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Saisonstart: Monotonie als Gefahr für die Bundesliga der Frauen
Nach der holprigen WM der DFB-Frauen startet die neue Bundesligasaison
Hasret Kayikci hat in ihrer Karriere schon einiges erlebt. Tiefpunkte wie ihren Kreuzbandriss nach einem Juniorenturnier und dem drohenden Karriere-Aus, Höhepunkte wie ihre elf Länderspiele und ihre EM-Teilnahme 2017 unter Bundestrainerin Steffi Jones. Inzwischen ist die 31-jährige Spielführerin beim SC Freiburg und fiebert dem Bundesliga-Eröffnungsspiel gegen Bayern München an diesem Freitagabend um 18.15 Uhr entgegen. Erstmals werden mehr als 10 000 Zuschauer im Dreisamstadion erwartet, sogar die SCF-Ultras haben sich angekündigt, dazu kommt das Millionenpublikum am Fernseher, wobei die Übertragung auf ZDF nicht in Konkurrenz zum Bundesliga-Spitzenspiel der Männer des FC Bayern gegen Bayer Leverkusen läuft.
Nicht unwichtig an diesem Fußballabend, an dem Kayikci nach einer Aussage mit ihrem Team »nichts zu verlieren« hat. Schon das DFB-Pokalfinale gegen den VfL Wolfsburg vor vollen Rängen in Köln genoss sie trotz einer klaren Niederlage vor einigen Monaten als »Wertschätzung, für die wir all die Jahre gekämpft haben«. Das Ringen um Aufmerksamkeit und Anerkennung: Es spielt wohl noch eine ganze Weile im Fußball der Frauen mit.
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Daher war es umso unglücklicher, dass sich das deutsche Nationalteam bei der WM schon nach der Vorrunde verabschiedet hat. »Wir haben eine große Chance verpasst, für die neuen Generationen Vorbilder zu schaffen«, sagte Joti Chatzialexiou, der Sportliche Leiter Nationalmannschaften beim Deutschen Fußball-Bund (DFB). Bereits in Australien begann die Debatte, welche Folgen das für den Alltag haben könnte. »Ich befürchte nicht, dass der Aufschwung jetzt abflaut. Dafür ist die Liga zu attraktiv«, versichert Ralf Kellermann, Direktor Frauenfußball beim VfL Wolfsburg. Bianca Rech, die Sportdirektorin vom FC Bayern, schlägt in dieselbe Kerbe: »Ich glaube, dass es fast keine Delle geben wird und bin überzeugt, dass die Entwicklung so stetig weitergeht wie in den vergangenen zwei, drei Jahren.«
Seit 2013 teilen sich die Trendsetter aus Wolfsburg und München alle nationalen Titel auf. Beide Klubs haben sich sportlich und wirtschaftlich einen Riesenvorsprung erarbeitet, schrauben ihre Budgets für die internationale Konkurrenzfähigkeit weiter nach oben und verstärken ihren Kader – oft auch zu Lasten der nationalen Konkurrenz. Meister Bayern lockte mit der Dänin Pernille Harder und der Schwedin Magdalena Eriksson zwei internationale Topspielerinnen. Eine Mehrzahl unter elf Trainern und einer Trainerin – Theresa Merk vom SC Freiburg – sieht wohl auch deshalb wieder die Münchnerinnen vorne.
Doch Wolfsburgs Coach Tommy Stroot schreckt das nicht ab: »Wir gehen mit der klaren Zielsetzung in die Saison, Deutscher Meister zu werden.« Der eingeschränkte Titelkampf kommt ein bisschen ermüdend rüber, denn Eintracht Frankfurt und die TSG Hoffenheim werden so schnell nicht in die Phalanx einbrechen, aber Vielfalt war schon früher nicht gegeben. Zwischen 2001 und 2012 teilten sich die reinen Frauenfußballvereine 1. FFC Frankfurt und Turbine Potsdam die Schale. In einem solchen Konstrukt tritt nur noch die SGS Essen an. Spannend wird die Rolle des Aufsteigers RB Leipzig sein, der mittelfristig mindestens dritte Kraft werden will. Für den Neuling 1. FC Nürnberg, der nach 23 Jahren wieder erstklassig ist und seine Heimspiele im großen Max-Morlock-Stadion austrägt, geht es allein um den Klassenerhalt.
Abgesehen von der aus Frankfurt zum FC Chelsea gewechselten Sjoeke Nüsken ist keine weitere deutsche Nationalspielerin ins Ausland abgewandert. Alle sehen sich übrigens gleich nach dem ersten Spieltag zu den Nations-League-Duellen in Dänemark am 22. September und gegen Island vier Tage später wieder. Dass Erfolge der DFB-Auswahl bei den Frauen viel mehr auf die Liga abstrahlen als bei den Männern, ist hinlänglich bekannt, deshalb verwundert der Optimismus schon, mit denen manche Vertreter diesen Zusammenhang ausblenden. Ralf Zwanziger, Leiter des Mädchen- und Frauenfußballförderzentrums der TSG 1899 Hoffenheim, ist einer der wenigen, der sich nicht in Schönfärberei gefällt: »Natürlich hätte eine deutlich erfolgreichere WM sicherlich nicht geschadet, was die Euphorie im Frauenfußball-Umfeld angeht. Man spürt halt keinen Schub.«
Kritische Worte hört man ansonsten kaum, lieber klopft man sich für den neuen TV-Deal auf die Schulter, der in der 34. Saison für eine neue Sichtbarkeit der Bundesliga der Frauen sorgt. Durch einen neuen Vierjahresvertrag mit einem Volumen von 20 Millionen Euro kommt ein Paket von Live-Spielen und Highlights zustande, von dem andere Sportarten nur träumen können. ARD und ZDF zeigen zehn Spiele live, Magenta und DAZN übertragen alle 132 Partien, Sky bringt Highlights, Sport 1 hat die Rechte für die Montagsspiele erworben, um einen von den Männern komplett freigeräumten Termin mit den Frauen zu bespielen. Dass dies nicht jeder Spielerin passt, weil viele nebenher ja noch studieren oder arbeiten, hat zumindest Nationalmannschaftskapitänin Alexandra Popp mal kritisch angemerkt. Jeder Spieltag wird künftig auf sechs unterschiedliche Anstoßzeiten zerstückelt. Mitte Oktober, in der nächsten Länderspielpause des Männerfußballs, ziehen zudem gleich drei Klubs in die großen Arenen: Bayern spielt in der Allianz-Arena gegen Frankfurt, Werder im Weserstadion gegen Köln, Leipzig in der Red-Bull-Arena gegen Wolfsburg. Solche Highlight-Spiele bleiben ein wichtiges Stilmittel, um breitere Publikumsschichten zu begeistern.
Auch deshalb kletterte der Schnitt vergangene Saison auf 2723 Besucher pro Spiel. Eine Steigerung um 220 Prozent. Bei den Zuschauern setzt mit weitem Abstand England (5387) den Maßstab, Spanien (1393), Frankreich (954) und Schweden (849) fallen bereits deutlich ab. Durch das Fernsehgeld kann der DFB über die zentrale Vermarktung nun 855 000 Euro pro Klub auszuschütten. Doch es wird vorerst noch dabei bleiben, dass diese Liga weiter Verlust macht – 1,5 Millionen Euro waren es zuletzt im Schnitt für jeden der zwölf Vereine. Für schwarze Zahlen muss ein Rahmen wie am Freitag im Dreisamstadion eher die Regel als die Ausnahme werden. Hasret Kayikci spielt und kämpft weiter auch dafür.
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