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Thomas Müller hat beim FC Bayern keine Lust auf Altersteilzeit

Der Routinier will sich im Münchner Starensemble noch nicht mit der Rolle des Edeljokers abfinden. Dabei ist er darin recht erfolgreich

  • Maik Rosner, Kopenhagen
  • Lesedauer: 4 Min.
Nennen wir es geschickten Körpereinsatz: Thomas Müller (M.) setzt sich durch und bereitet Mathys Tels Siegtor gegen Kopenhagen vor.
Nennen wir es geschickten Körpereinsatz: Thomas Müller (M.) setzt sich durch und bereitet Mathys Tels Siegtor gegen Kopenhagen vor.

Thomas Müller ist ein ziemlich redseliger Mensch. Nicht nur privat, sondern auch im Umgang mit Medienvertretern. Als er vergnügt am späten Dienstagabend in Kopenhagen vor einer Schar von Mikrofonen stand, gab es zur Abwechslung aber auch mal zwei Momente, in denen der Routinier des FC Bayern München schwieg – und damit doch so viel sagte.

Nicht, dass es Müller nach dem 2:1-Sieg beim FC Kopenhagen im zweiten Gruppenspiel der Champions League die Sprache vor Ergriffenheit verschlagen hätte, weil er nach seiner Einwechselung das Siegtor von Mathys Tels in der 83. Minute mit einem Sprint, einem geschickten Körpereinsatz und sehr viel Übersicht aufgelegt hatte. Der eloquente 34-Jährige zog es vielmehr vor, seine Gedanken einfach nicht zu teilen und seine angefangenen Sätze lieber nicht zu beenden. Das galt für die Antwort auf die Frage, ob mit ihm der Sieg eingewechselt worden sei? »Ja, um es kurz und knapp zusammenzufassen für die, die das Spiel nicht verfolgt haben, kann man es schon ...«, begann Müller, unterbrach sich selbst und verwies dann auf den 18 Jahre jungen Torschützen: »Mathys kam auch mit dazu.« Als es kurz darauf um seine persönliche Perspektive ging, vollendete Müller seinen Satz erneut nicht. »Ich bleibe natürlich weiter bissig, biete mich immer wieder für Einsätze an, auch gerne …«, sagte er und verstummte.

Es waren zwei Momente, für die wohl die Redewendung vom beredten Schweigen erfunden worden ist. Denn Müller brachte jeweils viel damit zum Ausdruck, dass er am jeweiligen Satzende bewusst nichts sagte. Es waren Redepausen wie Ausrufezeichen, wie bewusst platzierte, indirekte Betonungen. Zumal jeweils klar war, dass Müller mit seiner Rolle als Edel-Joker nicht zufrieden ist. In den vergangenen fünf Pflichtspielen hatte er nicht beginnen dürfen.

Ob er wegen seines frischen Schwungs und des »wahnsinnig gut« vorbereiteten Tores (Trainer Thomas Tuchel) Genugtuung verspüre? »Genugtuung ist ein großes Wort. Aber klar, die Freude ist groß«, antwortete der Stürmer und formulierte weitere Sätze, die tief blicken ließen: »Ich bin unabhängig von meiner bisherigen Karriere ein ganz normaler Kaderspieler und will mich empfehlen und Minuten sammeln. Aber nicht, dass ich einfach nur Minuten sammle, sondern weil ich überzeugt bin, dass ich mit meinen Stärken der Mannschaft auch helfen kann.«

Von einer neuen Rolle will Müller deshalb auch überhaupt nichts wissen. Er möchte nicht, dass sich die bereits im Umlauf befindenden Begriffe »Altersteilzeit« oder »Edel-Joker« im Bewusstsein des Publikums, der Kollegen und vor allem seines Trainers verfestigen. Müller will keine Nebenrolle, die wie in Kopenhagen auf 13 Minuten im Spiel beschränkt ist. Er will möglichst oft die Hauptrolle spielen. Tuchel weiß das, doch er steht auch vor dem ziemlich unlösbaren Problem, dass sein Kader zwar übersichtlich bemessen ist, auf Müllers Paradeposition hinter der Sturmspitze Harry Kane aber der nahezu unverzichtbare Tempodribbler und Kreativspieler Jamal Musiala kickt. Der 20-Jährige hatte per Rechtsschuss von der Strafraumgrenze ins untere Eck selbst sogar den Ausgleich erzielt (67.), nachdem Kopenhagen durch Lukas Leragers Aufsetzer in Führung gegangen war (56.).

Tuchel lobte Müller, Tel und den ebenfalls mit den beiden Kollegen eingewechselten Leon Goretzka später ausführlich. Alle drei hätten »einen unglaublichen Schub gebracht«, sagte der Trainer. »Unser Spiel war ab dieser Phase eigentlich am gefährlichsten und zwingendsten.« Doch wenngleich sich für den Trainer auch die Frage nach der künftigen Rolle seiner Luxus-Joker stellt, klang bei ihm bereits an, dass sich vorerst grundsätzlich wohl nicht viel ändern wird für das Trio. »Jeder wird von Beginn an spielen, und jeder wird auch mal in der Rolle sein, von der Bank zu kommen«, deutete Tuchel immerhin eine Art Rotation an. Und natürlich gebe es immer »Unzufriedenheit, egal wie klein der Kader ist«. Aber Müllers Rolle habe sich eigentlich nicht geändert.

Das französische Offensivtalent Tel drängt sich mit seiner Torgefährlichkeit sogar fast noch mehr auf als Müller, der in dieser Saison auf gerade einmal 184 Spielminuten und zwei Torvorlagen kommt. Tel bringt es bereits auf sechs Tore in allen Wettbewerben, hinzu kommt eine Vorlage. Gerade einmal 49 Minuten benötigt der Teenager in dieser Saison durchschnittlich pro Tor, womit er führend ist auf dem Kontinent. Doch auch Tel wird zunächst allenfalls punktuell starten dürfen und ansonsten überwiegend seine Joker-Rolle behalten. Tuchel erhob Tel sogar gewissermaßen zum Vorbild für alle Einwechselspieler: »Er ist zufrieden und macht das Beste draus.«

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