Kurden in der Türkei: Schläge und Hohn

Prokurdische Aktivisten, die bei einem Solidaritätsbesuch in der Türkei festgenommen worden waren, sprechen über ihre dortige Haft

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie waren 15 in der internationalen Delegation: neun Deutsche, fünf Italiener*innen, ein Franzose, eingeladen in die Türkei vom Jugendrat der Grünen Linkspartei (YSP). Die Internationalist*innen wollten den verfolgten Kurd*innen in der Türkei und Syrien ihre Solidarität zeigen, sich vor Ort ein Bild davon machen, wie Repression im Alltag aussieht – und wie man sich dagegen wehren kann –, aber vor allem lernen aus den Erfahrungen beim Aufbau selbstverwalteter Strukturen für Frauen, Arbeiter und Jugendliche: in Istanbul, Diyarbakir (kurdisch: Amed) und Urfa (kurdisch: Riha). »Wir sind Jugendliche, die sich für die Lösung der kurdischen Frage interessieren, aus der Nähe besser begreifen wollen«, erklärte Delegationsmitglied Mia Lange bei einer Pressekonferenz am Donnerstag im Berliner Haus am Franz-Mehring-Platz (FMP1).

Aus der Delegationsreise wurde jedoch schnell ein Albtraum: Die Aktivist*innen wurden am 12. Oktober in Urfa von der Polizei verhaftet und landeten in einem türkischen Abschiebeknast. »Wir waren uns der Risiken in einem rechtsfreien Land wie der Türkei bewusst, aber das Ausmaß der Willkür an unseren Körpern hat uns geschockt«, berichtet Mia Lange. Man habe ihnen die Handys aus der Hand geschlagen, sie mit Kabelbindern gefesselt. Es kam zu schweren Misshandlungen, insbesondere an den männlichen Delegationsmitgliedern. Sie wurden ins Gesicht geschlagen, gedemütigt und verlacht. »Drei Tage lang wurde versucht, unsere Moral und unser Selbstbewusstsein zu brechen«, so Lange weiter.

Die Verhaftung kam überraschend für die Delegation: Diese hätte am 15. Oktober an einem Kongress der Grünen Linkspartei (YSP) teilnehmen sollen, die sich inzwischen in Hedep (Partei für Emanzipation und Demokratie der Völker) umbenannt hat. Am Tag der Verhaftung war die Gruppe auf dem Weg zu einer Pressekonferenz, auf der die YSP sowie die prokurdischen Parteien HDP (Demokratische Partei der Völker) und DBP (Partei der demokratischen Regionen) eine Erklärung zur jüngsten Angriffswelle der Türkei gegen die Autonomieregion Nord- und Ostsyriens (Rojava) verlesen wollten. Dazu kam es nicht mehr: Eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung hätten die Behörden die Pressekonferenz kurzerhand für illegal erklärt, berichten die Delegationsmitglieder.

»Die Festnahmen erfolgten vor Erreichen des Geländes der Pressekonferenz«, sagte per Videokonferenz die Hedep-Abgeordnete Dilan Kunt Ayan. Demnach gab es keine gesetzliche Grundlage für die Verhaftung, aber in der Türkei würden Richter die Gesetze nicht mehr beachten. Der Grund: »Der türkische Staat will nicht einsehen, dass europäische Jugendliche sich in den Kampf zwischen Kurden und Türken einmischen und Partei für die Kurd*innen ergreifen.« Die Delegation sieht auch eine Mitschuld Deutschlands an den Angriffen der Türkei auf die Kurd*innen in Syrien, weil man Interessen teile: »Wir wissen, wo der deutsche Staat steht: Er steht auf der Seite des türkischen Faschismus«, sagt Frido Wagner.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -