Berlin wusste von Verbrechen in Saudi-Arabien

Sicherheitsabkommen mit Saudi-Arabien wird trotz Massakern nicht beendet

Die Bundesregierung hatte schon lange Hinweise zu Menschenrechtsverletzungen durch saudische Sicherheitskräfte an der Grenze zum Jemen und setzte ihre Polizeizusammenarbeit mit dem Regime trotzdem fort. Das antwortet das Innenministerium auf eine Anfrage der Linksfraktion, in der sich diese nach Maßnahmen der Bundespolizei erkundigt. Demnach sei die Bundesregierung am 27. Juni 2022 »erstmalig über Verdachtsmomente« hinsichtlich mutmaßlicher Massaker informiert worden.

Unter dem Titel »Sie schossen auf uns wie Regen« hatte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch im August einen Bericht über Verbrechen von saudi-arabischen Einheiten an der Grenze zum Jemen veröffentlicht. Demnach schossen die dort eingesetzten Truppen unter anderem mit schweren Waffen auf Flüchtende, die vor dem Bürgerkrieg im Jemen geflohen waren. Human Rights Watch wirft der Regierung in Riad deshalb Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Im Oktober 2022 berichtete bereits der UN-Sonderberichterstatter für außergerichtliche Hinrichtungen über derartige Massaker.

Die saudische Grenzpolizei gehört zu den Einheiten, die im Rahmen eines 2012 in Kraft getretenen Sicherheitsabkommens von Deutschland ausgebildet werden. Mit dem Vertrag wollte die damalige Bundesregierung ein milliardenschweres Projekt des damaligen EADS-Konzerns (heute Airbus) zur Grenzsicherung in Saudi-Arabien unterstützen. Zuständig dafür ist die Bundespolizei.

Die deutschen Trainings wurden nach Bekanntwerden der brutalen Enthauptung des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi in der saudischen Botschaft in Istanbul im Oktober 2018 zunächst ausgesetzt. 15 Monate später, im Januar 2020, nahm die Bundespolizei die Maßnahmen wieder auf.

Seit der Wiederaufnahme 2020 wurden 889 Angehörige des saudischen Innenministeriums durch die Bundespolizei geschult, davon 714 Mitglieder des Grenzschutzes, schreibt die Parlamentarische Staatssekretärin im Innenministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD). Zudem hätten andere Polizeibehörden im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums an den Schulungen teilgenommen. Unter ihnen sind die »Facility Security Forces«, die für den Schutz von Ölförderanlagen und anderen kritischen Infrastrukturen zuständig sind.

Für ihre polizeilichen Trainingsmaßnahmen habe die Bundesregierung bis 2022 rund 14,5 Millionen Euro vom saudischen Innenministerium erhalten, schreibt Schwarze-Lühr.

Jedoch war auch die Bundeswehr an den Maßnahmen im Rahmen des Sicherheitsabkommens beteiligt. Bekannt ist etwa, dass Soldaten des Heeres ihre Partner in Saudi-Arabien in der Bedienung deutscher Spähdrohnen unterwiesen haben. Diese Geräte vom Typ »Luna« hatte der deutsche Hersteller EMT an den Grenzschutz verkauft.

Welche Summen die Bundesregierung für diese militärische Ausbildung erhielt, soll Verschlusssache bleiben. Die Veröffentlichung dieser Angaben sei »dazu geeignet, das Wohl und die Sicherheit sowohl ausländischer Sicherheitskräfte als auch deutscher Streitkräfteeinrichtungen und -angehöriger zu gefährden«, so die Begründung.

Der Frage, welche Exporte für die »Luna«-Drohnen genehmigt wurden, weicht das SPD-geführte Innenministerium aus. In der Antwort wird nur der Zeitraum ab 1. Januar 2018 betrachtet – mithin vier Jahre nach Inkrafttreten des Sicherheitsabkommens. Dem Unternehmen EMT seien in diesen Jahren keine »endgültigen« Ausfuhrgenehmigungen erteilt worden, heißt es nebulös.

Auch nach den Berichten über Menschenrechtsverletzungen des saudischen Grenzschutzes will die Bundesregierung das Abkommen über die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich nicht aufkündigen. Möglich wäre der schriftliche Ausstieg »auf diplomatischem Weg« unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten. Dies sei aber nicht erfolgt, heißt es in der Antwort.

Jedoch habe die Bundespolizei nach Bekanntwerden der mutmaßlichen Massaker »im aktuellen Trainingsprogramm« keine Maßnahmen »speziell für den saudi-arabischen Grenzschutz« vorgesehen. Für welchen Zeitraum diese Planung gilt, lässt die Antwort offen. Auch zur etwaigen Beendigung von Trainings für die anderen Polizeibehörden oder die Ölgarden findet sich darin kein Hinweis.

»Saudi-Arabien ist nicht erst seit den jüngsten Massakern ein Staat, der Menschenrechte systematisch missachtet«, kommentiert der Noch-Linken-Abgeordnete im Bundestag, Andrej Hunko, das Gebaren des deutschen Innenministeriums. Die Linksfraktion fordert deshalb, das Sicherheitsabkommen mit Riad sofort zu kündigen.

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