Druck am Ende der Lieferkette

Beschwerde gegen Rewe und Edeka wegen Menschenrechtsverletzungen auf Bananenplantagen

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 4 Min.
Auf einer Bananenplantage in Ecuador
Auf einer Bananenplantage in Ecuador

Seit knapp einem Jahr hat Deutschland ein Gesetz, das Unternehmen verpflichtet, in ihren globalen Lieferketten für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards zu sorgen. Im Falle von Verstößen können betroffene Arbeiter*innen und Organisationen Beschwerden beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) einreichen. Eben solche Missstände ermittelt Oxfam in den Lieferketten deutscher Supermarktketten seit Jahren. Im Fokus der Entwicklungsorganisation stehen die vier Größten der Branche: Rewe, Aldi, Lidl und Edeka, die 85 Prozent der Marktmacht auf sich vereinen. Konkret geht es um den Anbau von Bananen und Ananas auf Plantagen in Costa Rica und Ecuador. Im Sommer informierte Oxfam die Unternehmen über die Verletzung von Arbeits- und Menschenrechten bei ihren Zulieferern. »Sie bezahlen uns nicht für Vollzeit, lassen uns aber Vollzeit arbeiten«, erklärte etwa eine Arbeiterin auf einer ecuadorianischen Bananenplantage, die für Rewe produziert.

Ein weiterer Vorwurf betrifft den Umgang mit Pestiziden. Arbeiter*innen müssten auf den Plantagen bleiben oder würden zu schnell wieder auf die Felder geschickt, wenn Flugzeuge das Gift aus der Luft versprühten. »Man versteckt sich unter den Blättern, damit die Flüssigkeit einen nicht trifft«, berichtete ein Arbeiter einer Plantage für Aldi-Bananen in Costa Rica gegenüber Oxfam. Ein- bis zweimal pro Woche komme das Flugzeug – wann genau, wisse niemand.

Gewerkschaftlich gegen diese Zustände vorzugehen, erfordert Mut, denn die Konsequenzen sind hart: »Gewerkschaften werden systematisch unterdrückt«, sagte Didier Leiton von der costaricanischen Gewerkschaft Sitrap. Gewerkschafter*innen würden massiv unter Druck gesetzt. Oxfam berichtet von »schwarzen Listen«, die Plantagenfirmen untereinander austauschen. »Wenn das passiert, findest du keine Arbeit mehr in keinem Unternehmen«, erklärte eine Arbeiterin einer Zuliefererplantage von Edeka.

Auf diese Missstände angesprochen hätten Lidl und Aldi regiert und sich mit den Gewerkschaften vor Ort an einen Tisch gesetzt, so Franziska Humbert von Oxfam. Es gäbe mittlerweile erste Gegenmaßnahmen. Auch Rewe habe sich zunächst mit Gewerkschaften getroffen, ein Zulieferer habe vorübergehend seine Zertifizierung verloren, weitere Gespräche habe es laut Oxfam aber nicht gegeben. Edeka habe sich sogar ganz verweigert. Deswegen hat die Organisation nun gemeinsam mit der Gewerkschaft Astac, dem katholischen Entwicklungswerk Misereor und der europäischen Menschenrechtsinitiative ECCHR Beschwerde bei der zuständigen Kontrollbehörde Bafa nach dem Lieferkettengesetz eingereicht.

Lieferkettengesetz

Am 1. Januar ist das Lieferketten­sorgfaltspflichten­gesetz in Kraft getreten. Es regelt die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten in den globalen Lieferketten, wie es in UN-Leitprinzipien festgehalten ist. Hierzu gehören beispielsweise der Schutz vor Kinderarbeit, das Recht auf faire Löhne oder der Schutz der Umwelt. »Davon profitieren die Menschen in den Lieferketten, Unternehmen und auch die Konsumenten«, wie es das Bundeswirtschaftsministerium darstellt.
Damit gilt die Sorgfaltspflicht nicht mehr nur für den eigenen Geschäftsbereich, sondern auch für Vertragspartner und weitere Zulieferer. Unternehmen müssen die Risiken in ihren Lieferketten bewerten, dies publik machen und Maßnahmen ergreifen, um etwaige Verstöße zu vermeiden oder zu minimieren. Die Umsetzung des Gesetzes kontrolliert das Bundesamt für Wirtschaft und Außenkontrolle (Bafa) in seiner neuen Außenstelle im sächsischen Borna. Bei Missachtung drohen Geldstrafen und der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge. Das Gesetz gilt zunächst für Unternehmen mit mindestens 3000 Beschäftigten im Inland, ab 2024 wird die Schwelle auf 1000 herabgesetzt.
NGOs kritisieren, dass dadurch sehr viele Unternehmen nicht unter das Gesetz fallen. Außerdem würden bei umweltbezogenen Pflichten Biodiversität und Auswirkungen aufs Klima nicht berücksichtigt. Und auch die Beteiligung von Betroffenen am Sorgfaltsverfahren und bei der Wiedergutmachung sei nicht ausreichend. »Die Unternehmen haben mit dem Gesetz eine lange Leine bekommen, sie haben viel Spielraum und auch ein paar Schlupflöcher«, heißt es etwa bei Verdi.
Kritiker fordern Nachbesserungen und hoffen auf ein strenger formuliertes EU-Lieferkettengesetz. Dessen konkrete Ausgestaltung wird derzeit im Trilogverfahren zwischen Kommission, Parlament und Ministerrat verhandelt. KSte

Die Gewerkschaften vor Ort kritisieren auch die Zertifizierungsunternehmen wie Global Rainforest Alliance, die eigentlich unabhängige Kontrollen gewährleisten sollen. Laut Oxfam erhielten aber Arbeiter*innen auf einer Plantage für Rewe-Bananen in Ecuador am Tag vor der Kontrolle folgende Sprachnachricht: »Morgen haben wir voraussichtlich Besuch von einer Person von Rainforest. Nur Glyphosat darf verwendet werden. Nicht verwendet werden dürfen Ammonium-Glufosinat und Paraquat. Das heißt, auf den Plantagen darf es keine Behälter dieser zwei Produkte geben.« Daraufhin mussten Arbeiter*innen die Pestizidbehälter verstecken oder entsorgen.

»Ich denke manchmal, die Unternehmen hier wollen belogen werden«, sagt Gewerkschafter Leiton. Auch Jorge Acosta von der Gewerkschaft Astac aus Ecuador kritisiert die Ineffizienz der Zertifizierungen, »die jahrelang die Menschenrechtsverletzungen auf den Plantagen nicht aufgedeckt haben«.

Derweil weist Edeka die Vorwürfe zurück. »Selbstverständlich haben wir diese umgehend und intensiv gemäß der festgelegten Verfahrensordnung geprüft«, heißt es in einer Stellungnahme des Unternehmens. »In dieser Prüfung konnten die Hinweise nicht bestätigt werden. Somit können wir die aktuell erhobenen Vorwürfe nicht nachvollziehen.« Zudem ist das Unternehmen nach eigenen Angaben seit Längerem im direkten Austausch mit Oxfam, man habe auch schon zwei ausführliche Gespräche mit der Hilfsorganisation und einem Vertreter der Gewerkschaft Astac geführt.

Auch Rewe reagierte auf die Ankündigung der Beschwerde verärgert. Das Unternehmen habe gemeinsam mit seinen Lieferanten bereits zahlreiche Maßnahmen ergriffen und stehe dazu auch mit Oxfam im Austausch. »Rainforest Alliance hat aufgrund der Hinweise ein unangekündigtes Audit bei Otisgraf SA durchgeführt, infolgedessen dem Betrieb die Zertifizierung vorläufig entzogen wurde.« Aufgrund dessen beziehe Rewe keine Waren mehr von dem Unternehmen. Zudem sei Astac die Möglichkeit gegeben worden, vor Ort an dem Audit teilzunehmen. Dieses Angebot habe die Gewerkschaft nicht wahrgenommen. Ein inzwischen entworfener Maßnahmenkatalog werde bereits umgesetzt. Auch habe es – zuletzt im August – einen Austauschtermin zwischen Rewe, Rainforest Alliance, Oxfam und Astac gegeben.

Die Nichtregierungsorganisationen Oxfam halten dennoch an ihrer Beschwerde fest, sehen sich durch die Recherchen darin bestätigt. Beweise zu den unterschiedlichen Sichtweisen können alle Beteiligten ab jetzt dem Bundesamt vorlegen.

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