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- »Marsch für das Leben«
Protest gegen Abtreibungsgegner: Abbruch in Köln
Bayerischer Bischof Voderholzer erzürnt über nd-Foto mit Rechten
So viele traurige Gesichter. Der Kölner Heumarkt am Samstag gegen 18 Uhr. Teilnehmer*innen des »Marsch für das Leben« verlassen den Platz in kleinen Gruppen. Überall stehen Menschen, die in den vergangenen Stunden gegen sie protestiert haben. Jetzt machen sie sich lustig über die bedröppelten christlichen Fundamentalist*innen. Das ein oder andere Fähnchen oder Flugblatt wechselt den Besitzer und wird nicht selten direkt entsorgt.
Nein, es war offenbar keine gute Idee des Bundesverband Lebensrecht, den »Marsch für das Leben« bei der 19. Wiederholung zum ersten Mal auch in Köln zu veranstalten. Köln, natürlich ist das irgendwie naheliegend für die meist christlich-fundamentalistisch orientierten Demonstrant*innen. Die Domstadt ist eine Hochburg des reaktionären Katholizismus. Zahlreiche katholische Vereinigungen haben hier ihren deutschen Hauptsitz. Gruppen wie Opus Dei sind in der Stadt tief verankert. Allerdings bröckelt der Einfluss der Kirche. Das ist überall so, wird in Köln aber besonders durch das mehr als fragwürdige Verhalten von Erzbischof Woelki befeuert.
Außerdem ist Köln seit Jahrzehnten so etwas wie die Hauptstadt für queere Kultur in Deutschland. In der Stadtpolitik sorgte der Marsch für kontroverse Diskussionen. Volt und die Grünen, die gemeinsam mit der CDU regieren, kritisierten, dass die Christdemokrat*innen zum »Marsch für das Leben« aufgerufen haben. Deren Vorsitzender Karl Alexander Mandl rechtfertigte den Aufruf und verwies gegenüber dem WDR darauf, dass die »Christdemokraten für das Leben« genauso zur Volkspartei gehörten wie die »Lesben und Schwulen in der Union«. Den Schlusspunkt der Debatte setzte die parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Beim »Marsch für das Leben« gehe es darum, »dass Frauen die Verfügungsgewalt über ihren Körper und ihre Gesundheit nicht überlassen werden soll«. Das stehe niemandem zu. Sie begrüße es, wenn »sich viele Kölnerinnen und Kölner dem entgegenstellen«. Eine schwierige Gemengelage also für die selbsternannten »Lebenschützer«.
Schon ihr Start wurde durch eine Blockade verzögert. Nach erheblicher Wartezeit musste der Marsch dann einen anderen als den eigentlich geplanten Weg nehmen. Auch, dass die ersten 50 Meter eine »My Body, my Choice – I raise Voice!« rufende Gegendemonstrantin vor dem Marsch herlief und so die Bilder von der fröhlichen »Jugend für das Leben« störte, gefiel den Organisator*innen des Marsches gar nicht. Nach 200 Metern war auch auf der Ausweichstrecke des Marsches Schluss. Wieder eine Blockade, zu der sich noch weitere hinzugesellten. Die »Lebensschützer« waren eingekreist. Den Versuch, ihnen einen Weg freizumachen, gab die Polizei auf, nachdem eine Blockade einem harten Räumungsversuch standhielt.
Besonders streng wurden christliche Fundamentalist*innen und Feminist*innen an vielen Stellen nicht voneinander getrennt. Fruchtbar gestalteten sich die Debatten in der Regel allerdings nicht. Vermutlich sind die Standpunkte zu weit voneinander entfernt, wenn einer eine Vatikan-Fahne trägt und die andere ein Schild mit der Aufschrift »Hätte Maria abgetrieben, wärt ihr uns erspart geblieben!« Ein Polizist kommentierte eine solche Debatte, bei der sich ein Fundamentalist bedrängt fühlte, mit dem Hinweis, dass Versammlungen ja auch zum Meinungsaustausch da seien. Am späten Nachmittag hieß es jedenfalls: Abbruch für den Marsch, zurück zum Heumarkt, allerdings war auch der von Gegner*innen besetzt worden.
Ein anderes Bild in Berlin, wo die Straßen breiter sind und die Polizei offenbar besser vorbereitet ist. Hier konnte der Marsch ohne Unterbrechungen durchgeführt werden – wenn auch nicht ohne Störungen: Schon die Anreise beschallte eine Kundgebung des queer-feministischen »what the fuck"-Bündnisses am Hautptbahnhof, in die Auftaktkundgebung hatten sich Feminist*innen gemischt, die mit »My body, my choice«-Rufen, Farbbeuteln und lila Luftballons für Aufmerksamkeit sorgten. An jeder Straßenecke empfingen die christlichen Fundamentalist*innen Sprechchören wie »Mittelalter, Mittelalter, hey, hey« oder »eure Kinder werden so wie wir, eure Kinder werden alle queer«. Zwei Ansätze zu Blockaden räumte die Polizei schnell ab, sie unterband auch einen Versuch, die Kabel an der Bühne kurz vor der Abschlusskundgebung zu ziehen.
Ein trauriges Bild abzugeben, schafften die Abtreibungsgegner*innen jedoch auch ganz alleine: Lediglich knappe 2000 Teilnehmer*innen, etwas mehr als in Köln, hatten den Weg nach Berlin gefunden, die Liveübertragung nach Köln gelang nur kurz und die von BVL-Vorsitzenden Alexandra Linder angepriesene internationale Vernetzung bestand aus zwei Rednern. In ihrer Rede versuchte sie, einen alten talking point der religiösen Rechten zu erneuern: »Lebensschützer« würden nicht nur für das »ungeborene Leben« eintreten, sondern seien auch auf der Seite der Frauen. Pro Choice-Aktivismus und ein Verständnis von Abtreibungen als Gesundheitsleitungen seien hingegen »frauenfeindlich«.
Ähnlich krude wie die inhaltlichen Verrenkungen der Fundamentalist*innen ist auch das Teilnehmerfeld. Es reichte von Christdemokrat*innen über Mitglieder der AfD und ihrer Jugendorganisation bis zu Gruppen wie »Tradition, Family, Property«, einer katholischen Studentenorganisation, die jegliche gesellschaftliche Entwicklung seit Humanismus und Renaissance ablehnt. Aktuell agitiert die Gruppe besonders gegen den synodalen Reformprozess in der Kirche.
Eine Gemeinsamkeit mit einem prominenten Teilnehmer des Marsches in Berlin. Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer ist regelmäßiger Gast beim »Marsch für das Leben«. Auf ein Foto, das die Mitautorin dieses Beitrags auf X (früher Twitter) veröffentlicht hat, reagierte Voderholzers Pressestelle verschnupft. Zu sehen ist der Bischof nur wenige Schritte neben einem Mann, der einen »White Power« Gruß in Richtung der Kamera macht. Die Pressestelle verkündet, der Bischof »würde niemals an der Seite von Rechtsradikalen laufen«. Außerdem wolle man gegen das Foto vorgehen, es sei ohne Voderholzers Wissen entstanden. Ein presserechtlich wohl aussichtsloses Unterfangen. Unter die »friedlichen Teilnehmer« mischten sich auch Menschen mit »unredlichem Gedankengut«, was man nicht toleriere, verkündete die Pressestelle.
Dass extreme Rechte zum regelmäßigen Teilnehmerkreis des Marsches gehören, ist auch in der katholischen Welt bekannt. Die Jugendorganisation BDKJ hatte zum Boykott aufgerufen wegen der fehlenden »klaren Abgrenzung der Organisator*innen zum rechten Milieu.«
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