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- Fußball-WM in Saudi-Arabien
Hinterzimmerdeal der Fifa: Alles für die WM 2034 in Saudi-Arabien
Fifa verteilt die Fußball-Weltmeisterschaft 2030 auf drei Kontinente, damit Saudi-Arabien folgen kann.
So schnell können Träume platzen. Alexander Baumjohann, der ehemalige deutsche Bundesligaprofi, der mittlerweile als Sportdirektor beim FC Sydney arbeitet, war vor einigen Wochen noch hoffnungsvoll, dass sich der Weltverband überzeugen lassen müsste, nicht nur mit den Frauen eine Fußball-Weltmeisterschaft in Australien auszuspielen. »Ich bin fest davon überzeugt, dass die Fifa mal darüber nachdenken wird, hier auch eine Männer-WM auszutragen«, sagte der 36-Jährige. Argumente gäbe es genug: tolle Stadien, sichere Städte, super Infrastruktur, sportbegeistertes Publikum. Alles Pluspunkte bei der Frauen-WM 2023.
Davon hatte sich auch Fifa-Chef Gianni Infantino persönlich überzeugt, der beim jüngsten Großereignis nicht nur die Gastgeberländer Australien und Neuseeland, sondern nebenbei auch noch sein Wahlvolk auf weiteren ozeanischen Inseln besuchte. Doch der Schweizer Strippenzieher verfolgt ganz andere Absichten, bei denen die halbe Fußballwelt eigentlich auf die Barrikaden gehen müsste: Denn die überraschende Vergabe einer Mega-WM 2030 auf drei Kontinenten in sechs Ländern (Spanien, Portugal, Marokko, Uruguay, Argentinien und Paraguay), die am späten Mittwochabend verkündet wurde, ist ein typischer Schachzug nach Infantino-Art, um die folgende Weltmeisterschaft 2034 umstandslos direkt nach Saudi-Arabien zu geben.
Der Verband Football Australia versucht zu retten, was zu retten ist, prüft nun noch »die Möglichkeit einer Bewerbung für die Klub-Weltmeisterschaft 2029 und die Fußball-WM 2034«, wie Verbandschef James Johnson mitteilte. Doch man hat dafür nur Zeit bis Ende Oktober. Da Saudi-Arabien eine bereits vorbereitete Bewerbung ankündigte, gelten die Chancen für den fünften Kontinent als äußerst gering. Zumal 2032 bereits die Olympischen Sommerspiele in Brisbane stattfinden. Das alles hat Infantino mit Kalkül durchgezogen.
Der 53-Jährige hat mal wieder alle ausgetrickst, indem er vordergründig alle bedient: Das Eröffnungsspiel in sieben Jahren soll in Uruguay stattfinden, zwei weitere Spiele würden in Argentinien und Paraguay folgen. Der Rest des Turniers wird dann aber in Marokko, Spanien und Portugal ausgetragen. Klar, man kann mit der Historie spielen – der ersten WM 1930 in Uruguay, das sich zusammen mit Argentinien, Paraguay und Chile ursprünglich gemeinsam für 2030 beworben hatte.
Der neue Deal aber wurde in Hinterzimmern ausgehandelt, um Europa, Südamerika und Afrika ruhigzustellen. 37 Funktionäre im Fifa-Rat kamen – wie vormals das skandalumwitterte Exekutivkomitee – überein, wie die Sache zu laufen hat. Es ging nur darum, Saudi-Arabien ohne Konkurrenz in elf Jahren den roten Teppich auszurollen. Jetzt muss dessen Kronprinz Mohammed bin Salman, der beispielsweise die Zerstückelung des Journalisten Jamal Khashoggi beauftragt haben soll, nicht mal mehr Ägypten oder Griechenland mit ins Boot holen, wie kolportiert worden war. Europa und Afrika kommen ja schon 2030 an die Reihe. Folglich teilte die Fifa auch mit, dass sich gemäß dem Rotationsprinzip nur Vertreter aus Asien und Ozeanien für 2034 bewerben sollen.
Saudi-Arabien steht – noch weit mehr als Katar – wegen Verstößen gegen die Menschenrechte in der Kritik. Nun kann dort bereits begonnen werden, aberwitzige Summen in die Infrastruktur unter dem Deckmantel dieses auf 48 Teilnehmer aufgeblähten Turniers zu stecken. Auch die saudische Liga frohlockt: Viele Topstars aus aller Welt sind schon mit gigantischen Beträgen ins Land gelockt worden. Dass Nationalteams deswegen bei der WM 2030 über drei Kontinente reisen müssen, ist ein schlechter Witz. An Nachhaltigkeit denkt aber niemand beim Weltverband. »Die Fifa setzt ihren Teufelskreis der Zerstörung gegen das größte Turnier der Welt fort«, kritisierte die Vereinigung der europäischen Fußballfans.
Australien, das mit der Frauen-WM Sympathien von Funktionären aus vielen Erdteilen eingesammelt hat, wird wissen: Gegen Saudi-Arabien anzutreten, ist hoffnungslos. Asiens Verband AFC, dem Australien seit 2006 angehört, hat sich bereits auf die Seite der Saudis geschlagen. »Die gesamte asiatische Fußballfamilie wird die bedeutsame Initiative des Königreichs Saudi-Arabien unterstützen«, so AFC-Präsident Scheich Salman bin Ibrahim Al Chalifa aus Bahrein, einem mit Saudi Arabien traditionell befreundeten Staat. Alexander Baumjohann wird sich mit den schönen Erinnerungen an einen verzückenden Winter trösten müssen. Vielleicht hat die Fifa aber auch ein so schönes Land wie seine Wahlheimat als WM-Bühne nicht ein zweites Mal verdient. Lieber macht sie Albträume wahr.
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