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Gewerkschaftstag IG Metall: »Grünes Herz aus Stahl«
Die IG Metall ringt um eine Position in der ökologischen Transformation der Industrie
Mit einer fulminanten Rede hat die neue Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, den Gewerkschaftstag gerockt: Sie wandte sich gegen gewerkschaftsfreie Zonen, »selbst auf dem Mars, Herr Musk«, machte sie vom Podium gegen die gewerkschaftsfeindliche Politik des US-Unternehmens Tesla mobil. Und sie sprach sich für den Erhalt der Industrie in Deutschland aus – »mit unserem grünen Herz aus Stahl«, wie sie den Delegierten zurief. Damit verwies sie auf die derzeitige Kampagne der IG Metall für staatliche Subventionen für die ökologische Transformation und einen günstigen Industriestrompreis.
Für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt stehe sie als neue Vorsitzende, für Frieden und gegen rechts. Das scheint auch unter den Delegierten unstrittig zu sein. Davon zeugte eine Aktion, bei der Schilder mit der Aufschrift »Refugees welcome!« hochgehalten wurden, womit die Delegierten auf die Rede von Bundeskanzler Scholz am Dienstag reagierten, der seinen Vorstoß, mehr Abschiebungen durchsetzen zu wollen, als Realismus verkaufte.
Doch jenseits solcher Aktionen wurden die Herausforderungen für die Gewerkschaft offenbar: Benner setzte den Kampf gegen rechts auf die Agenda, auch weil viele Gewerkschaftsmitglieder die AfD gewählt hatten. Zudem ist die IG Metall einerseits Teil der Friedensbewegung, andererseits vertritt sie die Beschäftigten der Rüstungsindustrie. Und auch das Bündnis mit den Umweltverbänden ist angesichts der Orientierung auf Elektroautos als Ersatz für Verbrennerfahrzeuge brüchig und regional kaum belastbar.
Einstweilen lobte Wirtschaftsminister Robert Habeck als Gastredner ebenso wie Scholz und Arbeitsminister Hubertus Heil die Gewerkschaft und umgarnte sie: Deutschland müsse den Kampf um die industrielle Wertschöpfung gewinnen, um den Wohlstand und den Wettbewerbsstandort zu erhalten. Die Gewerkschaften hätten SPD und Grüne fest an ihrer Seite, unterstrichen die Spitzenpolitiker.
Gewerkschaftschefin Benner griff das auf und wandte sich gegen angedrohte Betriebsverlagerungen. »Subventionen darf es nur geben, wenn Verpflichtungen zu Standort, Beschäftigung, Ausbildungsplätzen und Tarifbindung gegeben sind«, forderte sie. Mit Blick auf die globale Blockbildung betonte sie zudem: »Keine öffentliche Förderung ohne Verpflichtung zur Wertschöpfung in unserem Land!« Formen des Protektionismus, die Benner aber nicht als solche verstanden wissen wollte.
Ähnlich klingt es mit Blick auf die Gewerkschaftskampagne für einen Brückenstrompreis. Während Scholz sprach, unterstrichen Delegierte ihre Forderung nach einer zeitlich befristeten Subvention für Industriestrom mit einem Transparent auf der Bühne. Der Kanzler hielt sich dazu jedoch bedeckt: Man prüfe derzeit die Möglichkeiten, auch um nicht gegen EU-Wettbewerbsrecht zu verstoßen.
Dekarbonisierung und Transformation der Autoindustrie sind Herausforderungen – auch für die Gewerkschaft. Der Anteil des Autos an den Treibhausgasemissionen ist zu hoch und in den vergangenen Jahrzehnten nicht gesunken. Die Strategie der Autokonzerne, mit großen und schweren Autos hohe Renditen zu erzielen, hat in die schwere Krise geführt. So ist die Autoproduktion in Deutschland stark gesunken (von 5,7 Millionen Stück in 2017 auf 3,5 Millionen in 2022), ohne dass adäquate Alternativen aufgebaut worden wären. Die Folgen waren jahrelange Kurzarbeit, Personalabbau und Betriebsschließungen bei Volkswagen, Mercedes, Audi, Opel, Ford, Continental, Bosch und vielen kleinen Betrieben, die die Belegschaften verunsichern. Seit 2018 wurden in der Automobil- und Zulieferindustrie 60 000 Arbeitsplätze abgebaut.
Die IG Metall will deshalb umfassende Investitionen in neue Technologien und Infrastrukturen durchsetzen. Aber nicht ohne »einen langfristigen, verlässlichen und konsistenten Planungsrahmen zur Sicherung von Beschäftigung in der Transformation«, wie die Delegierten auf dem Gewerkschaftstag beschlossen. »Wer die Beschäftigten nicht mitdenkt und an Investitionen spart, gefährdet nicht nur den Klimaschutz, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt«, mahnt die Gewerkschaft.
Wie die Industrie setzt auch die Metallgewerkschaft auf den Antriebswechsel zu Elektroautos, auf die »Konzertierte Aktion Mobilität«, auf Transformationsnetzwerke, wie sie beim Autogipfel im Kanzleramt vereinbart wurden: finanziert aus dem »Zukunftsfonds Automobil«. Allerdings ohne feste Zusammenarbeit mit der Umwelt- und Verkehrswendebewegung. Der IG Metall geht es vielmehr um den Erhalt der Autoindustrie, nicht um den öffentlichen Nahverkehr oder die Fahrradbranche, die beim Kongress nur beiläufig erwähnt wurden.
Die Planung der Transformation wird so in die Regionen verlagert. Aus Sicht der Beschäftigten entscheidet sich dort, ob der Wandel gelingt oder zu Arbeitsplatz- und Wohlstandsverlusten führen wird, heißt es aus der IG Metall. Das wirft auch in der Gewerkschaft grundsätzliche Fragen auf. »Ohne neuen Wohlstandsbegriff, ohne gesamtgesellschaftlichen Plan für die Verkehrswende wird das nicht funktionieren, sondern Stückwerk bleiben«, kritisierte der Delegierte Marc Treudel aus Aachen, selbst Betriebsratsvorsitzender bei einem E-Auto-Hersteller. »Die notwendige Transformation muss gegen das Kapital durchgesetzt werden.«
Die weitreichendere Forderung nach einer Vergesellschaftung der Produktionsmittel wurde zwar auch dieses Jahr formuliert, der Antrag aber lediglich »als Material an den Vorstand« weitergeleitet – anders als in einer vergleichbaren Krise vor 40 Jahren. Da wurde auf dem Gewerkschaftstag ein solcher Beschluss gefasst, was jedoch gesellschaftlich nicht durchgesetzt werden konnte. Damals arbeiteten noch 230 000 Menschen in der Branche. Seither hat sich die Industrie stark verändert: 150 000 Beschäftigte weniger, Diversifikation, Fusionen und Konzentration.
Doch auch heute will Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban »ein gutes Leben in Demokratie, in Solidarität und im Einklang mit der Natur«, wie er in seiner Rede betonte. Christiane Benner und ihr Vorstandsteam werden nun beweisen müssen, dass sie diesem Anspruch gerecht werden können.
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