Berliner Lehrkräfte: Nicht ausgelernt, aber schon am Unterrichten

Zuwachs an Lehrkräften stützt sich auf Quereinsteiger

  • Moritz Lang
  • Lesedauer: 3 Min.

716 Vollzeitstellen sind aktuell bei Lehrkräften nicht besetzt. Diese Zwischenbilanz zog Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) am Mittwoch, vier Wochen nach Schulstart. Damit wird in der Hauptstadt eine Personaldeckung von 97,3 Prozent erreicht. Da im Mai noch mit einem Defizit von 1400 Stellen gerechnet wurde, bedeutet das eine kleine Verbesserung. Auch im Vergleich zum Vorjahreszeitraum konnten mehr neue Lehrkräfte eingestellt werden, bei Schulstart 2022 waren noch 973 Stellen vakant.

Doch es wird nicht überall aufgeatmet: Um der Rekordzahl von 395 000 Berliner Schüler*innen und 4000 neu geschaffenen Schulplätzen zu begegnen, gibt es in manchen Schulen und Bezirken schlechtere Voraussetzungen als in anderen. Während Gymnasien vergleichsweise gut aufgestellt sind, ist an Förderschulen die Besetzungsquote mit 95,1 Prozent am geringsten. Und auch in manchen Außenbezirken ist der Mangel besonders zu spüren: Während Tempelhof-Schöneberg eine Quote von 100 Prozent erreicht und Neukölln mit 98,3 über dem Durchschnitt liegt, sind in Marzahn-Hellersdorf nur gut neun von zehn Stellen besetzt. Konkret können so in sieben von 706 öffentlichen Schulen bereits ohne Ausfall von Lehrkräften nicht alle Stunden angeboten werden. »Nicht schön, aber dennoch überschaubar. Es wird auch weiter dran gearbeitet«, sagte Günther-Wünsch.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik - aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin - ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

Um für Ausgleich zu sorgen, hofft die CDU-Politikerin auf einen »Klebeeffekt«. Sie beteuerte: »Wenn es den Schulen möglich ist, bleiben die Referendare oft dort, wo sie ausgebildet wurden.« Dies sei aber nur sinnvoll, wenn es vor Ort genug Kapazitäten gibt, um die Referendare angemessen zu betreuen. Diese können sich aber die Schule für ihr Praxissemester relativ frei auswählen, denn Bedarf gibt es in jedem Bezirk. Dem Schulwunsch von verbeamteten Lehrer*innen muss dagegen nicht begegnet werden, doch deren Versetzung in Schulen mit großem Bedarf sei laut Bildungsverwaltung aktuell nicht geplant.

Die Zahl der Bewerber*innen auf ein Lehramtsstudium ist dieses Jahr zwar gestiegen, aber weniger als 1000 Absolvent*innen an den drei Universitäten sind immer noch zu wenig, um dem Bedarf an voll qualifizierten Lehrkräften zu begegnen. Dafür wären nach Berechnungen der Lehrergewerkschaft GEW rund 3000 Absolvent*innen im Jahr nötig.

Das Rückgrat der Neubesetzungen sind also weiterhin Quer- und Seiteneinsteiger*innen – über die Hälfte der 2446 neu eingestellten Lehrkräfte hat kein abgeschlossenes Lehramtsstudium. Ein Quereinstieg ist Menschen mit pädagogischer Ausbildung oder Studienabschluss ohne Lehramtsbezug möglich. Seiteneinsteiger*innen befinden sich meist noch im Studium oder sind Pensionäre und haben kein abgeschlossenes Studium. »Das wird die nächsten Jahre noch anhalten. Wir werden weiterhin mit Quer- und Seiteneinsteigern arbeiten müssen«, sagte Günther-Wünsch. »Wir haben einfach eine demografische Entwicklung, die das notwendig macht.«

Um die Unterrichtsqualität zu sichern, wolle die Bildungsverwaltung im kommenden Schuljahr eine »Gesamtqualitätsstrategie« entwickeln. Ab sofort seien die Fortbildungsangebote nun auch für die »sonstigen Lehrkräfte« ohne abgeschlossenes Lehramtsstudium geöffnet und man wolle zudem prüfen, inwiefern man diese Qualifizierungsmaßnahmen für Quer- und Seiteneinsteiger*innen verbindlich macht. Maike Finnern, Bundesvorsitzende der GEW, fordert mehr Anerkennung der für das Schulsystem essenziellen Leistungen von Quer- und Seiteneinsteiger*innen. Um ihnen eine langfristige Perspektive zu bieten, müsse »bei erfolgreichem Abschluss der nötigen Weiterbildungen eine Anerkennung der Laufbahnbefähigung stehen, also eine Gleichstellung mit den grundständig ausgebildeten Lehrkräften«.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -