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Ghana: Im fünfköpfigen Drachen gen Paradies
Ghanas bunte Särge: Hüllen für ein ideales Leben nach dem Tod
Gomoa Mpota liegt unter der Mittagshitze. Im Städtchen zwischen Accra und Cape Coast scheint der Transitverkehr die Ruhe nicht zu stören. Die Küstenstraße N1, an der Gomoa Mpota liegt, ist Ghanas meistbefahrene Chaussee. Sie verbindet das Land mit seinen Nachbarn Togo und der Elfenbeinküste.
Ziegen beobachten den vorbeisausenden Verkehr: Mopeds, klapprigen und nagelneue Autos, Lastkraftwagen mit Bananenstauden. Ein paar Früchte kleben breitgerollt auf dem Asphalt. Als die Fahrbahn einen Moment lang frei ist, holen sich die Tiere endlich ihren süßen Snack und reinigen damit zugleich die Straße, bis die nächste Blechlawine anrollt.
- Anreise: Es gibt keine Direktflüge von Deutschland in Ghanas Hauptstadt Accra. Verbindungen mit nur einem Stopp bieten z. B. Lufthansa oder Brussels Airlines via Brüssel, KLM via Amsterdam oder Turkish Airlines via Istanbul.
- Einreise: EU-Bürger benötigen für die Einreise ein Visum, für dessen komplizierte und aufwendige Beantragung genügend Zeit eingeplant werden sollte (https://ghanaemberlin.de).
- Übernachten: Ein modernes, preiswertes City-Hotel in Accra mit gemütlichen Zimmern und sehr guter Gastronomie ist das Urbano (www.urbanohotel-ghana.com). Weitere empfehlenswerte Unterkünfte in Ghana sind das 4-Sterne-Hotel The Royal Senchi (www.theroyalsenchi.com), das Golden Hill Parker in Elmina (www.booking.com) und die Tagbo Falls Lodge (www.joli-ecotours.com).
- Reiseveranstalter: Der nachhaltig orientierte Leipziger Afrika-Spezialist Akwaba Travel bietet verschiedene 13- bis 16-tägige Privat- und Gruppenreisen ab 2490 € an, u. a. mit Besuchen ghanaischer Figurensargmanufakturen (https://akwaba-afrika.de).
- Auskunft: Es gibt keine touristische Website des Landes. Für Fragen stehen Botschaft und Reiseveranstalter zur Verfügung.
In der Tischlerei von Serious und Florence Hanson hört man keinen anderen Motorenlärm als den vom Highway. Durch die Werkstatt schallt gleichmäßiges Scheuern von Sandpapier auf Holz. Mal wird gesägt, mal wird gehobelt. Hin und wieder klopft und klappert es. Jedes Geräusch entsteht durch manuelle Arbeit. Beim Volk der Ga-Adangbe, zu dem die Eheleute Hanson zählen, pflegt man das Handwerk noch im wahren Wortsinn.
Tote sollen sich wohlfühlen
Gomoa Mpota liegt in der Zentralregion, 10 Kilometer vom nächsten Strand und 60 von der Hauptstadt, hat einen Markt und wenige Geschäfte. Ein Ziel für reguläre Shoppingtouren ist es nicht. Wer aber ausgefallene Ideen für ein Begräbnis sucht, findet sie hier mit Garantie. Denn in puncto »Hülle für die letzte Reise« erfüllt die Tischlerei »Serious Wood Works Fantasy Coffins« auch die schrägsten Wünsche. Fast alle Auftragswerke sind so bunt und fröhlich, dass man sie auf den ersten Blick für Kinderspielzeug halten könnte.
»Die meisten unserer Kunden wollen sich in einem Sarg bestatten lassen, der zum Beruf oder Charakter passt«, erläutert Firmenchef Serious Hanson. Denn im Glauben seines Volkes ist der Tod nur der Anfang einer neuen Daseinsweise. Von einem Sarg, der auf den Toten zugeschnitten ist, erhofft man sich für ihn ein ideales Leben nach dem Tod. Die beiden Fische und das Boot dort drüben baute er für Fischer, das Buch für einen Lehrer. In dem Schraubenschlüssel soll einmal der Leichnam eines Autoschlossers ruhen.
Sehr populär bei Leuten aus der Landwirtschaft seien Särge in der Form von Früchten. Beispiele dafür zeigt Serious auf Fotos: Gurken, Kürbisse und Chilischoten. Und was hat es mit der grünen Riesenflasche auf sich? In großen Lettern liest man darauf: »Aromatic Schnaps«. Tatsächlich war auch sie ein Sarg – »für einen Alkoholiker«, wie Serious verrät.
»Wichtig ist, dass sich die Toten wohlfühlen«, sagt Florence Hanson, seine Frau und Partnerin, und verweist darauf, dass die Verstorbenen vom Jenseits aus enormen Einfluss haben auf das Leben ihrer Hinterbliebenen. In der Hoffnung auf Belohnung gebe man sich sehr viel Mühe, seine Ahnengeister wohlgesonnen zu stimmen. Die Mehrzahl der nicht eben billigen Bestellungen komme deshalb von den Angehörigen, so Florence.
Die Tradition der vielgestaltigen und farbenfroh bemalten Totenschreine ist noch keine 100 Jahre alt. Kulturell verwurzelt ist sie in Religion und Brauchtum der Ga-Adangbe. Die aufwendig verzierten Sänften, in denen sie einst bei rituellen Festen ihre Stammesoberhäupter trugen, lieferten Kunsthandwerkern wie Ataa Oko Addo (1919–2012), Ataa Owuo (1904–1976) und Seth Kane Kwei (1925–1992) die Vorlage für die Figurensärge, die seit den 1940er Jahren entstanden.
Der vermutlich allererste war ein Krokodil – das Familientotem der Ehefrau eines Herrschers, die darin ihren Weg ins jenseitige Dasein finden sollte. Ebenso wie bei den Sänften blieben die meisten Tiermotive aus spirituellen Gründen auch für Särge Privileg der Oberhäupter. Für gewöhnlich Sterbliche tabu sind deshalb etwa Elefanten, Löwen, Hähne oder Krabben. Auch Standes- oder Machtsymbole wie Thron, Stuhl oder Schwert sind nur den Obersten erlaubt.
Im Handy in die Ewigkeit
Ein junger Mann mit Sägespänen in den kurzen schwarzen Haaren lüftet den Deckel einer unfertigen Leichenkiste. Oder sollte man besser sagen: Er hebt das Dach von einer Kirche? Geselle Kwaku (deutsch: »Mittwoch«) präsentiert sein aktuelles Glanzstück, einen Sarg in Form eines Gotteshauses. Mit seinem hohen Spitzdach und zwei Türmen wirkt das Gebilde gerade groß genug, um einen Menschen in sich aufzunehmen.
Wer diese Ehre haben wird, weiß Kwaku schon: »Ein Priester.« Bis auf Weiteres sei der jedoch noch ganz lebendig und walte in der echten Kirche täglich seines Amtes. Doch sobald dem frommen Mann das Stündlein schlägt, steht sein Refugium fürs Totenreich bereit. Den Auftrag dazu hat er selbst erteilt – so wie viele Kunden hier. »Manchmal kommen sie vorbei, um sich an den Särgen zu erfreuen«, so der Geselle. Auch gibt es Kunden, die ihren Sarg mit nach Hause nehmen.
Geliefert und bezahlt wird in der Regel jedoch erst kurz vor der Trauerfeier. Serious zeigt auf rund ein Dutzend angestaubter Auftragswerke in den Werkstattecken, darunter – jeweils menschenkörpergroß – ein Telefon, ein Geldscheinbündel, eine Trommel. »In diesem Pick-up beispielsweise möchte ein Berufskraftfahrer ruhen. Der Mann ist quicklebendig. Sein Sarg steht schon seit 15 Jahren hier.«
Wie für die meisten seiner Särge wird der Tischler eines Tages etwa 300 Euro (185 Euro beträgt das durchschnittliche monatliche Bruttoeinkommen in Ghana) dafür kriegen. Jeder kostet ihn im Durchschnitt einen Monat Arbeitszeit. Als Material nutzt Serious das weiche Holz des einheimischen Wawa-Baums (deutscher Handelsname: Abachi), nur für Sammlerstücke haltbareres Mahagoni.
Daraus hat er auch den fünfköpfigen Dämon hergestellt. Der wohl ungewöhnlichste Figurensarg in seiner Werkstatt ist der einzige, für den er keinen Auftrag hatte. Obwohl man meint, gewisse Ähnlichkeiten mit den Thronen ghanaischer Herrscher zu erkennen, ist die hohle Bestie ein reines Phantasieprodukt. »Die Werbung eines Yoga-Studios hat mich dazu inspiriert«, vertraut der Kunsthandwerker dem Besucher an. Ob er selbst einmal in diesem Sarg beerdigt werden wolle? »Nein«, entgegnet Serious bestimmt, »in einem Hobel.« Als Tischler eben, ganz konservativ.
Die Recherche zu diesem Beitrag wurde von Akwaba Travel unterstützt
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