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Basketball: BBL-Teams im Umbruch zum Start der Weltmeisterliga

Die BBL will vom WM-Titel der deutschen Basketballer profitieren. Viele Stars zog es aber ins Ausland

Sogar die NBA-Stars der USA wurden besiegt. Johannes Thiemann (o.) und Isaac Bonga (l.) haben bei der WM bewiesen, wie stark die BBL mittlerweile ist.
Sogar die NBA-Stars der USA wurden besiegt. Johannes Thiemann (o.) und Isaac Bonga (l.) haben bei der WM bewiesen, wie stark die BBL mittlerweile ist.

Malte Delow schaut über seine rechte Schulter, nickt kurz noch mit dem Kopf in die Blickrichtung und sagt: »Ich muss ihn jetzt mit ›Herr Weltmeister‹ ansprechen.« »Und zwar für immer!«, fügt Nationalspieler Johannes Thiemann sofort selbst hinzu, bevor beide anfangen zu lachen. Die Stimmung bei den Basketballern von Alba Berlin scheint so locker wie immer zu sein, dabei hat sich im Sommer viel verändert. Nicht weniger als sechs Stammkräfte haben der Basketball-Bundesliga (BBL) den Rücken gekehrt, darunter Kapitän Luke Sikma und Publikumsliebling Maodo Lô. Immerhin ist dessen Nationalmannschaftskollege Thiemann geblieben und hat Albas Kapitänsrolle übernommen. So betritt der Flügelspieler gleich doppelt Neuland, wenn an diesem Mittwoch die neue BBL-Saison startet: Erstmals trägt er die Verantwortung als Führungsfigur eines Teams und das auch mit dem Label eines Weltmeisters.

»Der Switch ist sehr groß: Gerade hatte ich noch die wichtigsten Spiele meines Lebens, und jetzt steht ein ganz normales BBL-Spiel an«, umschreibt Thiemann das Gefühlschaos der vergangenen zwei Wochen. »Diese Umstellung muss aber gelingen, weil wir wieder um Titel mitspielen wollen. Die Kapitänsrolle gibt mir dafür einen großen Push. Ich werde dem Team noch mehr geben müssen. Darauf habe ich aber Bock.«

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Titelansagen hören die Verantwortlichen bei Alba sicher gern von ihrem neuen Anführer auf dem Parkett, auch wenn sie selbst viel leisere Töne anschlagen. »Wir wissen, dass wir jetzt ein neues Projekt aufbauen. Wir haben schließlich fast unsere ganze erste Fünf verloren und sind noch mal jünger als letztes Jahr«, sagt Cheftrainer Israel González. »In so einer Situation kann man für viel Geld erfahrene Spieler einkaufen oder geduldig darauf warten, dass die Jungen selbst Erfahrung sammeln. Albas Weg ist der zweite.«

Auf diese Art und Weise waren die Berliner schon einmal erfolgreich, als sie nach einem langen Wiederaufbau zwischen 2020 und 2022 national fünf von sechs möglichen Titeln in BBL und Pokal gewinnen konnten. Doch die Gruppe um Sikma und Lô konnte danach weder Niveau noch Intensität halten und scheiterte in den Playoffs 2023 am späteren Meister Ulm, der an diesem Mittwoch (20 Uhr) auch die neue Saison gegen die Niners aus Chemnitz eröffnen wird.

Für Alba folgt nun eine Art Neuanfang, bei dem trotz der Verpflichtung dreier US-Amerikaner und eines italienischen Aufbautalents mehr Verantwortung in die Hände der jungen deutschen Spieler gelegt werden soll. »Ich sehe das als Chance, für mich eine neue Rolle zu finden. Ich würde gern mehr Verantwortung mit dem Ball übernehmen und ab und zu mehr in den Vordergrund treten«, sagt etwa das 22-jährige Eigengewächs Malte Delow vor Albas Saisonauftakt am Donnerstag in Heidelberg. Der Flügelspieler hat schon im vergangenen Jahr bewiesen, dass er der Mannschaft offensiv wie defensiv immer wieder Impulse geben kann.

Einen ähnlichen Umbruch muss übrigens auch Meister Ulm verkraften, nachdem das brasilianische Duo Bruno Caboclo und Yago dos Santos lukrative Wechselangebote aus dem Ausland angenommen hat. Weitere für die Meisterschaft unerlässliche Stammspieler wie Josh Hawley und Brandon Paul konnten ebenso nicht gehalten werden. Noch schlimmer traf es die Baskets aus Bonn, die das komplette Team samt Trainer Tuomas Iisalo ziehen lassen mussten. Es war der Preis für eine außerordentlich erfolgreiche Saison mit der Vizemeisterschaft und dem Gewinn der Champions League. Gutes Personal ist für solche Vereine nun einmal nur mit kurzen Vertragslaufzeiten oder Ausstiegsklauseln zu holen. Im Erfolgsfall muss man dann ganz von vorn anfangen.

Das Problem hat der FC Bayern nicht. Als mittlerweile festes Mitglied in der Euroleague der besten Teams des Kontinents konnten die Münchner sogar den NBA-Meister von 2019 Serge Ibaka nach Deutschland locken. Außerdem werden die Bayern ab sofort von keinem Geringeren als Pablo Laso trainiert, der Real Madrid in elf Jahren zu 22 Titeln geführt hat, darunter zwei in der Euroleague. Mit Isaac Bonga, Andreas Obst und Niels Giffey stehen auch noch drei Weltmeister im Team, das als klarer Favorit in die neue Saison gehen wird.

Vom WM-Titel würde auch die Liga gern profitieren, die hofft, dass ein paar Spitzenspiele künftig auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern übertragen werden. Der neue Rechteinhaber, die zahlungspflichtige Online-Plattform Dyn, hat eine Sublizenz an Sport A vergeben, über die ARD, ZDF und die dritten Programme pro Saison bis zu zwölf BBL-Partien live übertragen können. Eine Nutzung hat bislang aber nur der MDR zugesagt, der Ende Oktober und im März die mitteldeutschen Derbys zwischen Chemnitz und Weißenfels zeigen will.

An einen echten Boom für die Sportart glaubt ohnehin niemand so recht. »Ich habe schon einige Male erlebt, dass so einer ausgerufen wurde: nach dem EM-Titel 1993 oder WM-Bronze 2002 zum Beispiel«, sagt Albas Geschäftsführer Marco Baldi. »Auch die Handballer waren Welt- und Europameister, das Eishockeyteam holte Olympiasilber. Jedes Mal haben sich diese Erfolge aber nur schwierig auf die Liga übertragen.« Nach der Bronzemedaille bei der Heim-EM 2022 schnellten die Zuschauerzahlen tatsächlich auch in der BBL nie in die Höhe.

Baldi zufolge funktioniert ein Aufwuchs nicht schnell, sondern nur nachhaltig. Schließlich hätten auch alle Weltmeister einen ganz langen Weg hinter sich. »In Deutschland ist der Basketballsport eher konstant und stetig gewachsen.« Klar seien am Nachmittag nach dem WM-Sieg in Berlin alle Freiplätze voll gewesen. »Da gibt es also so eine Initialzündung, aber man muss sie in Strukturen überführen. Und da passiert nichts von allein«, so Baldi.

Vor allem an der Basis hakt es aber noch an den Strukturen. Die große Masse der Basketballvereine musste zuletzt Aufnahmestopps aussprechen, weil es sowohl an Hallenzeiten als auch an Trainern fehlt. Und weil dieses Problem seit Jahren ungelöst bleibt, ging Alba schon vor 18 Jahren direkt an die Kitas und in die Schulturnhallen, um gemeinsam mit Sportlehrern Bewegungsangebote zu machen. »In unserem Projekt ›Alba macht Schule‹ haben ganz viele angefangen, Basketball zu spielen«, sagt Baldi sichtlich stolz. »Ein paar von denen haben es jetzt bis ins WM-Finale nach Manila geschafft. Viele andere natürlich nicht, aber sie bekamen trotzdem Zugang zum Sport und unterstützen oder verfolgen ihn noch heute in irgendeiner Form.«

Nur so könne ein kurzfristiger Erfolg verstetigt werden. Über ein paar tausend mehr Fans bei Albas Heimspielen würde sich der langjährige Manager aber sicherlich auch freuen. Immerhin kann man in der Arena am Ostbahnhof ja nun auch regelmäßig den »Herrn Weltmeister« sehen.

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