Sachsens SPD setzt auf Krisenmanagerin Köpping

»Wenn es schwer ist, bin ich da«: Sozialministerin führt Partei in Landtagswahl 2024 und strebt zweistelliges Ergebnis an

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 5 Min.

Im Dresdner Herbert-Wehner-Haus, in dem die sächsische SPD ihren Sitz hat, lagen an diesem Montag fünf »Reserviert«-Schilder auf Stühlen vor einer knallroten Stellwand. Die Landespartei hatte elf Monate vor der Landtagswahl in Sachsen geladen, um über ihre, wie es geschlechtsneutral hieß, »Spitzenkandidatur« zu informieren. Anders als die Reservierungen nahelegten, will sie aber nicht mit einem Quintett antreten, womit sie die sächsische Linke und die Grünen mit voraussichtlich zwei beziehungsweise sogar drei Spitzenleuten übertrumpft hätte. Sie setzt vielmehr erwartungsgemäß alle Hoffnungen auf eine Frau: Petra Köpping, die derzeit Sozialministerin in der Regierung mit CDU und Grünen ist und bei ihrer Vorstellung über sich sagte: »Immer, wenn es schwer ist, bin ich da.«

Schwer wird es für die Sozialdemokratie in Sachsen zweifellos werden. Erfolgsverwöhnt war die Partei in dem Land, in dem vor 160 Jahren mit dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein eine ihrer Vorläuferorganisationen gegründet wurde und wo sie nach 1919 sechs Ministerpräsidenten stellte, nach 1990 nie. Zwar war sie von 2004 bis 2009 und dann wieder seit 2014 an der Regierung beteiligt. Ihre Wahlergebnisse waren aber oft genug einstellig und erreichten 2019 das bundesweite Allzeit-Tief von 7,7 Prozent. Die SPD, damals zum zweiten Mal von Köppings Kabinettskollegen Martin Dulig angeführt, gehörte damit zu den Leidtragenden eines Wahlkampfs, der auf ein Duell zwischen CDU und AfD um den ersten Platz zugespitzt wurde und den erstere mit Ministerpräsident Michael Kretschmer nicht zuletzt dank Leihstimmen von Wählern aus dem Mitte-Links-Lager für sich entschieden.

Für 2024 zeichnet sich eine Neuauflage dieser Konstellation ab, absehbar in verschärfter Form. Aktuell liegt die AfD in Umfragen sechs Punkte vor der CDU. Als Reaktion darauf zieht Kretschmer nicht nur bei Themen wie Ukraine-Krieg, Energiekrise oder Zuwanderung immer gnadenloser die Populismus-Karte, sondern keilt auch permanent gegen die Berliner Ampel-Koalition und damit implizit gegen die dort führende SPD. Seine sächsischen Koalitionspartner müssen eine Strategie entwickeln, um in dieser Konstellation bestehen zu können, sonst droht ihnen ein Ritt auf Messers Schneide. Die SPD rangiert aktuell bei mageren sieben Prozent.

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Harmonie statt Polarisierung

Köpping gibt sich davon unbeirrt und legt sich die Latte selbst hoch. Ihr Ziel sei ein Ergebnis, das »wenigstens zweistellig« ist, sagte sie an diesem Montag. Um das zu erreichen, wolle sie freilich nicht auf grobe Keile noch gröbere Klötze setzen und, wie es derzeit AfD und CDU betreiben, in Polarisierung und Kulturkampf verfallen: »Das kann ich nicht«, sagt sie. Vielmehr wolle sie »ausgleichend sein und nicht das Trennende in den Vordergrund stellen«. Viele Menschen in Sachsen »sehnen sich nach Harmonie«, glaubt sie, »und die will ich ihnen geben«.

Dass und wie sie in der Politik derlei Ausgleich sucht, hat die Frau, die nach 1990 zunächst Bürgermeisterin von Großpösna und später SPD-Landrätin im Leipziger Land war und vor 1989 auch eine Zeit lang der SED angehörte, gleich zu Beginn ihrer Laufbahn als Ministerin bewiesen. 2014 übernahm sie das für Integration zuständige Ressort, 2015 musste sie die Flüchtlingskrise meistern – in einem Bundesland, in dem es wie in kaum einem anderen flächendeckend wütende Proteste vor Flüchtlingsunterkünften gab. Köpping gab dem Druck von rechts nicht nach, redete aber mit Unzufriedenen, was ihr viel Respekt eintrug. Später griff sie auch das latente Gefühl der Benachteiligung in Ostdeutschland auf. Sie warb bundesweit für bessere »Anerkennung der Lebensleistung« der Ostdeutschen und kritisierte das Wirken der Treuhand. Auch dabei setzte sie auf Seelenbalsam für Betroffene.

Diesem Rezept will Köpping als Wahlkämpferin treu bleiben. Sie wolle Menschen zuhören, die »verunsichert sind und Orientierung suchen« in einer Welt, in der »Wandel nicht für alle mit Verbesserung verbunden ist«. Den daraus verbreitet resultierenden Frust könne »kein Politiker gut finden«, sagte Köpping bei ihrer Vorstellung. Stattdessen wolle sie »die Köpfe dieser Menschen für die Zukunft öffnen«. Henning Hohmann, Ko-Chef der sächsischen SPD, gab die Devise aus, es gehe um »mehr Mut statt mehr Wut«. Hohmann hatte kürzlich auch erklärt, man wolle über Themen reden, »die den Menschen wichtig sind«, statt sich in »Ablenkungsdebatten und hysterische Diskussionen« drängen zu lassen.

Keine Angst vor Fördermittelaffäre

Abzuwarten bleibt, ob die SPD mit diesem Anspruch durchdringt und ob ihre Spitzenkandidatin sich diesem widmen kann, ohne zu viel Energie in Selbstverteidigung stecken zu müssen. Kürzlich sickerten Details aus einem internen Prüfbericht des Rechnungshofes durch, der die Vergabe von Fördermitteln im von ihr verantworteten Bereich Integration nach 2015 scharf kritisierte. Köpping trennte sich daraufhin von ihrem Staatssekretär Sebastian Vogel und räumte im Landtag Fehler ein: Man habe »das Richtige getan, aber wir haben es nicht immer richtig getan«. Die AfD blies zum Feldzug gegen eine angebliche »SPD-nahe Migrationsindustrie« und schließt einen Untersuchungsausschuss weiter nicht aus. Köpping scheint aber nicht zu glauben, dass ihr bei dem Thema weiteres Ungemach droht. Die vom Rechnungshof monierten Mängel seien abgestellt. Man habe sie »nicht einfach weggewischt, sondern gehandelt«. Und sollte die Affäre doch wieder aufkochen, dürfte sie auf eine ihrer Kernkompetenzen setzen. Auf die Frage, warum ihre Partei sie zur Spitzenkandidatin erkoren habe und nicht erneut Dulig, sagte Köpping, sie sei »jemand, der viele Jahre Krisenmanagement« betrieben habe.

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