- Sport
- Fußball Champions League
Celtic Glasgow gegen Atlético Madrid: Nahost-Konflikt im Stadion
Zirkus Europa: Die Ultras der Green Brigade mobilisieren wieder mal den Celtic Park – diesmal pro Palästina
Die interessanteste Vorstellung im europäischen Fußball-Zirkus wird an diesem Mittwoch nicht in Madrid, München oder Mailand gegeben, sondern in Glasgow. Es geht dabei weniger um den sportlichen Wert: Celtic Football Club gegen Atlético de Madrid, das ist Kunst auf überschaubarem Niveau. Viel aufregender wird sein, was sich in der Nordkurve des Celtic Parks abspielen wird, wo die Green Brigade den Ton angibt.
Früher schlicht Pokal der Landesmeister, heute Champions League: ein inszeniertes Spektakel und Gelddruckmaschine des Fußballs. Sven Goldmann blickt auf den kommenden Spieltag.
Celtic ist der katholische Klub des Glasgower East Ends, Heimat der Besitzlosen, dem ewigen Klassenkampf verpflichtet, und das nicht nur in Schottland. Die Ultras der Green Brigade solidarisierten sich in der Vergangenheit immer wieder mal mit der IRA. Für den Mittwoch hat sie alle Fans zu einer politischen Demonstration aufgerufen. Am dritten Spieltag der Champions League soll sich der Celtic Park in ein schwarz-weiß-rot-grünes Theater verwandeln. Die Nordkurve hisst die palästinensische Fahne, um der Welt zu zeigen, »dass der Klub an der Seite der Unterdrückten und nicht der Unterdrücker steht«, teilte die Green Brigade in einem Communiqué mit.
Schon beim letzten Heimspiel in der Premier League gegen Kilmarnock schwenkten die Ultras palästinensische Fahnen und »Free Palestine!«-Transparente im Stadion. Die Vereinsführung reagierte darauf mit dem üblichen Reflex, dem Hinweis darauf, dass ihr Klub ausschließlich dem Fußball und keinesfalls politischen Interessen verpflichtet sei. Aber erstens stacheln solche Mahnungen für gewöhnlich die Lust am Zündeln an, und zweitens hat das Narrativ vom unpolitischen Fußball noch nie gestimmt. Als Spiel des Volkes sieht sich der Fußball seit jeher der Gefahr einer Vereinnahmung ausgesetzt.
Einen unpolitischen Fußball kann es gar nicht geben, weil er einen Verzicht der Politik auf den Glanz und das mitschwingende Karma der Helden in kurzen Hosen voraussetzen würde. Anders als dieser Tage in Glasgow und dem Nahost-Konflikt waren es bislang immer die Mächtigen der Welt, die das Spiel für sich instrumentalisieren wollten. Eine kleine und keinesfalls vollständige Kulturgeschichte des politischen Fußballs: Benito Mussolini steckte Millionen Lire in die WM 1934, weil er einen Propaganda-Erfolg für sein faschistisches System brauchte. 1960 schickte der spanische Diktator Francisco Franco Soldaten zum Madrider Flughafen, um die Abreise der Nationalmannschaft zu einem Spiel in der Sowjetunion zu verhindern. Bei der WM 1978 in Argentinien ließ die Militärjunta unweit der Stadien politische Gefangene foltern. Auch die jüngsten Weltmeisterschaften in Russland und Katar blieben nicht so sehr wegen sportlicher Glanzlichter in Erinnerung.
Fußball war schon immer mehr als nur Fußball, und wird es wohl auch am Mittwoch sein, trotz aller Warnungen von Vorständen, Verbänden oder Regierungen. Obwohl bei Celtic der israelische Nationalspieler Liel Abada unter Vertrag steht. Obwohl dessen Landsmann, der frühere Celtic-Profi Nir Bitton, die Ultras dazu aufforderte, den Slogan »Free Palestine!« doch bitte in »Free Gaza from Hamas!« umzuwandeln.
Die Green Brigade hat die Bühne Champions League schon einmal für ihre Interpretation des Nahost-Konflikts genutzt. Das war im August 2016, als Celtic gegen den israelischen Klub Happoel Be’er Sheeva vor der mit reichlich Palästina-Fahnen ausstaffierten Nordkurve spielte. Die Green Brigade zahlte die von der Uefa verhängte Geldstrafe von 16 000 Pfund und spendete weitere 100 000 Pfund an soziale Projekte in Palästina.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.