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Bildungskrise: Alle Augen nach Hamburg
Bildungspolitiker suchen Wege aus der Bildungskrise
Man hat sich schon fast an das Bild gewöhnt: Bei Bildungsrankings landet Berlin häufig auf einem der hinteren Plätze. Zuletzt hatte die sogenannte Vera-Studie gezeigt, dass 61 Prozent der Drittklässler in der Hauptstadt an den Mindeststandards im Fach Deutsch scheitern und 77 Prozent im Fach Mathe. Auch wenn die Standards bei den Vera-Tests bewusst hoch angesetzt werden, um Defizite besser identifizieren zu können, war das für viele erschreckend.
Was also tun, damit es besser wird? »Es darf nicht nur bei Reparaturbetrieb bleiben«, sagte Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) am Mittwoch bei einer Podiumsdiskussion auf einem Kongress der Industrie- und Handelskammer Berlin. Vielmehr brauche es strukturelle Reformen. Dabei setzt sie offenbar auch auf Unterstützung der Opposition: »Wir können jetzt nicht kollektiven Suizid begehen, sondern müssen gemeinsam überlegen, was Lösungen sind.«
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Nach einer großen Revolution klingen Günther-Wünschs Vorschläge dabei zunächst nicht. Vor allem will sie die Datenlage bei den Schülerleistungen verbessern, um gezielter fördern zu können. Dass es daher mehr Vergleichstests geben soll, ist bereits im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Ergänzt werden soll dies durch größere Entscheidungsfreiheit bei den Schulleitungen, wie sie ihre Schulen entwickeln wollen. »Die Schulen sollen selbstständig Personalmanagement machen können, so wie Unternehmen auch«, sagte Günther-Wünsch.
Mit einem vergleichbaren Modell hat Hamburg große Erfolge gefeiert. Der nördliche Stadtstaat ist mit ähnlichen Problemen wie Berlin konfrontiert: Auch dort gibt es einen weit überdurchschnittlichen Anteil von armen Schülern mit nichtdeutscher Muttersprache. Lange Zeit landete auch Hamburg bei Vergleichstests am Ende der Tabelle, konnte sich unter der Ägide von Bildungssenator Ties Rabe (SPD) aber ins obere Mittelfeld vorkämpfen und belegt bei den Fremdsprachen inzwischen sogar den Spitzenplatz.
Auch ein anderes Element der Hamburger Erfolgspolitik will Günther-Wünsch übernehmen: Die Konzentration auf Basiskompetenzen in den Bereichen Lesen, Schreiben und Rechnen. Das soll schon in der Kita beginnen: Dort sollen Kinder, die besonders gefördert werden müssen, frühzeitig identifiziert werden. Es gehe aber nicht nur um Kompetenzen in Mathe und Deutsch: Auch sogenannte Soft Skills sollen stärker vermittelt werden. »Selbstverantwortung, Teamfähigkeit, Resilienz« nannte die CDU-Politikerin als Kompetenzen, die für schulischen wie beruflichen Erfolg unabdingbar seien.
Andere Diskussionsteilnehmer gingen in ihren Forderungen weiter. »Wir können den Brandlöscher machen, aber das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein«, sagte Miriam Pech, Schulleiterin der Integrierten Sekundarschule Heinz-Brandt-Schule in Pankow. »Wir müssen das Bildungsverständnis, das wir tradiert haben, über Bord werfen.« Es müsse weniger Fachunterricht geben, dafür mehr »Trainings« für Basiskompetenzen und »interdisziplinäre Projekte« in den höheren Klassenstufen. Sie will auch an einer anderen Säule ruckeln: »Schulpflicht muss nicht Anwesenheit in der Schule bedeuten«, sagte sie. Unterricht müsse häufiger außerhalb der Schulen stattfinden.
Wie das aussehen kann, zeigte Tanja Schirrmann-Remhof. Sie leitet den Ausbildungsbereich des Logistikunternehmens Plischka. Schon derzeit besuchten Schüler regelmäßig den Betrieb. »Wir zeigen dann, was wir eigentlich machen und welche Skills dafür notwendig sind«, sagte sie. Im Anschluss bearbeiteten die Schüler in Teams kleine Aufgaben. So sollen sie lernen, das Schulwissen praktisch anzuwenden.
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