Rechte Kneipen in Prenzlauer Berg: Aus »Ariya« wird »Flodder’s«

Rechtsoffene Kneipen in Prenzlauer Berg geben sich neue Namen

  • Felix Schlosser
  • Lesedauer: 4 Min.

»Unser Ziel ist eigentlich ganz simpel: Wir wollen, dass Menschen, egal welcher Hautfarbe, Nationalität und Geschlecht hier unbehelligt leben können. Rechte Rückzugsräume in unserer Nachbarschaft können und wollen wir nicht weiterhin dulden.« So beschreibt Julian Eidhoff, Organisator und Sprecher des Bündnisses »Schaut nicht weg« die Motivation hinter einer für Samstag geplanten Veranstaltung am S-Bahnhof Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg.

Der rassistische Übergriff, der den Anstoß zur Gründung des Bündnisses lieferte, liegt nun mittlerweile knapp anderthalb Jahre zurück. Doch vergessen ist er noch lange nicht. Nachdem Dilan S. im Februar 2022 von drei Männern und drei Frauen an der Straßenbahnhaltestelle Greifswalder Straße rassistisch beleidigt und körperlich angegangen wurde, ist einiges passiert. Unmittelbar nach dem Übergriff, den die Polizei anfangs fälschlicherweise als einen Konflikt mit einer »Maskenverweigerin« darstellte, hatte sich Dilan S. in den sozialen Medien in einem emotionalen Video zu Wort gemeldet und den rassistischen Übergriff in seiner gesamten Dimension benannt. Wenig später wurde Anklage gegen die Täter*innen erhoben. Im April 2023 wurde das Urteil am Amtsgericht Tiergarten gesprochen: Vier der sechs Angeklagten wurden verurteilt. Darunter Jennifer G. und Cornelia R., die wegen gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt wurden. Der bereits 14-fach vorbestrafte Heiko S. erhielt wegen Beihilfe sechs Monate. Die drei anderen Angeklagten kamen glimpflicher davon: Matthias S. erhielt eine Geldstrafe wegen Bedrohung. Die übrigen zwei Tatverdächtigen wurden freigesprochen, da ihnen vor Gericht keine konkrete Tat oder Handlung nachzuweisen war.

Die Täter*innen zeigten sich bereits während des Prozesses unbeeindruckt und stellten sich als die eigentlichen Opfer dar. Von Einsicht oder Reue war wenig zu spüren, sagen Beobachter*innen, die beim Prozess anwesend waren. Parallel zu der juristischen Aufarbeitung organisierte die antirassistische Kampagne »Schaut nicht weg« Kundgebungen und Demonstrationen, damit der Fall nicht in Vergessenheit gerät. Diese richteten sich insbesondere auch gegen »Rückzugsräume«, die die Angreifer von S. im Kiez hatten. Darunter die beiden Gaststätten »Arya Lounge« und »Bierquelle«. Die verurteilte Jennifer G. war Inhaberin der »Ariya Lounge«. Die »Taz« sprach im Januar von einer »rechtsoffenen Kneipenszene«.

Nun hat die Kampagne abermals eine große Aktion geplant: Am kommenden Samstag soll am S-Bahnhof Greifswalder Straße ab 14.30 Uhr ein »Kiezevent gegen rechte Gewalt« stattfinden. Geplant sind Konzerte verschiedener Hip-Hop Künstler*innen, ein Podium, auf dem unter anderem der Linke-Abgeordnete Ferat Koçak sowie der Autor Jakob Springfeld sprechen werden. Auch Siebdruck und Infostände wird es geben. Neben Opferberatungsstellen und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes beteiligen sich auch mietenpolitische Initiativen wie Deutsche Wohnen & Co. enteignen. Das Programm richtet sich explizit auch an Kinder und Familien. Im Aufruf wird darauf verwiesen, dass sich nebenan auch ein Spielplatz mit Bänken und Klettermöglichkeiten befindet. So möchte das Bündnis eine möglichst große Bandbreite an Menschen mobilisieren, die »die rassistischen Zustände in ihrer Nachbarschaft nicht weiter hinnehmen möchten«, wie Eidhoff berichtet.

Im Gespräch mit »nd« berichtet er auch über Erfolge in Bezug auf die thematisierten rechten Rückzugsräume im Kiez um die Greifswalder Straße. So hätten sich Anwohner*innen, mutmaßlich bekräftigt und gestärkt durch die Aktionen des Bündnisses, bei den Eigentümern über das »rechtsradikale Klientel« beschwert. Zudem wurde die »Ariya Lounge« in »Flodder’s Eck« umbenannt. Am Fenster klebe ein Hinweis auf eine neue Bewirtung, obwohl der alte Name »Ariya Lounge« immer noch zu sehen ist. Ob aber wirklich alles neu ist, muss sich noch zeigen. »Am 30. September gab es einen Überfall auf den Laden. In dem Artikel dazu wird eine 24-jährige Barfrau erwähnt, die zugegen gewesen sei.« Das Alter entspreche dabei genau dem Alter einer der für den Übergriff auf Dilan S. angeklagten Frauen. »Es wird sich zeigen, ob nicht nur der Name, sondern auch das Personal und die rechtsoffenen Gäste ausgetauscht wurden«, konstatiert Eidhoff.

Auch die in der Nähe gelegene Kneipe »Bierquelle« kritisierte das Bündnis für die Duldung von Rechten in ihren Räumlichkeiten. Die Kneipe reagierte auf die Vorwürfe nach Angaben von »Schaut nicht weg«, indem das Reichsadler-Schild, das in dem Laden hing, abgehängt wurde. »Darüber hinaus gab die Wirtin an, einen Kollegen gekündigt zu haben, der den Hitlergruß gezeigt haben soll.« Das sei ein Schritt in die richtige Richtung.

»Die Reaktionen beweisen also, dass wir mit der Kampagne Erfolg haben«, sagt Eidhoff. Man werde weiter kämpfen, bis die rechte Kneipenszene um die Greifswalder Straße ausgetrocknet sei.

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