Linkes EU-Wahlprogramm: Graben- oder Klassenkampf?

Das Programm ist auch eine Reaktion auf die innerparteilichen Debatten der vergangenen Wochen, meint Pauline Jäckels

Das W-Wort nehmen Martin Schirdewan, Janine Wissler und ihr bewegungslinker Flügel in den vergangenen Wochen betont selten in den Mund. Die linke Parteispitze will endlich wieder über Inhalte sprechen – nicht über Sahra Wagenknecht und ihre »Partei, die es vielleicht nie geben wird«. An der medialen Aufmerksamkeit gemessen bleiben die Linke-Chefs mit ihren Bemühungen aber nur mäßig erfolgreich: Gerade als die beiden das neue EU-Wahlprogramm vorstellen, geht Wagenknecht schon wieder durch die Schlagzeilen. Dafür brauchte es nicht einmal Neuigkeiten – Spekulation aus dem Hause Springer genügten, um am Sonntag Aufregung zu erzeugen.

Dabei klingt das linke EU-Programm recht vielversprechend: »Wer Europa will, muss es den Reichen nehmen«, lautet das Motto. Umverteilung ist als erster und mit Abstand umfangreichster Programmpunkt aufgeführt. Dann folgen Klimagerechtigkeit, sozialer Wirtschaftswandel, Friedenspolitik und Demokratiestärkung. Mit Armutsbekämpfung und mehr Steuern für Konzerne will sich die Linke von den liberalen Parteien klar absetzen. Und ein Signal in die eigenen Reihen senden: Klassenkampf steht – entgegen der Behauptungen des Wagenknecht-Lagers – an erster Stelle der Linke-Agenda.

Das Thema Flucht- und Asylpolitik dagegen findet sich auffällig weit hinten im Entwurf, irgendwo unter Punkt 5.9., auf Seite 77 von 85. Zwar bleibt die Linke die einzige Partei, die sich entschlossen gegen die neoliberale EU-Asylreform stellt. Dennoch ist die Platzierung verblüffend – schließlich kommt die von der Parteispitze vorgeschlagene Spitzenkandidatin Carola Rackete aus der Solidaritätsbewegung für Geflüchtete. Auch diese Entscheidung wird wohlüberlegt und taktisch motiviert sein – ganz klar eine Reaktion auf die innerparteilichen Debatten der vergangen Wochen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.