Adler-Gruppe in Berlin: Mieter müssen sich selbst helfen

Der Mieterschutz-Staatssekretär hat im Spandauer Ortsteil Staaken nichts außer Ratschlägen und Betroffenheit anzubieten

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 5 Min.

»Das hat auch bei uns Spuren hinterlassen«, sagt Stephan Machulik betroffen. Der SPD-Politiker ist Staatssekretär für Wohnen und Mieterschutz. Die von Empfindsamkeit geprägte Aussage bezieht sich auf den Austritt der Adler-Gruppe aus dem von der damaligen Regierenden Bürgermeisterin und heutigen Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) mit großem Tamtam vor etwas über einem Jahr geschlossenen Mietenbündnis. »Wir sind auf die Privaten zugegangen als Partner, auf die man sich verlassen kann«, so Machulik.

Der Staatssekretär sagt dies vor Mieterinnen und Mietern der Adler-Gruppe im Gemeindesaal der evangelischen Kirche in der Staakener Rudolf-Wissell-Siedlung. Rund 1000 Wohnungen gehören hier der nach dubiosen Transaktionen ins Straucheln geratenen Adler-Gruppe, zu deren Portfolio viele nicht vorankommende Bauprojekte wie das am Steglitzer Kreisel gehören. Zu dem Zeitpunkt am Donnerstagabend haben schon etliche Menschen den zunächst vollen Saal verlassen, in den das Bündnis soziales Wohnen Spandau geladen hatte. Schon länger hat sich der Eindruck verfestigt, den Moderator Tom Liebelt vom Gemeinwesenverein Heerstraße Nord dann auch ausspricht: »Für mich klingt das ein bisschen hilflos.«

Begonnen hatte der Abend mit einer kleinen Horrorshow zum Zustand vieler Adler-Häuser in Staaken. Ein wenig gesicherter, vermüllter Keller, der dann auch Ziel von Brandstiftungen wurde. Krank machender Schwarzschimmel in Wohnungen. Mieter, die ein Dreivierteljahr ihr Geschirr in der Badewanne abwaschen mussten, weil der defekte Durchlauferhitzer in der Küche nicht getauscht worden ist. Und dann noch wegen kaputter Aufzüge über viele Monate in ihren Wohnungen eingesperrte Menschen, die auf Rollator oder Rollstuhl angewiesen sind. Von alldem berichtet eine Mieterin mit Bildern.

Hoffnungen, dass Adler zur Tilgung der hohen Verbindlichkeiten seine Berliner Bestände von derzeit noch etwa 17 000 Wohnungen in großem Stil beispielsweise an landeseigene Wohnungsbaugesellschaften verkaufen könnte, macht Ulrich Wilhelm, Initiator des Spandauer Bündnisses vom Berliner Mieterverein zunichte: »Adler macht keine Anstalten, hier zu verkaufen.«

»Adler kommt nicht und sagt: Kauf mir das für 1000 Euro pro Quadratmeter ab, ich brauche Geld. Auf die Frage, ob die Heerstraße Nord angeboten wurde, kann ich klipp und klar sagen: Nein«, bestätigt auch Staatssekretär Stephan Machulik. Die kürzlich laut Medienberichten für rund 350 Millionen Euro verkauften über 700 Wohnungen an der Heidestraße in Mitte seien zwar auch dem Land Berlin angeboten worden, erklärt Machulik. Doch bei so einem Kaufpreis weit über Verkehrswert werde Berlin nicht zuschlagen.

Am Dienstag nach Erscheinen des Artikels widerspricht Adler in einer E-Mail der Darstellung. Die Behauptung oder Suggerierung, das Adler den landeseigenen Wohnungsunternehmen in Berlin keine Wohnungen anbieten würde, sei »falsch«. »Vielmehr ist es uns wichtig darauf hinzuweisen, dass wir den landeseigenen Wohnungsgesellschaften Wohnungsbestände in Berlin, unter anderem in Spandau, zum Kauf angeboten haben. Allerdings ist unser Angebot nicht auf Interesse gestoßen, übrigens, bevor wir uns über Preisvorstellungen austauschen konnten«, teilt Gundolf Moritz mit. Laut Mail ist er »Head of Investor Relations«.

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Und so gibt es vom Podium die üblichen Ratschläge für Mieter. Die Bau- und Wohnungsaufsicht bei Mängeln einzuschalten, die kostenfreien Mieterberatungen aufzusuchen. Niklas Schenker, Sprecher für Mieten und Wohnen der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, sticht mit seiner Aufforderung, sich zusammenzuschließen und gemeinsam stärkeren politischen Druck aufzubauen, in ein Wespennest. Denn vor Ort gibt es eine Handvoll Initiativen, die sich teilweise in herzlicher Abneigung verbunden sind. Dabei ist es in der Siedlung sowieso oftmals schwierig, die Mieterschaft zu aktivieren. Viele leben in finanziell prekären Verhältnissen, haben einen migrantischen Hintergrund.

Schenker kündigt an, dass die Linksfraktion in den nächsten Wochen Versammlungen für Adler-Mieter in weiteren Quartieren organisieren wird. Fest steht schon am 4. Oktober ein Termin in der Angerburger Allee in Westend. Weitere Stationen sollen unter anderem die Weiße Siedlung in Neukölln und die Nahariyastraße in Lichtenrade sein.

Marcel Eupen vom Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbund ist ebenfalls auf dem Podium. Er macht darauf aufmerksam, dass Adler zwar aus dem Mietenbündnis ausgetreten ist, nachdem das Unternehmen mit der 15-prozentigen Mieterhöhung gegen die dort vereinbarte Kappung auf elf Prozent in drei Jahren verstoßen hatte. »Aber Adler ist Mitglied im Zentralen Immobilienausschuss ZIA, der im Dezember 2022 dem Bündnis beigetreten ist. Daher ist die Vereinbarung weiter bindend«, so Eupen.

Er hat schon einen vergleichbaren Fall mit dem Vermieter Covivio durchgefochten. Das Unternehmen wollte ebenfalls 15 Prozent mehr Miete haben und erklärte, nicht Teil des Bündnisses zu sein. Es gehört allerdings dem Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) an, der nach öffentlichem Druck intern intervenierte. »Wir freuen uns sehr, dass Covivio die Mieterhöhungen auf elf Prozent begrenzen wird und damit den Regelungen des ›Bündnisses für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen‹ entspricht«, sagt nun BBU-Vorständin Maren Kern zu »nd«.

»Ich erwarte die gleiche Verhaltensweise wie vom BBU, nämlich dass mit dem Mitglied gesprochen wird. Wenn der ZIA eine Made in ihrer Mitgliedschaft hat, muss er Konsequenzen ziehen«, sagt Marcel Eupen zu »nd«. Dass Mieter die Einhaltung der Vereinbarungen nicht direkt juristisch einfordern können, ist laut Eupen ein gravierender handwerklicher Mangel des Bündnisses. Weder der ZIA noch die Adler-Gruppe haben bisher auf Anfragen von »nd« reagiert.

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