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Alba Berlins Frauen fordern deutschen Meister heraus

In Windeseile ist Alba Berlin auch im Frauen-Basketball zum Titelanwärter aufgestiegen

Nationalspielerin Marie Bertholdt (li.) spielt seit Kurzem erfolgreich für Alba Berlin.
Nationalspielerin Marie Bertholdt (li.) spielt seit Kurzem erfolgreich für Alba Berlin.

Nach sechs Jahren im beschaulichen Marburg verlangte es Marie Bertholdt nach einer neuen Herausforderung. In Hessen war sie zur Basketball-Nationalspielerin gereift, wurde Kapitänin des Bundesligateams und sogar beste deutsche Punktesammlerin der DBBL. Eine weitere Entwicklung aber konnte sie offenbar nicht mehr voraussehen, hatte der BC Marburg doch nicht einmal die Playoffs erreicht. Also wechselte sie den Verein. Doch es zog sie nicht zu einem Finalisten, sondern zu einem Klub, der gerade einmal ein Jahr überhaupt in der Frauen-Bundesliga mitspielt. Und die Begründung verblüfft noch mehr: »Wenn man sich im deutschen Basketball verbessern will, ist Alba Berlin die perfekte Adresse dafür. Der Verein bietet die Unterstützung und hat die nötigen Strukturen. Da war es für mich ganz klar, dass ich mich hier persönlich, aber auch als Teamspielerin verbessern kann«, blickt Bertholdt zurück. Tatsächlich hat es der Männer-Serienmeister Alba Berlin auch bei den Frauen in kürzester Zeit geschafft, zu einem der beliebtesten Klubs zu werden.

Das gilt mittlerweile auch sportlich. Schon in der vergangenen Saison gelang den Aufsteigerinnen überraschend der Halbfinaleinzug. Zum Start der neuen freute sich Trainer Cristo Cabrera über einen noch besseren Start: Fünf Siege aus sechs Spielen bedeuten Tabellenrang zwei. Und an diesem Samstag steht das Spitzenspiel bei den noch ungeschlagenen Meisterinnen aus Keltern an. Chancenlos ist Alba längst nicht mehr.

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Dafür hat der Klub Geld in die Hand genommen und in vier Jahren kontinuierliche Aufbauarbeit in sein Frauenteam gesteckt, seitdem er beschlossen hatte, Mädchen und jungen Frauen im Basketball eine bessere Perspektive zu bieten, anstatt nur Cheerleaderinnen bei Männerspielen zu sein. Diese wurden 2019 abgeschafft. Seitdem stiegen Albas Frauen bis in die Bundesliga auf und spielen nun schon oben mit. »Auch wenn Alba letztes Jahr noch Aufsteiger war, sagt der Klub doch schon seit vielen Jahren, dass er den Frauen-Basketball richtig angehen will«, sagt Bertholdt gegenüber »nd«. »Über die Jahre hat er Strukturen dafür geschaffen, dass es auch in der Bundesliga vernünftig läuft. Das hat sofort funktioniert, und darauf wird man sogar noch aufbauen können.«

Die von der Flügelspielerin angesprochenen Strukturen wuchsen natürlich nicht aus dem Nichts heraus. In vielen Bereichen profitieren die Frauen von dem, was der Klub in Jahrzehnten für die Männer aufgebaut hat: Beide Teams trainieren mittlerweile in derselben eigenen Halle, auch wenn dafür männliche Jugendmannschaften umziehen mussten. Sie greifen zudem im Individualtraining und bei Leistungsdiagnosen auf dasselbe Personal zurück. »Natürlich profitieren wir von der Männer-Mannschaft. Aber einen besonderen Fokus auf die Frauen zu legen, ist dennoch etwas ganz Besonderes. Wir haben eigene Coaches, Athletiktrainer und Physiotherapeuten in Vollzeit, die einfach die ganze Zeit da sind, um jede Spielerin besser zu machen und gesund zu halten«, berichtet Bertholdt.

»Das war der größte Push, den wir unserem Frauenteam geben konnten. Die Synergien helfen uns sehr«, sagt auch Sportdirektor Himar Ojeda, der beide Teams verantwortet und mittlerweile auch bei allen Heimspielen der Frauen in der Sömmeringhalle auf der Tribüne sitzt. Die komplett luxusfreie Arena in Charlottenburg, in der einst auch Albas Männer in den Anfangsjahren ihre Partien ausrichteten, bevor sie in die Max-Schmeling-Halle und später in den modernen Multifunktionstempel am Ostbahnhof umzogen, ist seit gut einem Jahr zur Heimat der Frauen geworden. Und sie lieben es dort. In der 2. Liga spielten sie noch in einer besseren Trainingshalle, in der kaum mehr als Freunde und Familie am Rand Platz zum Zuschauen fanden.

Um mehr Aufmerksamkeit aufs Frauenteam zu lenken, wurden zunächst Doppelspieltage mit den Männern in deren großer Arena veranstaltet. »Darüber reden wir heute aber gar nicht mehr«, berichtet Ojeda im nd-Gespräch. »Selbst bei normalen Bundesligaspielen ist die Sömmeringhalle zu drei Vierteln voll. Damit habe ich so schnell gar nicht gerechnet.« Tatsächlich hat sich eine feste Fangemeinde rund ums Frauenteam gebildet. Weniger Anzugträger, dafür mehr Kinder und Frauen sitzen hier auf den harten Bänken. Die 1000er-Grenze wird fast immer gerissen. Der Schnitt lag schon in der vergangenen Spielzeit bei 1661. Kein Verein in der DBBL kommt da derzeit heran, die meisten anderen Arenen fassen nicht einmal so viele Zuschauer.

Klar ist aber auch: Das Frauenteam trägt sich finanziell noch nicht selbst. Alba pumpt kräftig Ressourcen in das Projekt, ohne öffentlich irgendeinen Druck aufzubauen, dass sich daran mittelfristig etwas ändern müsse. Zunächst soll weiter investiert werden. »Ich kann mir vorstellen, dass Alba irgendwann eine eigene Sportdirektorin für den Frauen-Bereich einführt, weil es schon viel Arbeit für mich ist«, sagt Himar Ojeda. »Aber wir wollten erst einmal organisch von unten wachsen, haben also in Trainer, Physiotherapeuten, Ärzte und natürlich die Entwicklung der Spielerinnen investiert.«

Weil der Verein Verluste anderweitig ausgleichen kann, hat Alba einen Wettbewerbsvorteil. Reine Frauenklubs wie jene aus Marburg oder Keltern müssen an anderen Stellen sparen, um ein gutes Team zusammenzustellen. »Die Spielerinnen, die zu uns wechseln, schwärmen über unsere Auswärtsreisen, weil wir immer darauf achten, so früh anzureisen, dass alle noch was essen und sich ausruhen können, bevor es losgeht. Ist der Anpfiff zu früh dafür, fahren wir am Vortag hin und nehmen ein Hotel. Genauso ist es, wenn ein Spiel zu spät endet. Damit sind wir einzigartig«, weiß Sportdirektor Ojeda.

Auch wenn mittlerweile fast die Hälfte des Teams als Vollprofi arbeitet, ist das aber längst noch nicht die Regel. Der Begriff Profi ist zudem etwas irreführend. »Die meisten machen irgendwas nebenbei. Ich habe in Marburg auch studiert«, sagt Marie Bertholdt. Sie könne von dem Gehalt bei Alba zwar leben, aber für die Zeit nach der Karriere reiche das nicht. Also ist es Pflicht, sich neben dem Sport aufs Berufsleben danach vorzubereiten. »Da ist noch viel Luft nach oben, wenn man es mit anderen Sportarten oder den Männern vergleicht.«

Andere Länder wie Spanien und die Türkei sind dem deutschen Basketball hier weit voraus. Auch Alba Berlin kann mit den dortigen Gehaltsstrukturen noch nicht mithalten, weshalb von den derzeitigen deutschen Nationalspielerinnen auch nur vier in der Bundesliga aktiv sind. Keine davon ist Stammkraft im Team des Deutschen Basketball-Bunds. Alba hat zumindest den Anspruch, den eigenen Nachwuchs irgendwann dorthin zu bringen. »Wir könnten uns definitiv Spielerinnen leisten, die aktuell schon auf einem höheren Niveau sind. Aber das ist nicht Albas Philosophie. Wir wollen junge Basketballerinnen selbst zu diesem Niveau weiterentwickeln«, so Ojeda. Der Ansatz der Kontinuität habe schließlich auch bei den Männern jahrelang zum sportlichen Erfolg geführt.

Bei den Frauen ging das sogar noch schneller. Es gibt zwar keine Stars unter den Berlinerinnen. Dafür besticht das Team im typischen Alba-Stil mit einem vielseitigen Angriff, dessen Last auf viele Schultern verteilt wird, und mit starker Defensive. Allein bei den Heimsiegen gegen Freiburg am vergangenen Sonntag und gegen Aufsteiger Leverkusen (Mittwoch) zog Alba jeweils im dritten Viertel davon, als man die Gegnerinnen in jeweils zehn Minuten nur acht beziehungsweise sieben Punkte sammeln ließ. »Wenn wir unseren Fokus auf die Defensive legen, und das haben wir wieder in diesen Vierteln gemacht, dann profitiert auch unsere Offensive davon«, analysiert Berthold das Erfolgsrezept ihres neuen Teams. An diesem Samstag soll in Keltern getestet werden, ob das auch beim deutschen Meister schmeckt.

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