- Kommentare
- Ampel-Koalition
Behäbige SPD als Klimablockiererin
Lasse Thiele über eine Kanzlerpartei, die sich zwischen FDP und Grünen nicht profilieren kann
Klimabewegung, Umweltverbände, Journalist*innen: Sie alle arbeiten sich seit zwei Jahren an der FDP ab. Die liefert zuverlässig die schrille Bühnenshow des fossilen Kapitalismus, verspricht bequeme Marktregulierung oder funkelnde Hightech-Innovationen und zieht eine in Fachkreisen längst desavouierte Scheinlösung nach der anderen aus dem Hut. Klimapolitik ist dabei ein repräsentativer Fall: Die Ampel-Regierung präsentiert sich als Dauerkonfrontation zwischen linksliberalen Grünen und rechtsliberaler FDP.
Aber war da nicht noch wer? Die SPD agiert in der Ampel als unauffällige Moderatorin. Sie wurde mutmaßlich zur Kanzlerpartei, weil ihr Kandidat die glaubwürdigste Kontinuität zur Merkel-Ära versprach. Ihre Geräuschlosigkeit ist – siehe Merkel – der weit wichtigere Erfolgsmaßstab als ihre politischen Projekte, die wahrscheinlich kaum eine Wählerin benennen könnte. In der Statik der Ampel-Koalition dienen die Grünen als Blitzableiter für rechte Kritik, die FDP für linke. Dazwischen scheint die unmittelbare Brandgefahr gering.
Was bedeutet das klimapolitisch? Die blockierende Rolle der SPD ergibt sich schon daraus, dass sie nach der Episode des neoliberalen Kahlschlags längst wieder zu einer Partei der Bestandsverwaltung geworden ist – und der ökonomische Bestand ist nun mal weitgehend fossil. In der klimapolitischen Substanz ist die SPD schließlich nicht so weit von der FDP entfernt. Sie spart sich bloß deren offensive Verzögerungstaktiken und verspricht ihrer weit größeren Zielgruppe hauptsächlich Gemächlichkeit, also defensivere Verzögerung: Transformation im Schritttempo und jederzeit mit ein paar Schritten rückwärts, wenn es standortpolitisch erforderlich scheint. Indem man der Industrie nicht zu viel abverlangt, lässt sich auch den Gewerkschaften als immer noch relevante Machtbasis der SPD das einfachste Zugeständnis machen – einfacher als unbequemere gewerkschaftliche Forderungen aufzugreifen, die sich gegen Kapitalinteressen richten.
Lasse Thiele arbeitet im Konzeptwerk Neue Ökonomie am Thema Klimagerechtigkeit.
Die SPD ist somit maßgeblich verantwortlich für den klimapolitischen Ausfall der Ampel-Regierung. Sie bleibt Teil des bundesrepublikanischen Granitblocks, an dem sich die Klimabewegung die Zähne ausbeißt. Kohle, Auto, Gas, Chemie: Welche Industrie auch immer nennenswerten CO2- oder Methanausstoß zu verantworten hat, kann sich eifriger SPD-Unterstützung sicher sein.
Derzeit sieht es kaum danach aus, als würde der Partei speziell diese klimapolitische Haltung zum Verhängnis. Und doch hat sie ein Problem: Umfragewerte und jüngste Wahlergebnisse der SPD sind unterirdisch. Mit spätneoliberaler Bestandsverwaltung kann sie der aktuellen Rechtsverschiebung nichts mehr entgegensetzen. So sehr sie Letzterer nun migrationspolitisch hinterherläuft, gewinnt sie damit aber keine Stimmen: Wer rechte Politik will, wählt eines der verfügbaren Originale. Auch der routinemäßige verbale SPD-Linksschwenk vor jeder Wahl ist keine verlässliche Taktik. Totgesagte mögen zwar länger leben, und die SPD wurde schon oft abgeschrieben – aber diesmal geht es nicht ums langsame Eingehen an der eigenen Behäbigkeit, sondern ums Überrolltwerden in einem sich rapide verändernden politischen Kontext.
Ein Gegengewicht zur Rechtsverschiebung kann nur bilden, wer ernsthaft und glaubwürdig für eine Politik der Solidarität einsteht und auch klimapolitische Antworten bietet. Dafür scheint die Partei zu unbeweglich. Für progressive Kräfte könnten dadurch Öffnungen entstehen: Entweder – das unwahrscheinlichere Szenario – die SPD beginnt, sich für ihre Forderungen zu öffnen. Oder – wahrscheinlicher – sie wird zunehmend irrelevant. In letzterem Fall gäbe es zwar einen etablierten Klimablockierer weniger. Offen bliebe aber die Frage, ob der so geöffnete Raum von linken oder rechten Kräften eingenommen wird.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.