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Linke NRW erstattet Anzeige gegen Wagenknecht-Unterstützer
Lukas Schön soll die Mitgliederkartei der Linken in NRW kopiert haben
Die Kommentare in den Donnerstagausgaben der großen Zeitungen zur künftigen Partei von Sahra Wagenknecht und Unterstützern fielen erstaunlich freundlich und erwartungsfroh aus – viele Journalisten erwarten offenbar, dass sie die Wahlergebnisse der AfD reduzieren kann.
Vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit bekam dagegen ein mutmaßlicher weiterer Diebstahl durch die Parteigründer – neben jenem der Bundestagsmandate von zehn Abgeordneten, die mit Wagenknecht Die Linke verlassen, aber im Berliner Parlament bleiben wollen. Es geht um die Mitgliederkartei der nordrhein-westfälischen Linken, also des mit Ende 2022 mehr als 7700 Genossen mittlerweile größten Landesverbandes. Der Landesverband wirft seinem früheren Geschäftsführer Lukas Schön, der jetzt zum Vorstand des Vereins Bündnis Sahra Wagenknecht gehört, vor, sich davon eine Kopie gemacht zu haben. Wie der »Kölner Stadt-Anzeiger« am Dienstag berichtete, ist eine entsprechende Strafanzeige bereits bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf eingegangen. Darin heißt es demnach, der Datenklau sei eine »Vorbereitungshandlung« zur Gründung einer neuen Partei gewesen.
Der Ko-Vorsitzende der NRW-Linken, Sascha H. Wagner, spricht von einem »ungeheuerlichen Vorgang«. Schön war bis zum 30. November 2022 Landesgeschäftsführer. Kurz vor der Beendigung seiner Tätigkeit soll er laut Anzeige »in mehreren Schritten umfangreiche Daten« aus der Mitgliederkartei heruntergeladen haben. »Insbesondere die Daten von aktuellen oder ehemaligen Mitgliedern sind bei der Gründung einer neuen Partei von Interesse, da sie es ermöglichen, gezielt Personen anzusprechen, um sie für eine aktive Mitarbeit in dem neuen Projekt zu gewinnen«, heißt es in der Anzeige.
Die Linke wusste erst seit Mitte vergangener Woche, als die an der Pressekonferenz Wagenknechts Teilnehmenden bekanntgegeben wurden, dass Schön zu dem Verein gewechselt ist. Daraufhin stellte die Landesgeschäftsstelle Nachforschungen an. Dabei sollen Spuren festgestellt worden sein, die auf die Entwendung der Daten hindeuten. Der Kopiervorgang hat laut Anzeige mehr als eine Stunde in Anspruch genommen. Am 18. Oktober 2022 wurden demnach Datensätze zu etwa 9450 Personen (davon 7900 Mitglieder) kopiert. Auf der Pressekonferenz am Montag in Berlin bestritt Schön die Vorwürfe.
Die Parteigründer stehen derweil vor großen organisatorischen Herausforderungen und unter enormem Zeitdruck. Denn die neue Organisation soll schon zur Europawahl im kommenden Juni antreten. Eine Teilnahme an den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen wird ebenfalls angestrebt. Daran hatte der Ko-Vorsitzende der Linken, Martin Schirdewan, scharfe Kritik geäußert. Eine Kandidatur sei insbesondere ein »Angriff« auf die rot-rot-grüne Minderheitsregierung in Thüringen unter Führung von Ministerpräsident Bodo Ramelow, sagte Schirdewan am Montag in Berlin. Zugleich glaubt er, dass es bei der Wahl im September 2024 eher ein Duell zwischen dem AfD-Landeschef Björn Höcke und Ramelow geben wird. Dies werde »Bodo gewinnen«, gab sich Schirdewan optimistisch. Die Wagenknecht-Partei werde keine große Rolle spielen.
Mitstreiter Wagenknechts beurteilen die Erfolgsaussichten der neuen Partei naturgemäß zuversichtlicher. Sie werde den »Nerv der Zeit« treffen, sagte der frühere Linke-Bundesvorsitzende Klaus Ernst am Dienstag. Der frühere Gewerkschafter gehört zu jenen, die 2005 die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) gründeten, die später mit der PDS zur Linken fusionierte. Jetzt, so glaubt Ernst, seien »die Voraussetzungen für eine Gründung viel günstiger als damals bei der WASG«. Ernst betont, man werde »überlegt handeln. Wir wollen ja sehen, wer bei uns Mitglied ist und dass wir die schlimmen Finger, die es bei Parteigründungen gibt, draußen halten können.« Dazu gebe es verschiedene Möglichkeiten, die später in der Parteisatzung geregelt würden.
Der Verein Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) soll zunächst Spenden sammeln, damit die künftige Partei im neuen Jahr aktiv werden kann. Weitere Eintritte soll es nicht geben, Interessierte sollen später direkt in die Partei eintreten, die unabhängig vom Verein gegründet werden soll. Wenn die Partei bei der Europawahl antreten will, muss sie bis zum 18. März bei der Bundeswahlleitung eine Liste mit ihren Kandidaten einreichen. Diese müssen vorher bei einer Aufstellungsversammlung der Partei bestimmt werden. Da die Organisation noch in keinem Parlament vertreten ist, muss sie zusätzlich auch 4000 Unterschriften von Wahlberechtigten und eine Bestätigung der Kommune einreichen, dass die Unterzeichner wahlberechtigt sind. Bei den Landtagswahlen sind die Hürden noch weitaus höher. Mit dpa
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