Berlin: Studi-Ticket ohne Anschluss

Studierendenvertretungen protestieren gegen Ende des Semestertickets

Mit einem offenen Brief protestieren Studierendenvertretungen gegen das Ende des Semestertickets. Die jetzt diskutierten Alternativen »können nicht das ersetzten, was das Semesterticket leistet«, heißt es in dem Brief, der sich an den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) und die Senatsverkehrsverwaltung richtet. Das Semesterticket in seiner aktuellen Form sei umweltfreundlich und erschwinglich, schreiben die Allgemeinen Studierendenausschüsse der Freien Universität und der Humboldt-Universität sowie der Berliner Hochschule für Technik. Es dürfe nicht gegen andere Ticketangebote ausgespielt werden. Unterstützt wird der Brief von den Präsidien der FU und der HU, dem Studierendenwerk Berlin sowie zahlreichen hochschulpolitischen Gruppen.

Die Erfolgsaussichten des Anliegens sind allerdings eher begrenzt: Mitte Oktober hatte die Senatsverkehrsverwaltung angekündigt, dass sie nicht davon ausgehe, dass das Semesterticket weiterbestehen werde. Der Grund: Mit der Fortführung des 29-Euro-Tickets gibt es nun eine günstigere Ticketoption, die nicht nur Studierenden zusteht. Das Semesterticket kostet dagegen aktuell 32,30 Euro im Monat. An der Technischen Universität und der Hochschule für Technik und Wirtschaft gibt es bereits seit Beginn des Wintersemesters kein Semesterticket mehr.

Die Zeit drängt: Im Dezember beginnt an den Hochschulen die Rückmeldung für das Sommersemester und damit auch der Einzug von Gebühren. Liegt bis dahin kein Vertragsabschluss zwischen VBB und Studierendenvertretungen vor, entfällt das Ticket automatisch. Ob der VBB überhaupt ein neues Angebot vorlegen wird, ist aktuell noch unsicher.

Die Studierendenvertretungen weisen in ihrem Brief auf Vorteile des Semestertickets hin, die das 29-Euro-Ticket nicht ersetzen könne. So gilt das Semesterticket auch im Tarifbereich C, also dem Berliner Umland, das 29-Euro-Ticket hingegen nur im AB-Bereich. Wegen der hohen Mieten in der Stadt seien aber immer mehr Studierende gezwungen, außerhalb Berlins Wohnungen zu mieten, schreiben die Studierendenvertreter. »Da ein einziger Anschlussfahrschein in den C-Bereich bereits zwei Euro kostet, ist kein wirklicher Preisvorteil zum Semesterticket gegeben«, heißt es in dem Brief. Zudem erlaubt das Semesterticket im Gegensatz zum 29-Euro-Ticket die kostenfreie Mitnahme von Fahrrädern.

Der Preis für das Semesterticket könne für Härtefälle gesenkt oder sogar ganz übernommen werden, schreiben die Studierendenvertreter weiter. »Für Studierende in schwierigen Lebenssituationen ist dies oftmals die einzige Möglichkeit, den Nahverkehr zu nutzen«, heißt es in dem Schreiben. Beim 29-Euro-Ticket sei der Preis dagegen für alle gleich. Zudem sei die Zukunft des 29-Euro-Tickets ungewiss. »Das Semesterticket für eine derart unsichere Lösung aufzugeben, halten wir für hochgradig unverantwortlich.«

»Das 29-Euro-Ticket ist nicht adäquat für die Interessen von Studierenden«, sagt ein Vertreter des Asta an der FU gegenüber »nd«. »Das ist ein ganz anderes Modell als das Semesterticket.« Das Semesterticket sei ein solidarisches Modell, das die Studierendenvertretungen selbst aushandeln. »Wir wollen nicht abhängig von politischen Entscheidungen sein«, sagt der Vertreter. Einmal abgeschafft könnte das Ticket nur mit großen Hürden erneut eingeführt werden. Es wäre eine Urabstimmung unter den Studierenden notwendig, außerdem müsste die bei den Studierendenvertretungen angesiedelte Verwaltung der Semesterticketangelegenheiten neu aufgebaut werden.

Der Senat zahlt bereits seit Längerem einen Zuschuss, um den Preis bei 32 Euro zu deckeln. Im vergangenen Jahr erhöhte die damalige Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) den Zuschuss, um den Preis des Semestertickets unter den des 29-Euro-Tickets zu drücken. In der neuen Koalition stieg der Preis aber wieder auf 32 Euro. »Die beste Möglichkeit wäre, wenn der Zuschuss steigt«, sagt der Asta-Vertreter. Denn eigentlich sei das Berliner Ticket im Vergleich zu anderen Bundesländern immer noch relativ teuer.

In der kommenden Woche wollen die Studierenden nun vor dem Bundeskanzleramt für den Erhalt des Semestertickets demonstrieren. Zumindest ein bisschen Hoffnung können sie sich machen: Der VBB hat die Studierendenvertretungen zu einer Gesprächsrunde eingeladen. Keine Chance gibt es dagegen bei Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU). »Die Senatsverwaltung hat es abgelehnt, mit uns zu reden«, sagt der Studierendenvertreter.

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