Aktienrente: Zweifel sind angebracht

Steigen Aktienkurse wirklich immer?

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Zu wenig Geld in der Rentenkasse – also warum nicht mit Aktien das Loch stopfen? Als begeisterter Anhänger dieser Idee gilt Christian Lindner (FDP). Der Bundesfinanzminister will mit Aktien die Rente in Deutschland sichern. Er geht von jährlich »mehr als drei, vier Prozent Rendite« aus. Medienberichte versprechen häufig noch deutlich höhere Gewinne. Auf lange Sicht seien Aktien recht stabil in ihren Erträgen, heißt es oft. Im Schnitt erwirtschafteten Aktienanlagen, die breit gestreut sind, sechs bis acht Prozent Rendite im Jahr.

Angesichts hoher Inflationsraten werben nicht nur Politiker, sondern auch viele Finanzdienstleister für Aktien. Deren Vertrieb beschert ihnen üppige Provisionen. Aktien könnten als Vermögensschutz in unsicheren Zeiten dienen, wird versprochen. Tatsächlich weisen gängige Börsenübersichten für die vergangenen 50 Jahre meistens einen beachtlichen Gewinn für den Aktionär aus. Wer seit 1972 monatlich in den globalen Aktienindex »MSCI World« investiert hat, darf sich über eine durchschnittliche jährliche Rendite von 9,1 Prozent freuen.

Doch auch an der Börse gilt grundsätzlich: Je größer die Renditechance, desto größer das einzugehende Risiko. Wer sein Geld in einem breit gestreuten Index etwa auf den Deutschen Aktienindex (Dax) oder eben den MSCI World anlegt, verringert zumindest das Risiko (und seine Gewinnchancen). Wäre da bloß nicht noch die Gefahr von Aktienkrisen, bei denen die Kurse tief fallen und angelegtes Kapital an Wert verliert. Zuletzt bebten die Börsen 2008 unter der Finanzkrise, in der Banken pleitegingen oder vom Staat gestützt wurden. Acht Jahre zuvor war die sogenannte Dotcom-Blase geplatzt und eine Pleitewelle folgte.

Zu bedenken sind vorab soziale und politische Aspekte. Wer eine Aktie direkt oder indirekt (beispielsweise über einen Fonds) erwirbt, beteiligt sich am Kapital einer Aktiengesellschaft. Deren Ziel ist ein maximaler Profit. Das könnte nd-Leser*innen abstoßen. Im Extremfall finanziert ein Anleger mit seinem Aktienerwerb seinen eigenen Arbeitsplatzverlust. Die finanzielle Stärkung der großen Unternehmen kann auch den heimischen Mittelstand gefährden, der in der Bundesrepublik die meisten Arbeitsplätze bietet. Außerdem sind Aktiengesellschaften im Regelfall weltweit operierende Konzerne, die sich undurchsichtiger Lieferketten bedienen.

Anderseits erscheint es geboten, unser sauer verdientes Erspartes möglichst ertragreich anzulegen. Doch steigen Aktienkurse wirklich immer? Keineswegs. »An den Märkten kann man fast alles begründen, wenn man nur den passenden Zeitraum wählt«, heißt es in einer Analyse von Staud Research. So bewegten sich die Börsenkurse in den 1960er bis 1980er Jahren überwiegend nur »seitlich«. Eine Geldanlage in verzinsliche Wertpapiere dürfte damals im Regelfall die weit bessere Wahl gewesen sein. Es folgten zwar vier Jahrzehnte mit steigenden Aktienkursen – aber auch wiederholten Einbrüchen. Wer zum falschen Zeitpunkt einstieg oder ausstieg, etwa mit dem Rentenbeginn, hatte auf Sand gebaut.

Erstaunlich ist auch die Wirkung der Dividende. Sie ist der Teil des Gewinns, den eine Aktiengesellschaft an ihre Aktionäre ausschüttet. So stieg beispielsweise der reine Kurs des Dax in zwei Jahrzehnten lediglich um etwa 3 Prozent per anno. Als »Performanceindex« (dabei wird die Dividende sofort wieder angelegt) verdoppelt sich die Rendite jedoch.

Private Kleinanleger, die nicht jedes Risiko scheuen, könnten vor diesem Hintergrund über den Kauf eines Anteils an einem entsprechenden Investmentfonds nachdenken. Alternativ kommen auch ETF (engl. »Exchange Traded Fund«) oder sogenannte Zertifikate in Betracht. Beiden Produktarten werden wir uns in einer der folgenden Ausgaben des nd-Ratgebers zuwenden. In jedem Fall sollten Sie auf die Kosten achten, die beim Kauf von Aktien anfallen.

Sollten Sie mit dem Blick auf ihr Sparguthaben nicht aus dem Vollen schöpfen, rate ich vor dem ersten Aktienkauf zunächst auf staatlich bezuschusste Anlageformen zuzugreifen. So ist beispielsweise für Amateuranleger die staatliche Förderung für Vermögenswirksame Leistungen (VL / VwL) kaum zu toppen. Sollte Ihr Sparbuch doch einiges Mehr hergeben, empfehlen Verbraucherschützer, lediglich ein Viertel des Ersparten (nach Abzug des Notgroschens) in Aktien anzulegen. Dadurch sichern Sie sich eine solide Risikostreuung.

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