Ostsee-Nationalpark erhitzt die Gemüter

Strengerer Meeresschutz zwischen politischem Streit und nationaler Verpflichtung

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Demonstrationen, Mahnwachen, Infoveranstaltungen, Diskussionen – das Thema Nationalpark Ostsee elektrisiert in Schleswig-Holstein Politik, Umweltverbände und Bürger*innen gleichermaßen. Der Nationalpark ist ein Wunschprojekt der Grünen. Derzeit wird ausgelotet, was da geht – und plötzlich gibt es Gegenwind vom Koalitionspartner CDU.

Tobias Goldschmidt ist in diesen Tagen ein gefragter Mann. Der grüne Kieler Umweltminister thematisiert überall im Land zwischen Nord- und Ostsee, wie schlecht es um den Zustand der Meere bestellt ist. Besonders für die Ostsee seien mehr Schutzmaßnahmen nötig. Vor diesem Hintergrund veranstalteten die Grünen einen Meeresschutzkongress in Kiel. Unter den 70 Teilnehmenden waren keine Nationalparkgegner*innen, und trotz dieser Bubble-Situation hinterfragte man kritisch, warum die Argumentation und Kommunikation für ein solches Schutzgebiet kaum verfängt, sondern die lauten Gegenstimmen in der Öffentlichkeit intensiver wahrgenommen werden.

In den Debatten zum Beispiel auf Fehmarn zweifelt man an dem Versprechen, dass es sich um einen offenen Diskussions- und Entscheidungsprozess handelt. Stattdessen wird dem Umweltministerium unterstellt, längst beschlossen zu haben, dass der Nationalpark kommt. Skeptiker*innen gegenüber den Nationalparkplänen glauben, dass als Indiz dafür eine in diesen Tagen entdeckte Stellenanzeige des Ministeriums herhalten könne. Minister Goldschmidt stellte dagegen klar, dass es sich nur um eine befristete Stelle von zehn Monaten handelt. Tourismuswirtschaft, Urlauber*innen, Wassersportler*innen und Fischer*innen befürchten, dass in noch endgültig festzulegenden Zonen Nullnutzungsgebiete oder mit anderen Einschränkungen behaftete Auflagen ausgewiesen werden.

Neuerdings schließt sich die CDU-Basis den populistischen Protesten an. Für den nächsten Landesparteitag am 5. Oktober in Neumünster haben gleich mehrere Kreisverbände einen Antrag eingebracht, der sich vom Nationalparkgedanken lossagt. Die Junge Union hat sich ebenso gegen den Nationalpark in Stellung gebracht. Auch die FDP lehnt die Nationalparkpläne ab. Die Liberalen laden für den 18. September zur Diskussion ins Kieler Landeshaus, den Sitz des Landtages.

Vorher wird es im Rahmen des nächsten globalen Klimastreiks von Fridays for Future am 15. September in mehreren Städten noch einmal ein lautstarkes Happening für einen Nationalpark geben. Bestimmte Stichworte sollten ausreichen, um die Dringlichkeit des Projekts aufzuzeigen. Sebastian Unger, erster Meeresbeauftragter der Bundesregierung, hat sie alle noch einmal genannt: Gefährliche, korrodierende Altmunition am Meeresgrund, Eutrophierung (also die Anreicherung mit Nährstoffen) aus der Landwirtschaft, Schutz der Schweinswale, Plastikmüll. Zu letzterem Problem erklärte Unger: Die viel strapazierte freiwillige Selbstverpflichtung, in diesem Bereich aktiver zu werden, reiche seit Langem nicht. Mit Blick auf die nächste, im November in Nairobi stattfindende UN-Konferenz dazu lieferte Unger bereits den Offenbarungseid: Die Recyclingpraxis Deutschlands reiche hier nicht als Gegengewicht. Seine Prämisse aus Sicht der Bundesregierung lautet: »Zehn Prozent unserer Meere müssen strenger geschützt werden.«

Franziska Saalmann von Greenpeace prangerte insbesondere die Schleppnetzfischerei an und gab ihre Bedenken zu ungezügelter Offshore-Ausdehnung bei der Windkraft zum Besten. Sie thematisierte auch eine unausgegorene LNG-Strategie.

Der Nationalpark wäre der 17. seiner Art in Deutschland. Die Ostsee mit all ihren Anrainerstaaten hat derzeit 22 Nationalparks, zwei davon gehören zu Mecklenburg-Vorpommern. Der nun in der Diskussion stehende Nationalpark hätte eine Fläche von ungefähr 160 000 Hektar, was 0,4 Prozent der gesamten Ostsee ausmacht. Befürworter*innen fordern angesichts des geringen Anteils deutlich größere Schutzzonen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.