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Die Berlin Volleys starten als Favorit, zwei Ostklubs mit Risiko
Königs Wusterhausen will die Insolvenz überleben, Aufsteiger Bitterfeld-Wolfen einen finanziellen Kraftakt stemmen
Ungewissheit – wenn an diesem Freitag die neue Saison der Männer-Bundesliga angepfiffen wird, begleitet die mittlerweile drei Volleyballklubs aus dem Osten Deutschlands vor allem dieses Gefühl. Ihre Ziele sind komplett unterschiedlich: vom Branchenprimus Berlin Volleys über den langjährigen Mittelfeldklub Netzhoppers Königs Wusterhausen bis zum Aufsteiger VC Bitterfeld-Wolfen. Ob sie erreichbar sind, weiß keiner von ihnen.
Die Berliner gehen als klarer Favorit in die neue Spielzeit. Es ist nicht nur acht Jahre her, seit sie letztmals nicht Meister wurden. Die Volleys haben zudem fast den kompletten Kern des letztjährigen Triple-Siegerteams gehalten. Nur Mittelblocker Anton Brehme zog es nach Italien. Da Nationalmannschaftskollege Tobias Krick den entgegengesetzten Weg ging, war auch diese Lücke schnell gefüllt. Beide hatten zuletzt gemeinsam mit den Berlinern Johannes Tille und Ruben Schott sensationell die Olympiaqualifikation geschafft. Die Spieler sind also auf einem mentalen Hoch. Körperlich aber, so fürchtet die Klubführung, sind die Probleme programmiert.
»Die Spieler haben eine sechs Monate lange Tortur hinter sich. Mit der Nations League war da zuerst im Prinzip eine rollende WM. Dann kam die Europameisterschaft und danach noch das Olympiaqualifikationsturnier«, umriss Geschäftsführer Kaweh Niroomand den ereignisreichen Sommer des Nationalteams. »Wir hatten das große Glück, dass dieses Turnier mit einem Riesenerfolg ausging. Der ist für den Volleyball in Deutschland gut. Es ist aber nicht überraschend, dass sich vier unserer Spieler verletzt haben.«
So fallen der US-Amerikaner Cody Kessel und Libero Satoshi Tsuiki aufgrund der Strapazen wochenlang aus. Beim Neuzugang Jiri Hänninen war eine Handverletzung gar so schwer, dass er den Medizincheck in Berlin nicht bestand und der Vertrag noch vor seiner Ligapremiere aufgelöst wurde. Die Volleys müssen also erst mal Löcher im Kader stopfen, und Niroomand macht den Weltverband FIVB dafür verantwortlich: »Was da gemacht wird, ist unverantwortlich. Das ist alles nur von kommerziellen Gedanken getrieben – auf dem Rücken der Vereine und auf Kosten der Gesundheit der Spieler.«
Dennoch werden die Saisonziele weiter offensiv formuliert: Alle drei Titel sollen verteidigt werden, und in der Champions League darf gern auch mal das Halbfinale erreicht werden. Die Nationalmannschaft habe gezeigt, dass es mit dem deutschen Volleyball aufwärtsgeht. Nun muss der neue Trainer Joel Banks das in den Klubvolleyball übersetzen.
Der erste Titel ist bereits in Sack und Tüten. Beim Bounce House Cup, der den Supercup abgelöst hat und alle Bundesligisten am vergangenen Wochenende in Hildesheim versammelt hatte, zeigten die Berliner mit drei klaren Erfolgen schon mal, wer der Herr im Haus bleiben will. Das erste Ligaspiel gegen Giesen am kommenden Freitag soll der zweite Höhepunkt sein. »Ein Sieg zur Saisoneröffnung ist immer ganz besonders wichtig«, meinte Banks, der offensichtlich trotz Verletzungsmisere eine frühe Trainerdebatte vermeiden will. Da sich kein anderer Verein signifikant verstärkt hat, ist diese Gefahr aber auch überschaubar.
In der unteren Tabellenhälfte verspricht die Volleyball-Bundesliga (VBL) nun aber mehr Spannung, schließlich haben nach vielen Jahren des Liga-Schrumpfens gleich vier Zweitligisten den Aufstieg gewagt: Freiburg, Dachau, Karlsruhe sowie Bitterfeld-Wolfen. »Nein, wir fühlen uns noch nicht erstligareif«, sagt Präsident Michael Eisel vom Klub aus Sachsen-Anhalt kurz vor dem Saisonstart. Zu vier Auswärtsspielen wolle man mit Kleinbussen anreisen und dort auch nicht übernachten. »Denn das wird für uns schon ein finanzieller Husarenritt«, so Eisel gegenüber »nd«.
Geht es aber in den Süden des Landes, steigen die Reisekosten pro Wochenende schnell auf 5000 Euro. »Damit sind wir in der 2. Liga fast über die gesamte Saison gekommen«, so Eisel. Immerhin sind seit dem Antrag auf die Vorlizenz gut 20 neue Sponsoren dazugekommen. Der Saisonetat wird nun auf etwa 450 000 Euro steigen. Zum Vergleich: Meister Berlin hantiert mindestens mit dem Sechsfachen. Der spielt seine Heimspiele auch vor bis zu als 8000 Zuschauern aus. »Bei uns passen 350 rein, weil in unserer Haupthalle die Tribünen kaputt sind«, gibt Eisel zu bedenken.
Den ehrenamtlich arbeitenden Rentner ärgert es, dass die kommunale Politik in der Hallenfrage nicht weiterhilft. Er hätte am liebsten eine neue, doch »Volleyball steht nicht im Fokus des Interesses beim Landrat. Aber wir müssen da dranbleiben. Denn wenn wir nach zwei Jahren nicht mal die Perspektive auf eine neue Halle haben, werden wir das Projekt 1. Bundesliga wahrscheinlich wieder einstampfen.«
Noch müssen die Bitterfelder weiter in die Friedersdorfer Bernsteinhalle ausweichen. Erstligatauglich ist die nicht, was TV-Bilder und Eventisierung betrifft, doch die VBL hat ihre Auflagen vorerst ausgesetzt, um den Zweitligisten den Aufstieg überhaupt zu ermöglichen. Selbst jetzt besteht die Liga nur aus zwölf Teams. Mindestens 14 sollen es mal werden. Daher muss kein Team in den kommenden zwei Jahren den Abstieg fürchten.
Diese Zusicherung hat immerhin dabei geholfen, dass Eisel mehrjährige Sponsorenverträge abschließen konnte. Für erfahrene Nationalspieler fehlt trotzdem das Geld. Dennoch ist man sportlich schon erstaunlich nah dran. Beim Bounce House Cup in Hildesheim sprang Platz sechs heraus. Sogar Vizemeister Friedrichshafen konnte im Viertelfinale ein Satz abgenommen werden.
Von solchen Erfolgen wagt Dirk Westphal kaum zu träumen, der nun die Geschicke in Königs Wusterhausen leitet. Obwohl die Netzhoppers seit Jahren in der Bundesliga spielen, sind sie derzeit näher an den Bitterfeldern als an den Berlinern. Die Profiabteilung war im April insolvent gegangen, eine neue soll am 6. November gegründet und Westphal ihr Geschäftsführer werden, bestätigte er gegenüber »nd«.
Bis August war nicht gesichert, ob es überhaupt im Oberhaus weitergeht. Kein Wunder also, dass außer Nachwuchslibero Gian-Luca Berger alle Spieler den Verein verlassen haben. »Wir setzen jetzt auf junge deutsche Talente. Viele kommen vom Olympiastützpunkt Berlin. Dazu bekommen Zweitligaspieler bei uns die Chance, sich zu beweisen«, beschreibt der Ex-Nationalspieler die neue Strategie.
Wie weit die Netzhoppers sportlich abgerutscht sind, zeigte Rang elf beim Bounce House Cup. Auch beim Ligastart an diesem Freitag in Lüneburg ist kaum ein Sieg zu erwarten, die Teilnahme an den Playoffs auch nicht, zumal man nach der Insolvenz mit dem Abzug von sechs Punkten für die neue Saison bestraft wurde.
Die Fans sollen nun über emotionalen Volleyball und nahbare Spieler begeistert werden. Dafür kehrt der Verein aus Bestensee zurück in die Paul-Dinter-Halle in Königs Wusterhausen. Die bietet maximal 1000 Fans Platz. Außerdem hängen Dachverstrebungen ein paar Zentimeter zu tief, doch auch den Netzhoppers kommen die gelockerten Auflagen zugute. Auch Westphal hätte gern eine neue Halle. Die politischen Herausforderungen dafür will er aber erst angehen, »wenn wir das erste Jahr überstanden haben«.
Kaweh Niroomand spricht nach der Expansion der Liga von einer Chance. Es werde aber ein paar Jahre dauern, bis die Vereine den nötigen Grad der Professionalisierung erreichen. Bis dahin fehlt es an sportlicher Dichte und den Volleys an guten Sparringspartnern für die schweren Aufgaben in der Königsklasse. Da die neuen Klubs auch keine Zuschauermagneten sind, dürfte ein Großteil der eigenen Halle häufiger leer bleiben, was wirtschaftlich problematisch sein kann. »Im Sinne der Gesamtentwicklung ist das dennoch der richtige Schritt«, so Niroomand. Schließlich soll Männer-Volleyball in Deutschland nicht auf ewig nur auf Berlin und Friedrichshafen reduziert bleiben.
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