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Landarzt am Limit
Benjamin Möpert aus Halbe beklagt sich über Bürokratie und eine mangelhafte Vergütung
In der Landarztpraxis von Dr. Benjamin Möpert in Halbe (Dahme-Spreewald) herrscht am Montagmorgen wieder einmal Hochbetrieb. Auch wenn früh zum Ultraschall ein Patient einfach wegblieb, ohne seinen Termin abzusagen – der Chef und seine drei Arztkolleginnen haben wie immer alle Hände voll zu tun.
»Möpert & Möpert« steht in der Lindenstraße 43 am Schild mit den Sprechzeiten. Das kommt daher, dass Benjamin Möpert die Praxis 2018 von seiner dort schon seit 1992 ansässigen Mutter übernahm. Sie arbeitet mittlerweile als seine Angestellte weiter mit – in Teilzeit, wie zwei weitere Ärztinnen. Außerdem beschäftigt Möpert vier medizinische Fachangestellte, zwei davon in Vollzeit und zwei in Teilzeit. Eine weitere Fachangestellte, die als Schwangerschaftsvertretung bei ihm war, hätte er sehr gern behalten. Arbeit gibt es genug. Doch wegen des Kostendrucks habe er sich von dieser Vertretungskraft dann doch trennen müssen, bedauert Benjamin Möpert.
Die hohe Inflation trifft auch die Kassenärzte, doch die von den Krankenkassen gezahlte Vergütung hält nicht Schritt. Um das einmal mehr deutlich zu machen, hat die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg (KVBB) Journalisten und Politiker in Möperts Praxis eingeladen. Drei Journalisten sind gekommen. Aber Politiker, die zugesagt hatten, entschuldigten sich kurzfristig. Der stellvertretende KVBB-Vorsitzende Stefan Roßbach-Kurschat winkt ab: Es sei dadurch Gelegenheit, noch offener zu sprechen, als man es sonst vielleicht getan hätte. Roßbach-Kurschat ist Allgemeinmediziner wie Möpert. Seine Hausarztpraxis hat er in Nauen im Havelland, allerdings im kleinen Ortsteil Börnicke, der gut zehn Kilometer vor den Toren der Stadt liegt. Deshalb kann auch Roßbach-Kurschat sich voller Stolz und Kummer als Landarzt bezeichnen.
Der KVBB-Vize rechnet vor, dass die Krankenkassen bei bestimmten Behandlungen nur noch 23 Prozent dessen bezahlten, was die Leistung wert sei. Er nennt ein Beispiel: Oma Erna wird mit 85 Jahren sehr früh aus dem Krankenhaus entlassen, weil das aus Gründen der Sparsamkeit so üblich geworden ist. Ihre Wunde muss dennoch verbunden werden. Das hat der Hausarzt zu erledigen. 25 Minuten dauert es, einen frischen Verband anzulegen – »und das läuft mit fünf Euro durch«. Roßbach-Kurschat fordert angesichts der Inflation eine Anhebung der Vergütung um 10,5 Prozent. Er verlangt weiterhin: »Jede Leistung muss bezahlt werden zu einem festen Preis.« Warum das erforderlich sei: »Wenn wir die Löhne und Sozialabgaben nicht bezahlen, kommt der Staatsanwalt.«
Außerdem wünscht sich der KVBB-Vizevorsitzende staatliche Investitionen in die Aus- und Weiterbildung von Ärzten, Krankenschwestern und Sprechstundenhilfen. Bei Möpert & Möpert wird die Aus- und Weiterbildung derzeit einfach so miterledigt, weil sie existenziell für die Gesellschaft und unerlässlich für die Daseinsvorsorge ist. Schließlich gibt es Schwierigkeiten, frei gewordene Landarztpraxen neu zu besetzen. Früher rissen sich junge Mediziner um eine Kassenzulassung. Diese Zeiten sind aber lange vorbei.
»Wenn ich vorher gewusst hätte, welchen persönlichen, zeitlichen und finanziellen Aufwand das bedeutet, wenn ich geahnt hätte, wie schwierig es wird ...«, sagt Benjamin Möpert. Er ringt mit der Aussage, dass er die Praxis seiner Mutter dann nicht übernommen hätte, und formuliert es etwas vorsichtiger: »Heute würde ich es mir genau überlegen.« Vielleicht hätte er stattdessen lieber irgendwo als angestellter Arzt angefangen. Aber es könnten ja nur Ärzte in Hausarztpraxen angestellt sein, wenn es noch Ärzte gebe, die diese Kollegen anstellten, meint der 43-Jährige.
Auch eine andere Konstellation ist denkbar. In der DDR waren Hausärzte beim Staat angestellt. Aber so ist das Gesundheitswesen der Bundesrepublik nun einmal nicht organisiert. In Brandenburg sind rund 4000 Ärzte in der ambulanten Versorgung tätig, davon 65 Prozent als niedergelassene Ärzte, also gewissermaßen als selbstständige Unternehmer. 23 Prozent sind in Medizinischen Versorgungszentren angestellt, einem Nachfolgemodell der DDR-Polikliniken, und zwölf Prozent bei niedergelassenen Hausärzten.
Ein großes Ärgernis für Möpert und Roßbach-Kurschat ist die holprige Digitalisierung. Die elektronische Krankschreibung etwa: Wenn sie funktioniere, sei es allen Beteiligten von Vorteil. Doch im Moment sparten die Krankenkassen dadurch 800 Millionen Euro im Jahr, während in den Arztpraxen doch drei Exemplare ausgedruckt werden müssten, beklagt Roßbach-Kurschat. Das koste Papier, Druckerfarbe und Zeit – jedes Mal 40 Sekunden, wenn es überhaupt gelinge. Letztens sei seine Praxis wegen eines Systemabsturzes zwei volle Tage offline gewesen. Die Behandlung müsse aber weiterlaufen.
Benjamin Möpert, modernen Technologien gegenüber eigentlich offen, zögert mittlerweile bei der weiteren Digitalisierung, solange es geht. Er wolle wegen der damit verbundenen Probleme bei der Einführung neuer Computerprogramme nicht mehr vorn dabei sein. 60 Tage im Jahr verbringe er mit Dingen, die mit der Behandlung der Patienten nichts zu tun hätten, beklagt der Arzt. »Ärzte sind nicht erzogen, auf die Straße zu gehen«, sagt er. »Wir wollen einfach nur unsere Arbeit machen. Aber das Maß ist voll.«
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