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Tränen statt Kohle beim Ryder Cup: Wenn Golf-Millionäre weinen
Europa gegen die USA. Das Kontinentalduell ist das emotionalste Event im Golf. Für Spieler und für Fans
»Als ich die Open gewann, habe ich nicht geweint«, erinnerte sich Shane Lowry jüngst an seinen Erfolg 2019 beim wohl wichtigsten Einzel-Golfturnier der Welt. »Auch nicht, als meine Töchter geboren wurden. Aber bei dieser gnadenlosen Niederlage im Ryder Cup 2021 in Whistling Straits, da flossen die Tränen.« Zwei Jahre lang nagte die höchste Pleite der europäischen Golfstars gegen die aus den USA am Iren Lowry und seinen Kollegen. Zwei Jahre lang mussten sie warten, um die Erinnerung an jenes 9:19 irgendwie wieder aus den Köpfen zu tilgen. Gelegenheit dazu bietet sich ab diesem Freitag, wenn zur 44. Ausgabe des Ryder Cups in Rom abgeschlagen wird. Es ist die emotionalste Woche im Golf – für die Spieler und die Fans.
Für Außenstehende bleibt es ein Mysterium, warum ausgerechnet dieses Turnier so populär geworden ist. Für die Aktiven, allesamt längst Millionäre, gibt es außer einem recht kleinen Goldpokal nichts zu gewinnen. Preisgeld wurde beim Ryder Cup noch nie ausgeschüttet. Spaniens ehemaliger Weltranglistenerster Jon Rahm reagierte Anfang der Woche dann auch völlig irritiert auf die Frage eines Journalisten, welchem guten Zweck er denn sein Salär spenden würde: »Ich wusste gar nicht, dass wir hier überhaupt was bekommen«, so Rahm. Wird er auch nicht. Es stellte sich heraus, dass nur die US-Spieler seit 2021 eine Art Aufwandsentschädigung für ihre Stiftungen erhalten. »Ich würde sogar draufzahlen, um hier dabei zu sein«, erklärte der Spanier.
Die Fans müssen das auch, und das nicht zu knapp. 260 Euro kostet ein Tagesticket für den Besuch des Marco Simone Golfclubs im Osten der »Ewigen Stadt«. Ermäßigungen für Kinder gibt es natürlich nicht. Dennoch brach das Ticket-Bestellsystem aufgrund der hohen Anfrage von Golf-Enthusiasten weltweit beim Verkaufsstart mehrfach zusammen. Am Ende überstiegen die Anfragen das Kontingent um ein Vielfaches, und die Karten wurden verlost.
An den drei Wettkampftagen bis Sonntag werden nun insgesamt 150 000 Fans erwartet, ein Zehntel davon aus den USA. Tausende waren schon seit Montag bei den Trainingsrunden dabei, für die auch schon mindestens 50 Euro verlangt wurden. Immerhin konnten die Fans beim Donnerstagstraining ein äußerst seltenes Hole-in-one aus 300 Metern vom Norweger Viktor Hovland bestaunen.
Für die überteuerten Tickets bietet der Ryder Cup spätestens ab Freitag indes eine im Golf sonst nie zu erlebende Stadionatmosphäre. Allein auf die Tribüne rund um den ersten Abschlag passen 5000 Menschen – auch diese Tickets kosten natürlich noch mal extra. Viele Menschen kommen verkleidet und stimmen Fangesänge für ihre Lieblingsspieler an. Jeder lange Putt, der ins Loch fällt, wird frenetisch bejubelt. Geht ein kurzer daneben, ist das Raunen über den ganzen Platz zu hören.
Selbst die größten Golfstars bekommen in dieser Umgebung weiche Knie, obwohl sie nur eine Bewegung ausführen müssen, die sie zigtausendfach trainiert haben. »Ich habe unsere Erfahrenen im Team gefragt, was ich machen soll, wenn ich meine Arme plötzlich nicht mehr spüre«, verriet der Österreicher Sepp Straka, der zum ersten Mal für Europa spielen darf, am Dienstag. Die Antwort: »Hoffnung.« Man müsse da einfach durch und hoffen, dass man wenigstens den Ball trifft. Wo er hinfliegt, scheint schon fast Glückssache.
An den ersten beiden Tagen treten Europäer und US-Amerikaner in insgesamt 16 Duellen an, in denen sich je zwei Spieler beider Seiten gegenüberstehen. Paargolf ist also angesagt, das gibt es fast nur beim Ryder Cup, bei dem man genau wissen muss, wie der Partner tickt, von wo aus er am liebsten mit welchem Schläger spielt.
Es ist letztlich genau diese Kameradschaft, die die Golfprofis immer wieder zum Ryder Cup zieht, weil sie ihnen in diesem Individualsport sonst komplett abgeht. »Das Beste an dieser Woche ist natürlich das Gefühl, wenn man gewinnt. Aber es geht eigentlich nichts über die gemeinsame Zeit in unseren Mannschaftsräumen. Wenn wir miteinander Erinnerungen austauschen oder der Kapitän uns mit speziell produzierten Videos motiviert«, beschrieb Jon Rahm jüngst die Atmosphäre hinter verschlossenen Türen. »Ich habe gestern schon wieder geweint, und ich war nicht der Einzige«, berichtete auch Shane Lowry von den ersten Team-Besprechungen am Montagabend.
Selbst der vierfache Major-Gewinner Rory McIlroy, der schon zum siebten Mal antreten wird, hatte vor zwei Jahren vor laufender Kamera seine Tränen nicht mehr zurückhalten können. Obwohl er sein letztes Einzel gewonnen hatte, verlor Europa klar – auch weil McIlroy in den Tagen zuvor seine Bestform nie hatte erreichen können. »Ich bin so enttäuscht von mir. Ich liebe meine Teamkameraden so sehr und hätte mehr für sie geben müssen. Ich kann es einfach nicht erwarten, mich noch einmal zu beweisen«, schluchzte er in Whistling Straits. Ab 7.35 Uhr früh an diesem Freitagmorgen bekommt er endlich Gelegenheit dazu.
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