Urteil zum Fall Samuel Kofi Yeboah nach mehr als drei Jahrzehnten

Mörder von Samuel Kofi Yeboah kommt mit knapp sieben Jahren Gefängnis davon

  • Joachim F. Tornau, Koblenz
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Mordprozess gegen den 51-jährigen Peter Werner S. vor dem Oberlandesgericht Koblenz endete mit einem Schuldspruch
Der Mordprozess gegen den 51-jährigen Peter Werner S. vor dem Oberlandesgericht Koblenz endete mit einem Schuldspruch

Als Samuel Kofi Yeboah am 18. September 1991 über den Marktplatz von Saarlouis ging, beschlich ihn ein dunkles Gefühl. Wie so oft saßen auch an diesem Abend die örtlichen Neonazis am Brunnen, soffen und pöbelten. »Eines Tages«, sagte der 27-Jährige zu seinem Begleiter, »werden sie mich umbringen.« Wenige Stunden später war der aus Ghana geflüchtete Mann tot, qualvoll gestorben bei einem Brandanschlag auf die Asylunterkunft, in deren Dachgeschoss er wohnte.

Die düstere Prophezeiung zitierte Richter Konrad Leitges, als er am Montag das Urteil gegen den Mann verkündete, der nach Überzeugung des Koblenzer Oberlandesgerichts für den Mord vor mehr als 32 Jahren verantwortlich war: Sechs Jahre und zehn Monate Jugendstrafe verhängte der Staatsschutzsenat gegen Peter Werner S., damaliger Neonazi-Skinhead und auch lange danach ein Aktivposten der rechtsextremen Szene im Saarland. Eine Verurteilung zu lebenslanger Haft blieb dem 52-Jährigen nur erspart, weil er bei der Tat noch Heranwachsender gewesen war.

Der Angeklagte, so Leitges, habe das nächtliche Feuer aus rassistischem Hass gelegt – und um sich gegenüber seinen braunen Kameraden zu beweisen. »Er wollte allen Ausländern das Gefühl geben, in Deutschland nicht sicher zu sein.« Nicht allein wegen des Mordes an Samuel Kofi Yeboah verurteilte ihn das Gericht, sondern auch wegen versuchten Mordes an zwölf weiteren Bewohnern der Unterkunft. Aber: Bei acht Menschen, die im Erdgeschoss einen Geburtstag feierten, habe er von einer Rettung ausgehen können, ihren Tod also nicht billigend in Kauf genommen.

Nebenklageanwalt Björn Elberling, der mehrere dieser Betroffenen vertritt, hält das für nicht nachvollziehbar. »Das ist kein ›Kollateralschaden‹, wenn hier Menschen sterben. Das ist das Ziel«, sagte der Anwalt. »Ich werde meinen Mandanten dringend empfehlen, gegen das Urteil Revision einzulegen.« Die Verteidigung dagegen zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis des elfmonatigen Prozesses. »Der Strafsenat hat ausgewogen geurteilt«, sagte Rechtsanwalt Guido Britz. Die Vertreter*innen der Bundesanwaltschaft gaben keine Stellungnahme ab.

Mit dem Urteil blieb das Gericht zwischen den Forderungen der Anklagebehörde, die neun Jahre Jugendstrafe verlangt hatte, und der Verteidigung, die auf viereinhalb Jahre plädiert hatte – wegen bloßer Beihilfe. Denn nach anfänglich hartnäckigem Leugnen hatte Peter Werner S. ein halbes Jahr nach Prozessbeginn schließlich doch noch eine Art Geständnis abgelegt: Er sei bei dem Anschlag dabei gewesen, aber nur als Mitläufer eines anderen damaligen Neonazis. Das nahm ihm das Gericht jedoch nicht ab.

Mehr als 1500 rassistische Brandanschläge gab es in der ersten Hälfte der 90er Jahre, als Neonazis sich angesichts der flüchtlingsfeindlichen gesellschaftlichen Stimmung als Vollstrecker eines »Volkswillens« fühlten. Nur ein kleiner Teil davon wurde jemals aufgeklärt. Dass das mit mehr als drei Jahrzehnten Verspätung nun beim Mord an Samuel Kofi Yeboah gelang, ist einer einzigen Frau zu verdanken. Die Zeugin meldete sich 2019 bei der Polizei, weil sie sich nach dem Lesen eines Artikels über ungelöste Mordfälle im Saarland an ein Grillfest erinnert hatte, bei dem sich Peter Werner S. ihr gegenüber mit der Tat gebrüstet habe: »Das war ich. Und sie haben mich nie erwischt.« Wie halbherzig nach dem Anschlag ermittelt worden war, hat der Prozess ein ums andere Mal gezeigt. Keine zwei Wochen lang war damals in der rechtsextremen Szene nach möglichen Täter*innen gesucht worden. Die Polizei glaubte oberflächliche Unschuldsbeteuerungen. Freundlich wurden die jungen Neonazis auf der Wache geduzt, einem soll sogar ein Bier angeboten worden sein.

Bewohner der Unterkunft, die erst wenig Deutsch sprachen, befragte man hingegen ohne Dolmetscher. Und auch andere Zeug*innen fielen vor Gericht aus allen Wolken, als ihnen vorgelesen wurde, was sie damals angeblich gesagt hatten. Eine Anwohnerin war sich felsenfest sicher, von dunkel gekleideten Menschen gesprochen zu haben, die ihr in der Tatnacht aufgefallen seien. In ihrem Vernehmungsprotokoll aber stand stattdessen etwas von dunkler Hautfarbe – bezeichnet überdies mit dem rassistischen N-Wort, das sich mit größter Selbstverständlichkeit durch die Akten zieht. Obwohl es auch vor 30 Jahren schon diskriminierend war.

Jahrzehntelang hatten nur antifaschistische Initiativen die Erinnerung an den Brandanschlag von Saarlouis wachgehalten. Für sie war von Anfang an klar, was nun auch gerichtlich festgestellt ist: dass Samuel Kofi Yeboah einem neonazistischen Mord zum Opfer gefallen ist. Doch außer ihnen wollte das lange Zeit kaum jemand wahrhaben im Saarland.

Erst mit der Wiederaufnahme der Ermittlungen und dem Prozess in Koblenz setzte ein Umdenken ein. Bereits im vergangenen Jahr hat sich Saarlands Polizeipräsident für die »Versäumnisse« und »Defizite« bei den Ermittlungen entschuldigt. Ein Untersuchungsausschuss des Landtags in Saarbrücken, der Anfang Oktober seine Arbeit aufnahm, soll sich um Aufarbeitung bemühen. Ein Entschädigungsfonds des Landes für Opfer rassistischer Gewalt ist angekündigt.

Und als sich der Anschlag am 19. September zum 32. Mal jährte, richtete auch die Stadt Saarlouis zum allerersten Mal eine Gedenkveranstaltung aus. Die Überlebenden der rassistischen Tat hatte man dabei allerdings offenbar wieder einmal vergessen: Sie wurden nach Angaben ihrer Anwält*innen nicht eingeladen.

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