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Wahl in Hessen: Die Anti-Ampel hat gewonnen
Bundespolitische Themen haben die Hessen-Wahl dominiert. Es gab zwei Siegerinnen: CDU und AfD
Auf den ersten Blick erscheint es paradox: Umstände, die mit der hessischen Landespolitik nichts zu tun haben, waren bei der Landtagswahl entscheidend. Die Kritik an der Berliner Ampel-Koalition hat offenbar dazu geführt, dass viele Menschen auch den Fraktionen in Wiesbaden nicht mehr vertrauen. Die Grünen waren die vergangenen zwei Legislaturperioden an der Regierung in Hessen beteiligt; sie verloren fünf Prozent der Stimmen. »Das ist nicht in Hessen vergeigt worden«, stellte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) am Sonntagabend bei der ARD-Sendung »Anne Will« fest. »Das hat sehr viel mit der Bundespolitik zu tun.«
Auch die SPD in der Opposition verlor mit ihrer Spitzenkandidatin Nancy Faeser 4,7 Prozent, und die FDP wäre fast aus dem Landtag geflogen. Sie hat 2,5 Prozent verloren. Der Grund dafür liegt in der Bundespolitik. »Es gibt eine Diskrepanz zwischen den erreichten Ergebnissen und dem, wie wir Politik verkörpern und erklären«, stellte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert im Sender Phoenix fest. Die Bundesregierung habe seiner Meinung nach in den vergangenen zwei Jahren zwar viel erreicht, »aber das Gefühl draußen ist ein anderes«. Ursache dafür seien die vielen Diskussionen in dem Regierungsbündnis, selbst wenn es längst Kompromisse im Bundeskabinett gegeben habe. »Das verfestigt den Eindruck eines nicht enden wollenden Streits«, erklärte er und fügte hinzu: »Ein bisschen Gift kann einen ganzen Wassertank vergiften.«
Davon profitiert hat in Hessen die CDU, die auf Bundesebene zuletzt mit unqualifizierten rechtspopulistischen Attacken aufgefallen ist. Satte 7,6 Prozent an Stimmen hat sie dazugewinnen können. Ihr Spitzenkandidat Boris Rhein führte das auf seinen moderaten Kurs im Wahlkampf zurück. »Ich glaube, die Strategie ist richtig gewesen, zwar eine sehr klare konservative Sprache zu sprechen, aber eben keine falschen Signale zu senden«, sagte Rhein am Montag in Berlin. Er hatte sich im Wahlkampf mehrmals von den xenophoben Äußerungen des Parteivorsitzenden Friedrich Merz distanziert. Rhein wird es sich jetzt aussuchen können, ob er mit den Grünen die Koalition fortführen wird oder ein Bündnis mit der SPD eingeht.
Einen deutlichen Zuwachs von 5,3 Prozent der Stimmen konnte die AfD erzielen, die nunmehr zweitstärkste Kraft in Hessen ist, obwohl sie auf dem Land gar nicht überall verankert ist. Eine allgemeine Unzufriedenheit mit der politischen Lage dürfte aber dazu geführt haben, dass die Rechtsaußen-Partei in Wiesbaden solche Zuwächse erreichen konnte. Zudem hat die Diskussion um die Migration in Deutschland thematisch den Wahlkampf überlagert, und genau jene Kräfte, die auf eine Abschottung setzen, konnten davon bei der Abstimmung profitieren. Nancy Faeser wurde in dieser Diskussion als Bundesinnenministerin und Spitzenkandidatin der SPD in Hessen aufgerieben. Sie verteidigte den Kurs der Bundesregierung, sprach sich lange gegen einen stationären Schutz der polnischen Grenze aus und befürwortete stets ein einheitliches europäisches Vorgehen, um die Migration abzuwehren. Doch dem in der öffentlichen Meinung dominanten rechten Populismus, der rasche nationalistische Lösungen fordert, reichten ihre Positionen nicht.
Zerknirscht hat sie am Sonntagabend ihre Wahlniederlage eingestanden. Am Tag darauf wurden von der Opposition prompt Rücktrittsforderungen als Bundesinnenministerin laut. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) müsse überlegen, ob Faeser nach diesem Debakel die politische Kraft für die Herausforderungen in der Innenpolitik habe, sagte Andrea Lindholz, Vizechefin der Unionsfraktion. Es brauche jetzt eine starke Innenministerin oder einen starken Innenminister, um die angebliche Migrationskrise, Kriminalität und Cyberbedrohung in den Griff zu bekommen. Dergleichen war absehbar. Faeser, die auch hessische Landesvorsitzende der SPD ist, kehrt geschwächt nach Berlin zurück. Regierungssprecher Steffen Hebestreit betonte am Montag in Berlin indes, Scholz sei »fest entschlossen, auch weiterhin mit Nancy Faeser als Bundesinnenministerin im Kabinett zusammenzuarbeiten«.
Die Linke schaffte die Trendwende in Hessen nicht und verpasste nach 15 Jahren erstmals den Wiedereinzug ins Parlament. In den letzten Tagen vor der Wahl sah es zwar so aus, als würde die Partei es doch noch schaffen können; in den Umfragewerten legte sie noch einmal zu, aber letztlich erhielt sie nur 3,1 Prozent. Viele Stimmen verlor sie insbesondere an die SPD und die AfD, was Sahra Wagenknecht und Anhänger in ihrer Meinung bestätigen dürfte, dass Die Linke keine Partei für »die kleinen Leute« mehr sei. Hinderlich für die Partei war auch die Verkündung einer Vereinsgründung aus den Reihen ihrer Unterstützer unmittelbar vor der Wahl. Wagenknecht versucht offenbar, vor ihrem Abgang der Partei einen größtmöglichen Schaden anzurichten.
Die hessische Linke versuchte es dagegen mit einem Wahlkampf, der soziale und ökologische Themen verband, schaffte es aber nicht, den Abwärtstrend zu stoppen. Im Vergleich zu 2018 bekam Die Linke nicht einmal die Hälfte der Stimmen, obwohl sie im Wiesbadener Landtag eine wichtige Stimme war. Schließlich ist Hessen das Bundesland, in dem 2019 der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke ermordet wurde und im Jahr darauf der Amoklauf in Hanau stattfand. Die Polizei war im Rhein-Main-Gebiet durch rechtsradikale Skandale aufgefallen, die weit über Einzelfälle hinausgehen. Die Linke zeigte im Parlament eine klare antirassistische Haltung und war zugleich eine Ansprechpartnerin für soziale Bewegungen. Aber es gelang ihr nicht, im Wahlkampf zu überzeugen. Allerdings konnte auch keine andere Partei mit landespolitischen Themen punkten. Niemand schien bei der Wahl die Zügel in der Hand gehabt zu haben.
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