Waldbrände in Brandenburg 2022: 125-mal Feuerteufel

Brandenburgs Umweltminister Vogel übergibt »Einsatzmedaille Waldbrände«

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 5 Min.

Jeder vierte Waldbrand des Jahres 2022 in Brandenburg wurde absichtsvoll gelegt. Als Umweltminister Axel Vogel (Grüne) am Donnerstag die diesjährige »Einsatzmedaille Waldbrände« übergab, wollte er besonders die unverzichtbare Hilfe der zuständigen Förster bei der Waldbrandbekämpfung würdigen.

Laut Minister Vogel hat es in der vergangenen »Saison« 523 Waldbrände im Bundesland gegeben, die insgesamt 1426 Hektar Wald geschädigt hatten. Leider seien solche Brände inzwischen der Regelfall geworden. Damit nehme 2022 als »brandheißes Jahr« einen traurigen Rekord in der Waldbrandstatistik ein. So viel und so umfassend hat es noch niemals gebrannt. Als positiv wertete er, dass nur vier dieser Brände ein Ausmaß von mehr als 100 Hektar hatten, also als »Großschadensereignis« eingestuft werden mussten. Alle übrigen Brände konnten in einem relativ frühen Stadium bekämpft und somit klein gehalten werden. Weil es im Sommer des zu Ende gehenden Jahres 2023 verhältnismäßig viel geregnet hat, wird eine ähnliche Jahresbilanz nicht erwartet.

In 125 Fällen wurden Vogel zufolge im vergangenen Jahr die Waldbrände gelegt, es waren also Feuerteufel am Werk. »Das ist eine gewaltige Zahl«, fügte er hinzu. Und man müsse von einer Dunkelziffer ausgehen, das heißt, nicht alle absichtlich gelegten Brände wurden auch als solche erkannt. Nicht immer lasse sich die Ursache eindeutig klären, die viel zitierte Glasscherbe komme als Entzündungsgrund möglicherweise viel seltener in Betracht, als immer geglaubt werde. Fünf Prozent aller Feuer seinen durch Blitzeinschlag entstanden. Zumeist waren es wohl menschliche Unachtsamkeit, Fahrlässigkeit oder bedenkenloses Verhalten, was die Brände schließlich ausgelöst hatte. Weitere Ursachen sind auch illegale Müllkippen und illegales Campen.

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All diese Überlegungen werden aber hintangestellt, wenn es brennt und es gilt, den Brand zu löschen. Carola Tippmann (Oberförsterei Potsdam), Romeo Buder (Oberförsterei Lieberose) und Philipp Haase (Oberförsterei Wünsdorf) gehören zu denen, die sich nicht geschont haben, bis die Brände in ihrem »Beritt« unter Kontrolle und schließlich gelöscht waren. Der Minister überreichte ihnen und acht weiteren Mitarbeitern die »Einsatzmedaille Waldbrände 2022« für ihren Beitrag zum »reibungslosen Miteinander«.

Mit »Engagement und Herzblut«, vor allem aber mit ihren Ortskenntnissen hätten die Förster einen wichtigen Beitrag geleistet und seien für die anrückenden Feuerwehrleute unverzichtbar gewesen, sagte Vogel. Nicht selten seien sie dabei »bis an die Grenzen der Belastbarkeit« gegangen. Die Ehrenmedaille für Brandbekämpfung ist vor einigen Jahren von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) gestiftet worden.

Neben der ungewöhnlich starken Trockenheit in den vergangenen Jahren waren weitere Gründe dafür ausschlaggebend, dass die Brandbekämpfung im waldreichsten Bundesland unter erschwerten Bedingungen erfolgt. Nach der Wende 1990 wurden die märkischen Wälder nicht mehr beräumt, sondern es verblieb vielerorts Totholz im Wald. Damit sollte den Tieren ein vielfältiger Lebens- und Deckungsraum geschaffen werden, es waren also Naturschutzgründe für diese Entscheidung ausschlaggebend.

Im Brandfall allerdings wirken diese Totholz-Lager wie Beschleuniger, sie erzeugen eine Art Schmiedefeuer, das extrem heiß ist, sich tief in den Boden hineinfrisst und ein Vielfaches an Löschwasser erfordert. Ganz zu schweigen davon, dass in dieser Situation eine viel längere Brandwache gehalten werden muss, weil die Gefahr des erneuten Ausbrechens eines offenen Feuers viel größer ist.

Die Waldpflege nach der Wende ließ auch deshalb zu wünschen übrig, weil vielerorts die Brand- und Wundstreifen, wie sie in den DDR-Jahren angelegt wurden und die Wälder durchzogen haben, nicht mehr vorhanden sind. Um sie hat sich niemand gekümmert, man hat sie sich selbst überlassen, sie sind einfach zugewachsen. Noch vor 30 Jahren wurden Feuer durch solche Streifen aufgehalten, doch durch die Vernachlässigung wurde der ungehinderte Durchgang für den Brand geschaffen. Nicht zu reden davon, dass Löschtechnik gar nicht mehr an bestimmte Einsatzorte vordringen kann, während die Brandstreifen von einst diese Anfahrt noch gestattet hatten.

Nach 1990 wurde die einheitliche staatliche Forstverwaltung und -bewirtschaftung aufgelöst, der Wald privatisiert. Die Eigentumsstruktur der unendlich vielen Klein- und Kleinstwaldbesitzer trägt ebenfalls nicht zu einem effektiven Brandschutz beziehungsweise Löscheffektivität bei. Das seit Jahrzehnten bestehende Netz der Freiwilligen Feuerwehren in den dünn besiedelten Flächen des Landes hat Risse und Löcher. In überalterten Dörfern, aus denen die Jungen in den vergangenen 30 Jahren weggezogen sind, ist die Feuerwehr oft genug gar nicht mehr bestückt. Und dort, wo eine Wehr noch besteht, ist ihre Tages-Einsatzbereitschaft nicht mehr gegeben, weil die Feuerwehrleute oft Dutzende von Kilometern entfernt einer Arbeit nachgehen. Ein nicht selten ungelöstes weiteres Problem: Die Lohnfortzahlung im Einsatzfall.

Der Präsident der Feuerwehren Brandenburgs, Rolf Fünnig, hat eine Korrektur bei der Waldbewirtschaftung angemahnt. Er forderte die erneute Anlage von Brandschneisen. Die Konzeption der Waldbewirtschaftung, wie sie nach dem Ende der DDR auch in Brandenburg verbindlich wurde, hat sich nach seinen Worten »aus Sicht der Brandbekämpfung als Fehler erwiesen«. Gleiches gelte auch für das Prinzip, Waldflächen sich selbst zu überlassen, um als Urwald weiterzuexistieren.

Sind also die »naturbelassenen« Regionen in Brandenburg besonders gefährliche Brandherde? Offenbar. Umweltminister Axel Vogel (Grüne) sieht aber vor allem die vorherrschende Kiefern-Monokultur als Hauptgrund für sich rasch ausbreitende Waldbrände an. »Bei uns brennen Kiefern und nicht die Laub-Mischwälder«, sagte Vogel bei einer diesbezüglichen Pressekonferenz vor einiger Zeit. »Am besten brennen Kiefernnadeln, da zieht das Feuer rasch durch.« Rund 95 Prozent der offenen Feuer im Wald seien »Bodenfeuer«.

Verstärkt werde das Problem dadurch, dass in bedeutenden Regionen die Munitionsbelastung den Einsatz der Feuerwehr gefährlich mache, sagte Vogel bei der Auszeichnungsveranstaltung am Donnerstag in Potsdam. »Dieses Problem haben Bayern und Baden-Württemberg nicht.« Laut Ministerium bleibt es beim Ziel, zwei Prozent der Landesfläche als Wildnisgebiet auszuweisen, in denen es keine menschliche Nutzung geben darf.

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