30 Jahre Oslo-Abkommen: Von Anfang an zum Scheitern verurteilt

Mit den »Friedensprozessen« sollte die Zweistaatenlösung Wirklichkeit werden. Bis heute bleibt sie eine Illusion – Deutschland hält trotzdem dran fest

Am 13. September 1993 unterzeichneten der Verhandlungsführer der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Mahmoud Abbas, und der Außenminister Israels, Shimon Peres, bezeugt von den Außenministern der USA und Russlands, den ersten der sogenannten Osloer Verträge: die »Prinzipienerklärung über vorübergehende Selbstverwaltung«. Das Bild des Händedrucks zwischen Palästinenservertreter Jassir Arafat und dem israelischen Ministerpräsident Yitzhak Rabin im Weißen Haus in Washington D.C. ging um die Welt.

Damit begann, was von Anfang an zum Scheitern verurteilt war: Die Oslo-Verhandlungen, die im Jahrzehnte andauernden Konflikt zwischen Palästina und Israel Frieden bringen sollten. Die Ausgangsprämisse: »Zwei Staaten, zwei Völker« – die viel beschworene Zweistaatenlösung. Was bis 1995 in Oslo beschlossen werden sollte, manifestierte aber ihr sicheres Ende.

Genau 30 Jahre später macht die bestehende Besatzung der palästinensischen Gebiete ein unabhängiges Palästina unmöglich, die rechtsnationale israelische Regierung unter Benjamin Netanjahu betreibt eine noch aggressivere antipalästinensische Politik als ihre Vorgänger. Und Deutschland, einer der wichtigsten Alliierten Israels, hält weiterhin an ihr fest: der Zweistaatenlösung, die in Oslo längst gestorben ist.

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Oslo I: Ungleich von Anfang an

Das Grundsatzabkommen der Prinzipienerklärung vom September 1993, das später auch »Oslo I« genannt wurde, basierte im Wesentlichen auf einem Kompromiss nach dem Prinzip »Land für Frieden«: Israel akzeptierte die PLO als offiziellen Vertreter der palästinensischen Bevölkerung. Im Gegenzug erkannte die PLO das Existenzrecht Israels an und schwor offiziell der Gewalt gegenüber Israel ab.

Damit wurde direkt zu Beginn der Verhandlungen eine anhaltende Asymmetrie bestätigt, die jegliche »Friedensprozesse« seither bestimmt – eine »gerechte, dauerhafte und umfassende Friedensregelung«, wie es ganz am Anfang des Abkommens hieß, wurde unmöglich gemacht: Denn jegliche Möglichkeit des Entstehens eines palästinensischen Staates neben Israel basierte von diesem Moment an auf israelischen Vorgaben.

Alle Punkte, die eigentlich für eine ursprünglich angestrebte »permanente Lösung« notwendig gewesen wären, wurden bei der Prinzipienerklärung ausgeklammert: der Status Jerusalems, das Rückkehrrecht palästinensischer Flüchtlinge, bestehende Siedlungen in den palästinensischen Gebieten und der Grenzverlauf eines etwaigen palästinensischen Staates. Egal welcher Ausgang durch die Oslo-Abkommen möglich gewesen wäre – unter diesen Bedingungen wäre es für Palästinenser*innen nie eine gerechte, geschweige denn eine friedliche Lösung gewesen.

Oslo II: Drei Zonen statt ein Land

Im zweiten der Osloer Verträge, dem »Interimsabkommen über das Westjordanland und den Gazastreifen« von 1995, wurde der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) eine Reihe an autonomen Regierungskompetenzen zugesprochen. Im Gegenzug versprach Israel, sich aus 65 Prozent des Gazastreifens, der bis dahin militärisch besatzt war, zurückzuziehen. Zudem wurde das Westjordanland in drei Verwaltungszonen aufgeteilt.

In den sogenannten A-Gebieten – rund 17 Prozent des Westjordanlands, in dem 55 Prozent der palästinensischen Bevölkerung leben – erhielt die PA Sicherheits- und zivile Autorität. In den B-Gebieten – 21 Prozent des Landes, in dem rund 41 Prozent der Bevölkerung leben – hat die PA lediglich zivile Befugnisse unter israelischen Sicherheitsautoritäten. Die C-Gebiete – knapp 62 Prozent des Landes, in dem vier Prozent der palästinensischen Bevölkerung und rund 350 000 israelische Siedler*innen leben, unterstehen weiter kompletter israelischer Kontrolle.

Eigentlich sollte diese Einteilung nur fünf Jahre andauern, um danach palästinensische Befugnisse schrittweise zu erweitern – so die Vereinbarung. Stattdessen wurde mit Oslo II die israelische Besatzung palästinensischer Gebiete nur noch weiter verfestigt. In den vergangenen 30 Jahren ist die Zerstückelung der Westbank sogar immer weiter fortgeschritten. Der Siedlungsausbau wird unter der aktuellen rechtsnationalen Netanyahu-Regierung noch aggressiver als schon unter Vorgängerregierungen vorangetrieben. Prominente Regierungspolitiker, wie der israelische Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben Gwir, fordern inzwischen offen eine Annexion der gesamten Westbank und somit auch die Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung von ihrem Land.

Der Tod der Zweistaatenlösung

Die starke Machtasymmetrie zwischen beiden Verhandlungspartnern, die mit Oslo I begann und Oslo II manifestiert wurde, steht in direkter Verbindung mit den Entwicklungen, die seither die Lage der Palästinenser dramatisch verschärft haben: Der Siedlungsausbau über die »Grüne Linie« hinaus, die eigentlich die Westbank von israelischem Staatsgebiet trennen und damit ein souveränes Palästina garantieren sollte; die Ausweitung der israelischen Militärkontrolle innerhalb der Westbank durch eine Infrastruktur von Checkpoints, Mauern und Stacheldraht, die heute die Westbank durchzieht; und die Zusammenarbeit mit der PA, deren Sicherheitsapparate meist im Interesse des israelischen Staates, nicht der palästinensischen Bevölkerung, handeln.

Jede Möglichkeit, zwei souveräne Staaten zu errichten, wurde in Oslo begraben. Und in den drei Jahrzehnten danach immer mehr Erde auf das Grab der Zweistaatenlösung geschaufelt. Stattdessen leben Palästinenser nicht nur in Israel als Bürger zweiter Klasse, sondern werden auch in den »eigenen« Gebieten durch das israelische Militär und die PA unterdrückt. Weiterhin werden Palästinenser in der Westbank nach Militärrecht und nicht nach zivilem Recht beurteilt. Umstände, die in vergangenen Jahren gleich drei Menschenrechtsorganisationen – Amnesty International, Human Rights Watch und Bt‹selem – dazu brachten, die Lage in den besetzten palästinensischen Gebieten als »Apartheid« zu bezeichnen, wie aus umfassenden Gutachten der drei NGOs hervorgeht.

Deutsche Palästina-Politik

Die deutsche Regierung lehnt den Apartheitdbegriff grundsätzlich ab. Seit Jahrzehnten sind Deutschland und Israel wirtschaftlich wie politisch eng verbunden. Wie schon seine Vorgängerin Angela Merkel scheint auch der Kanzler Olaf Scholz an der innigen Freundschaft festzuhalten. Erst vor wenigen Wochen blockierte er etwa die deutsche Beteiligung an einem Prozess des Internationalen Gerichtshofes, der prüfen soll, ob die Besatzung der palästinensischen Gebiete permanent ist. Und das, obwohl die ultrarechte Regierung unter Netanyahu aggressiver denn je gegen Palästinenser*innen vorgeht.

Deutschland und seine EU-Partner haben in den vergangenen 30 Jahren zwar erkannt, dass eine Zweistaatenlösung immer unwahrscheinlicher wird. Dennoch halten sie weiter an einer Option zweier Staaten fest – fernab der Realität in den besetzten palästinensischen Gebieten. Demnach beschränkt Deutschland seine Ziele darauf, dem Fortschreiten der territorialen Fragmentierung entgegenzuwirken und »Entwicklungsarbeit« für benachteiligte Gruppen zu finanzieren.

So hat Deutschland dazu beigetragen, dass sich in der Westbank eine breite Landschaft an NGOs etablieren konnte. Deren Finanzierung ist allerdings meist nur unter der Bedingung gesichert, dass sie sich auf soziale und kulturelle Arbeit fokussieren. Gruppen, die sich offen kritisch mit der illegalen israelischen Besatzung auseinandersetzen oder gar Widerstand gegen sie organisieren wollen, erhalten keine Förderung und werden so ins politische Abseits gedrängt.

Und auch in seinen vermeintlichen Bemühungen, die Verschlechterung der palästinensischen Situation aufzuhalten, blieb Deutschland erfolglos. Vielmehr haben sie dazu beigetragen, dass die Fragmentierung Palästinas fortschreiten und der Autoritarismus, der derzeit an einem neuen Hochpunkt steht, gedeihen konnte. Mit seiner scheinbar bedingungslosen Loyalität zu Israel stützt Deutschland seine unterdrückerischen Praktiken politisch, wirtschaftlich und militärisch.

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