Mindestlohn in der Landesverwaltung: Rot stichelt gegen Rot

Die Berliner Linke stellt einen Antrag auf Erhöhung des Landesmindestlohns – und setzt damit die SPD im Abgeordnetenhaus unter Druck

Das Internet vergisst bekanntlich nichts und auch die Berliner Linke erinnert sich offensichtlich noch: »Die Lebenshaltungskosten sind gerade für Menschen mit geringerem Einkommen stark gestiegen«, schrieb Berlins Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe im Juli auf Social Media. Der SPD-Politikerin ging es damals um die beschlossene Mindestlohnerhöhung auf Bundesebene. Die 12,41 Euro, die ab 2024 auf Bundesebene in Kraft treten sollen, bezeichnete Kiziltepe damals als »unzureichend«. Die Erhöhung sei gleichbedeutend mit einem Kaufkraftverlust für Millionen von Menschen. »EU-Ziel ist 60 Prozent vom Median – das wären über 14 Euro!«

Nun ist es die Linksfraktion, die genau jene 14 Euro in einem Antrag am Donnerstag im Abgeordnetenhaus fordert, zumindest für den Landesmindestlohn in Berlin. »Die SPD kann jetzt zeigen, dass das alles nicht nur heiße Luft war«, sagt Damiano Valgolio, Linke-Abgeordneter und arbeitspolitischer Sprecher seiner Fraktion, zu »nd«. Auf Bundesebene war erst im vergangenen Juli ein linker Antrag abgelehnt worden, durch den der Mindestlohn auf 60 Prozent des Bruttomedianlohns erhöht werden sollte. Doch in Berlin sieht Valgolio mehr Möglichkeiten: »Im Bund fehlt es an Regelungskompetenz, aber auf Landesebene haben wir im Prinzip ja eine linke Mehrheit.«

Wie Kiziltepe argumentiert der Linke-Politiker mit dem Kaufkraftverlust, dem die Menschen durch nach wie vor steigende Preise für Energie und Lebensmittel ausgesetzt sind. »14 Euro entsprechen auch der Empfehlung der Gewerkschaften in der Bundesmindestlohnkommission«, erklärt Valgolio. Zuletzt wurde der Landesmindestlohn, der für Beschäftigte der Landesverwaltung gilt, von 12,50 Euro auf 13 Euro erhöht.

Dabei gilt der Wert jedoch nicht als verbindlicher Stundenlohn, sondern kann auch mithilfe von Zulagen erreicht werden. Geht es nach der Linken, soll sich das künftig ändern. »Wir halten das für ungerecht«, sagt Valgolio. »Wenn es Zuschläge für besonders belastende Tätigkeiten gibt, dann sollte das auch auf den Mindestlohn mit draufkommen.« Eine Erhöhung könne dementsprechend vor allem Mitarbeiter*innen im Gesundheitssektor zugutekommen, deren Nacht- und Feiertagszuschläge gesichert würden. Auch Beschäftigte der sozialen Träger dürften Valgolio zufolge profitieren. Durch die einheitliche Erhöhung auf 14 Euro halte sich der Eingriff in die betriebliche Vergütungsordnung zudem in Grenzen. »Das Tarifgefüge bleibt intakt«, verspricht der Abgeordnete.

Sollte der Antrag tatsächlich erfolgreich sein, will die Berliner Linke als nächstes eine Erhöhung des Vergabemindestlohns forcieren. Er soll dann auf das gleiche Niveau des Landesmindestlohns gebracht werden. Tatsächlich finden sich ähnliche Pläne im schwarz-roten Koalitionsvertrag: Dort haben SPD und CDU bereits eine Erhöhung des Landesmindestlohns festgeschrieben – inklusive Kopplung des Vergabemindestlohns und On-Top-Zuschlägeregelung. Die Mindestlöhne sollen »dynamisch angepasst« werden, sich dabei aber am bundeseinheitlichen Mindestlohn orientieren und diesen zugleich um höchstens 1,50 Euro übersteigen.

Wenn der Bundesmindestlohn 2024 von 12 Euro auf 12,41 Euro steigt, müsste dementsprechend also auch der Landesmindestlohn im gleichen Prozentsatz angehoben werden. »Der Abstand zur Bundesebene wäre damit größer als jemals zuvor«, sagt der SPD-Politiker Sven Meyer zu »nd«, wie Valgolio arbeitspolitischer Sprecher seiner Abgeordnetenhausfraktion. Die zusätzlichen 1,50 Euro würden so zwar vorerst nicht erreicht. Doch in der prozentualen Steigerung falle der zusätzliche Betrag für den jetzt schon höheren Landesmindestlohn größer aus als im Bund.

»Wir gehen hier als Land Berlin einen neuen Weg«, erklärt Meyer. Im bundesweiten Vergleich sei man in der Hauptstadt »mal wieder Vorreiter«. Gerade die Zuschläge für die Beschäftigten seien ihm besonders wichtig: »Wer am Wochenende arbeitet, drückt seinen Stundenlohn mit Zulagen. Das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit und nichts anderes als Sozialraub.« Meyer sieht SPD und Linke somit im Grundsatz auf ein und derselben Linie. Rein rechtlich stelle die Erhöhung jedoch eine besondere Herausforderung dar. Eben weil man Landesmindestlohn und Vergabemindestlohn aneinanderkoppeln wolle und es sich eben doch um einen großen Eingriff in die Tarifstruktur der Unternehmen handele.

»Ich freue mich auf den Antrag und die Unterstützung der Opposition«, erklärt Meyer. »Aber wir müssen es rechtlich sauber machen.« Der SPD-Politiker gibt zu, dass sich seine Fraktion bei der Kopplung an den Bundesmindestlohn ein wenig verkalkuliert habe: »Dass er so niedrig ausfallen würde, haben wir bei den Verhandlungen nicht gedacht.« Die Erhöhung selbst sei aber fest beschlossene Sache.

Damiano Valgolio allerdings will den Versprechungen nicht glauben, die aus seiner Sicht ohnehin zu kurz greifen. »Wie so viele Sachen hat die SPD das in den Koalitionsvertrag schreiben lassen, um die eigene Basis zu beschwichtigen. Am Ende wird es dann aber wieder auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben.«

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