerst beruhigen. Anderenfalls droht das Aus. Von zwei »Schicksalspielen« für Flick ist zu lesen – und von möglichen Nachfolgern wie Sammer, Julian Nagelsmann oder Oliver Glasner.
Der Druck ist zweifellos groß. Eine gute Voraussetzung ist das nicht: Flick muss etwas ändern, aber anders als im Juni müssen seine Entscheidungen jetzt Erfolge bringen. Bei den Niederlagen in Polen und gegen Kolumbien testete der Bundestrainer die Dreierkette in der Abwehr und wirkte danach selbst etwas ratlos: »Wir hätten natürlich auch nicht gedacht, dass die Ergebnisse so schlecht ausfallen.«
Mut könnte in dieser Situation hilfreich sein. Am Mittwoch zeigte Flick eine Portion davon: In einem Testspiel gegen die deutsche U20-Auwahl ließ er Joshua Kimmich als Rechtsverteidiger spielen. Die Versetzung des Münchners bringt gleich zwei Vorteile. Zum einen wäre das ewige Problem auf dieser Position in der Abwehr gelöst, einen besseren als Kimmich gibt es dafür nicht. Andererseits ist damit auch Platz für eine neue Lösung im zentralen Mittelfeld. Dort erfüllt der 28-Jährige trotz seiner oft formulierten Führungsansprüche schon länger nicht mehr die Anforderungen, im Nationalteam und beim FC Bayern. Dass er keinen Widerspruch duldet, äußerte Flick zuvor unmissverständlich: »Die Mannschaft ist der Star – nicht der Einzelne.«
Mehr Verantwortung soll İlkay Gündoğan übernehmen – als neuer Kapitän und »in einer anderen Rolle im Mittelfeld«, wie Flick am Freitag sagte. Insgesamt sieht der Plan des Bundestrainers vor, ein »Kernteam aus sechs bis acht Spielern« zu finden. Auch dabei sollte er mutig bleiben. Die Entscheidung, Thomas Müller zurück ins Nationalteam zu holen, steht nicht dafür. Wie viele andere ist der 33-Jährige ebenso ein Gesicht des jahrelangen Misserfolgs. Ein Umbruch, der wie schon unter Joachim Löw auch bei Flick mit dem Hinweis auf wichtige »Turniererfahrung« nie vollzogen wurde, könnte zum Aufbruch in wieder bessere Zeiten werden.
Zwei desaströse Weltmeisterschaften und das Achtelfinalaus bei der EM 2021: Schlechter können es 20-Jährige wie Jamal Musiala und Florian Wirtz gar nicht machen. Es ist aber nicht nur eine Frage des Alters. Pascal Groß wurde nun mit 32 erstmals ins Nationalteam berufen. »Er trifft sehr gute Entscheidungen auf dem Platz und ist ein sehr intelligenter, cleverer Spieler«, urteilt Flick. Darauf hätte man auch früher kommen können. Aber mal ganz abgesehen von den fußballerischen Fähigkeiten könnte der Umbruch auch ein anderes Problem lösen: Motivation und Einstellung der Nationalspieler bemängelten nicht nur Fans, Experten und Medien, sondern, wie in einer aktuellen Dokumentation über die DFB-Elf bei der WM in Katar zu sehen, auch der Bundestrainer selbst.
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