Die Zukunftsvision: Mit Wasserstoff in die Klimaneutralität

Fragen & Antworten: Was steckt hinter der neuen Wasserstoffstrategie?

  • Helge Toben
  • Lesedauer: 5 Min.

Bei der Energie- und Klimawende soll Wasserstoff eine Schlüsselrolle spielen. Bereits 2020 hat die damalige Bundesregierung einen politischen Handlungsrahmen formuliert, die »nationale Wasserstoffstrategie« (NWS). Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, hat die Ampel-Koalition jetzt eine Fortschreibung erarbeitet.

Warum gilt Wasserstoff als Hoffnungsträger?

Weil bei der Verbrennung mit Sauerstoff schlicht Wasser, also H2O, entsteht und eben kein klimaschädliches Treibhausgas Kohlendioxid (CO2), wie bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Wird Wasserstoff klimafreundlich hergestellt, soll er dabei helfen, den Ausstoß von CO2 deutlich zu verringern und laut Bundesregierung sogar bis auf null zu führen.

Wo soll Wasserstoff zum Einsatz kommen?

Mit Ökostrom hergestellter Wasserstoff soll zum einen als chemischer Rohstoff eingesetzt werden. Als Grundstoff für die chemische Industrie wird Wasserstoff schon lange verwendet, etwa zur Herstellung von Ammoniak, einer Ausgangsbasis für Düngemittel. In der Stahlindustrie etwa soll Öko-Wasserstoff künftig eine zentrale Funktion übernehmen: Wo bei der Herstellung von Roheisen bislang Kohle dem Eisenerz den Sauerstoff entzieht, soll künftig Wasserstoff ran.

Zum anderen soll er als Energieträger und damit auch als Energiespeicher dienen. In einigen Jahren soll er etwa als Brennstoff in modernen Gaskraftwerken zur Stromerzeugung verwendet werden. Sie sollen zum Einsatz kommen, wenn nicht genügend erneuerbarer Strom etwa aus Wind- und Sonnenenergie zur Verfügung steht. In Brennstoffzellen wird Wasserstoff schon länger zur Stromerzeugung eingesetzt. Gelagert werden soll Wasserstoff etwa in früheren Erdgasspeichern.

Auch für den Verkehrssektor spiele Wasserstoff eine enorme Rolle. So wird Wasserstoff gebraucht, um insbesondere den Güterverkehr, aber auch den Individualverkehr klimaneutral zu stellen. Umstritten ist, welche Rolle etwa aus Kostengründen Wasserstoff künftig im Pkw-Verkehr spielt.

Wie soll der Wasserstoff hergestellt werden?

Der Wasserstoff soll vorzugsweise mit Hilfe von erneuerbarem Strom in sogenannten Elektrolyseverfahren hergestellt werden. Dabei zerlegt Strom Wassermoleküle in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff. Wird dabei Strom aus regenerativen Energiequellen verwendet, wird der Wasserstoff »grün« genannt. Eingefärbt wird das Gas aber nicht. Je nach Art der Herstellung werden auch andere Farben zur Bezeichnung verwendet.

Wo kommt der Wasserstoff bislang her?

In Deutschland werden jährlich rund 55 Terawattstunden Wasserstoff verbraucht, vor allem von der chemischen Industrie. Gewonnen wird er bislang überwiegend aus Methan, dem Hauptbestandteil von fossilem Erdgas.

Wie viel Wasserstoff wird künftig benötigt?

Viel mehr als bisher. Die bisherige NWS nahm für 2030 einen Wasserstoffgesamtbedarf von 90 bis 110 Terawattstunden an, in der Fortschreibung der Strategie sind es nun 95 bis 130 Terawattstunden. Zum Vergleich der Energiemenge: 2022 erzeugten laut Energiewirtschaftsverband BDEW erneuerbare Energieträger in Deutschland brutto rund 257 Terawattstunden Strom.

Wie viel ist denn eine Terawattstunde Wasserstoff?

Eine Terawattstunde Wasserstoff wiegt etwa 30 000 Tonnen. Zur Einordnung: Deutschlands größter Stahlerzeuger Thyssenkrupp will in Duisburg 2026 eine neue Anlage zur Roheisenproduktion in Betrieb nehmen, die erst mit Erdgas und dann mit immer mehr Wasserstoff betrieben wird. Ab 2029 soll die Produktion komplett mit Wasserstoff laufen und so den Ausstoß von Treibhausgasen bei der Stahlerzeugung deutlich verringern. Veranschlagt wird ein Jahresverbrauch von rund 143 000 Tonnen Wasserstoff. Thyssenkrupp will das Gas für seine neue Anlage von mehreren Lieferanten beziehen. Seit mehreren Jahren arbeite man am Aufbau einer Lieferinfrastruktur, hieß es. Bis 2027 soll das Werk an ein überregionales Wasserstoffnetz angeschlossen sein.

Woher soll der Wasserstoff künftig kommen?

In Deutschland sollen zahlreiche Elektrolyseanlagen gebaut werden, die vor allem grünen Wasserstoff produzieren. Ging die bisherige NWS noch von fünf Gigawatt heimischer Elektrolysekapazität im Jahr 2030 aus, sollen es mit der Fortschreibung jetzt mindestens zehn Gigawatt sein. Der von diesen Anlagen produzierte Wasserstoff reicht jedoch voraussichtlich nicht aus, um den Bedarf zu decken. Nach Vorstellungen des Bundeswirtschaftsministeriums soll ungefähr ein Drittel des benötigten Wasserstoffs in Deutschland erzeugt werden, ungefähr zwei Drittel müssten importiert werden.

Der Wasserstoff soll dabei vor allem in Ammoniak gebunden per Schiff nach Deutschland kommen, nach 2030 dann auch über Pipelines. So ist eine Pipeline von Norwegen nach Deutschland geplant, über die laut Habeck zunächst »blauer« Wasserstoff transportiert werden soll. Der Bundesminister machte aber deutlich, etwa auch »lauer« Wasserstoff werde zunächst gebraucht. Die Faustformel sei, wir fördern Grün und nehmen alles, denn man müsse den Hochlauf organisieren. Habeck rechne aber mit einem schnelleren Hochlauf des »grünen« Wasserstoffs als bisher erwartet. Dann werde dieser auch günstiger. Umweltverbände kritisieren, »blauer« Wasserstoff sei eine fossile und klimaschädliche Energiequelle, weil er aus Erdgas hergestellt werde.

Was bedeuten »10 Gigawatt Elektrolysekapazität«?

Die 10 Gigawatt beziehen sich auf die addierte elektrische Anschlussleistung der Elektrolyseure, deren Einzelkapazität meistens in Megawatt angegeben wird. 10 Gigawatt entsprechen 10 000 Megawatt. Beträgt die Leistung eines einzelnen Elektrolyseurs 10 Megawatt, bräuchte es 2030 in Deutschland also 1000 solcher Anlagen, um die geplanten 10 000 Megawatt zu erreichen. Im Februar 2023 waren in Deutschland laut H2-Bilanz des Energiekonzerns Eon bis 2030 rund 8,1 Gigawatt Elektrolysekapazität geplant.

Wie viel Wasserstoff kann ein einzelner Elektrolyseur erzeugen?

Das hängt von der Größe, dem Wirkungsgrad und der Betriebszeit der Anlage ab. Auch das Elektrolyseverfahren spielt eine Rolle. Das Standardmodul der Thyssenkrupp-Wasserstofftochter Nucera mit einer Leistung von 20 Megawatt kann nach Unternehmensangaben pro Jahr maximal 3100 Tonnen Wasserstoff produzieren. dpa/nd

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