- Kommentare
- Standpunkt
Erdbeben in Marokko: Deutsche Helfer als beleidigte Leberwurst
Das Jammern der Rettungsorganisationen verdeckt deutsche Hybris, meint Cyrus Salimi-Asl
Halb Deutschland rätselt: Warum wollen die Marokkaner unsere Jungs vom Technischen Hilfswerk (THW) nicht? Sitzen auf gepackter Ausrüstung und warten nur auf einen Wink aus Rabat, um Menschen aus Erdbebentrümmern zu bergen. Extra frei genommen hätten sich seine Helfer, klagte in »Bild« Michael Lesmeister, Geschäftsführer der Hilfsorganisation I.S.A.R. Germany: »Dass wir nicht helfen dürfen, ist auf Deutsch gesagt die Hölle für meine Leute.« Ein absurdes Theaterstück: In Marokko sind gerade 3000 Menschen gestorben, und in Deutschland stellt man sich seit Tagen beleidigt die Frage, warum die marokkanischen Behörden keine deutschen Rettungsteams angefordert haben. Die Spanier dürfen helfen, die Briten auch, warum wir nicht?
Die scheinbar harmlose Frage verdeckt eine süffisante Botschaft: Ihr wisst nicht, was ihr tut, wenn ihr auf uns verzichtet, wir können das nämlich besser. Die urdeutsche Hybris, heute eher verschämt vor sich hergetragen, gibt sich nicht zufrieden mit offiziellen Erklärungen. Für Marokko ist die Lage klar: Zu viele Rettungsteams aus zu vielen Ländern erschweren die Koordination. Klingt nachvollziehbar, auch für Ex-THW-Präsident Albrecht Broemme. Das reicht nicht allen: Das Auswärtige Amt musste sich eine Stellungnahme herauspressen lassen, die politische Gründe hinter der marokkanischen Weigerung ausschließt.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Ein Staat, der es gewohnt ist, in der Welt seine Macht auszuspielen – ökonomisch wie politisch, auch mit Technik – lässt sich nicht in die zweite Reihe drücken: Ein Deutscher muss helfen dürfen; THW & Co. wollen zeigen, was sie auf dem Kasten haben und welche Spitzentechnologie sie bedienen. Marketing für die deutsche Industrie und ein Mittel, um sich Einfluss zu sichern. Am deutschen Wesen soll die Welt ... Sie wissen schon.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.