Verhaftungen und Anklagen wegen Dammbrüchen in Libyen

Nach dem Hochwasser in Libyen sind immer noch nicht alle Betroffenen versorgt. Nun sollen sich lokale Beamte vor Gericht verantworten

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 3 Min.
Auf einem Flughafen in der ostlibyschen Stadt Bengasi entladen Arbeiter dringend benötigte Hilfsgüter aus China für die Überlebenden der Flutkatastrophe.
Auf einem Flughafen in der ostlibyschen Stadt Bengasi entladen Arbeiter dringend benötigte Hilfsgüter aus China für die Überlebenden der Flutkatastrophe.

Die UN-Nothilfekoordinatorin für Libyen, Georgette Gagnon, war erschüttert bei ihrem Besuch in der Überschwemmungsregion: »Was ich gestern gesehen habe, ist unbegreiflich.« Vor rund zwei Wochen entlud Sturm Daniel über dem Osten Libyens extreme Regenfälle und führte nach Dammbrüchen zu gewaltigen Überschwemmungen. Rund 4000 Todesopfer wurden laut Weltgesundheitsorganisation bisher identifiziert, und die Zahl dürfte noch deutlich steigen. 24 Länder haben Hilfslieferungen per Flugzeug und Schiff nach Libyen gebracht, doch das reicht nicht.

Die Menschen benötigen Essen. Brücken und Straßen sind ebenso zerstört wie viele Silos und Lagerhäuser, was die Versorgung über Märkte erschwert. Dringend gebraucht werden jetzt Fertiggerichte, Trockenrationen und Nahrungszusätze, um etwa bei Babys und jungen Kindern Unterernährung zu verhindern. Das Welternährungsprogramm lieferte bislang 96 000 Tonnen Lebensmittel und versorgte damit etwa 16 000 Menschen – Ziel sind 100 000 Menschen über drei Monate. In der Stadt Darna wurden 80 Prozent der Märkte zerstört, in der Küstenstadt Susa ist die Fischerei stark betroffen.

»In Darna gibt es keine funktionierende Verwaltung mehr, auch aus dem traurigen Grund, dass unter den vielen Opfern vor Ort auch viele Mitarbeiter der Verwaltung sind«, sagt der deutsche Botschafter Michael Ohnmacht der Deutschen Presse-Agentur.

Inzwischen haben die Behörden die Festnahme von acht Beamten angeordnet. Den Verdächtigen werde Missmanagement und Fahrlässigkeit vorgeworfen, erklärte die libysche Generalstaatsanwaltschaft am Montag. Demnach handelt es sich um sieben derzeitige oder frühere Mitarbeiter von Behörden, die für die Wasserversorgung sowie die Beaufsichtigung von Flussdämmen verantwortlich sind oder waren, sowie um den nach der Katastrophe entlassenen Bürgermeister von Darna. Erste Ermittlungen ergaben laut Generalstaatsanwaltschaft, dass die bei dem Unwetter gebrochenen Dämme bereits seit 1998 Risse hatten. Reparaturarbeiten wurden 2010 wegen des Aufstands gegen den damaligen Machthaber Muammar Al-Gaddafi gestoppt und nie fortgesetzt.

Einem Behördensprecher zufolge wurde seit 2011 jedes Jahr ein Budget für die Reparatur der Dämme bereitgestellt, ohne dass etwas passierte. 2021 kritisierte der libysche Rechnungshof das Verschleppen der Reparaturarbeiten. Wenige Tage nach der Überschwemmung hatten wütende Demonstranten das Wohnhaus von Darnas Bürgermeister Ablud Munim Al-Ghaithi in Brand gesetzt. Der Stadtrat wurde von den Behörden aufgelöst. Dem Ex-Bürgermeister werden Machtmissbrauch und Missmanagement von für die Stadtentwicklung bestimmten Geldern vorgeworfen.

Durch die Flutkatastrophe ist auch die Zahl der in Libyen lebenden Geflüchteten weiter gestiegen. Vorher lebten in Libyen etwa 700 000 Migranten, der Internationalen Organisation für Migration zufolge sind nun 43 000 weitere hinzugekommen, die in Notunterkünften oder bei Verwandten, Freunden oder Gastfamilien unterkommen; darunter sind schätzungsweise 17 000 Kinder.

General Khalifa Haftar und seine sogenannte Libysche Nationalarmee kontrollieren den Osten samt Darna. Teils konnten Journalisten sowie Mitarbeiter von UN und Hilfsorganisationen nicht einreisen. In dem gespaltenen Land geht das Ringen zwischen zwei verfeindeten Regierungen weiter. Es laufe ein »Kampf um die Kontrolle über Milliarden libysche Dinar für den Wiederaufbau«, so Libyen-Experte Wolfram Lacher von der Stiftung Wissenschaft und Politik auf dem Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter). Korruption und Vernachlässigung der Bevölkerung, die zur Katastrophe beitrug, dürften zunehmen. Tarek Megerisi vom European Council on Foreign Relations spricht von einer »gierigen Führung«, die jetzt »erneut nach Profit giert und sich dabei vor jeglicher Verantwortung drückt«. Mit Agenturen

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