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Zwischen acht und 100 Prozent
Brandenburgs Linke nominiert ihre Direktkandidaten für die Landtagswahl im September 2024
Mit 100 Prozent der Stimmen wurde die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (Linke) in ihrem Wahlkreis im Osthavelland als Direktkandidatin für die nächste Landtagswahl am 22. September 2024 aufgestellt. Es ist nicht ihre erste Nominierung. Auch 2014 und 2019 schickten die Genossen die mittlerweile 46-Jährige ins Rennen, aber noch nie mit einem solchen Traumergebnis. Es ist eine Anerkennung für ihre unermüdliche Arbeit und ein besonderer Vertrauensbeweis, zumal Johlige jetzt nicht mehr in ihrem Wahlkreis lebt, sondern aus persönlichen Gründen nach Fürstenberg/Havel gezogen ist.
Auch der Sportwissenschaftler Uwe Freimuth, der einst als Zehnkämpfer Höchstleistungen in der Leichtathletik vollbrachte, schaffte bei seiner Nominierung die 100 Prozent. Der parteilose Professor wird am 22. September 2024 in dem Wahlkreis für die Sozialisten kandidieren, zu dem die Stadt Rathenow gehört. »Ich bedanke mich für das große Vertrauen. Als Parteiloser ist so ein Ergebnis keine Selbstverständlichkeit«, reagierte der 62-Jährige. »Ab heute beginnt der Wahlkampf!« Es wird kein Sprint für den Mann, der 1981 die 100 Meter in 11,01 Sekunden lief. Er werde permanent unterwegs sein und auch da hingehen, »wo der Schuh drückt und wo es unbequem ist«, kündigte Freimuth an.
Seit dem 23. September läuft bei der Linken die Aufstellung der Kandidaten in den 44 Landtagswahlkreisen. Los ging es mit den drei Wahlkreisen in Potsdam, wo die Landtagsabgeordnete Isabelle Vandré (97 Prozent), Landesgeschäftsführer Stefan Wollenberg (73 Prozent) und der ehemalige Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler (83 Prozent) antreten werden.
Von den aktuell zehn Abgeordneten der Linksfraktion ist auch schon Kathrin Dannenberg nominiert. Sie erhielt 93 Prozent und erklärte, sie werde »mit viel Kraft, Durchhaltevermögen und Optimismus in den Landtagswahlkampf gehen«. Das Vertrauen zur Politik befinde sich auf einem Tiefstand. Da brauche es eine starke Linke. »Aufgeben gilt nicht«, meinte Dannenberg, die genauso wie Andrea Johlige und Isabelle Vandré seit 2014 dem Landtag angehört. »Soziale Gerechtigkeit ist nicht einfach so dahergesagt. Dafür werde ich weiterkämpfen«, versprach die Lehrerin für Sport und Geschichte. Ihr besonderes Augenmerk will die Bildungsexpertin auf Kinder, Jugendliche und Familien legen, deren Belange immer wieder in den Mittelpunkt politischer Entscheidungen gerückt werden müssten.
So ähnlich sieht es Anja Kreisel, die erstmals für den Landtag kandidiert, aber schon so manche Wahlkämpfe mit bestritten hat und am vergangenen Wochenende in Frankfurt (Oder) mit 39 von 46 Stimmen nominiert wurde. »Die Interessen von Eltern, Familien und Kindern werden in der Landespolitik sträflich vernachlässigt«, kritisierte die Mutter von drei Kindern die seit 2019 regierende Koalition aus SPD, CDU und Grünen. Kreisel ist beim Studentenwerk tätig. Gemeinsam mit dem Ex-Bundestagsabgeordneten Norbert Müller hatte sie sich im April 2022 als Doppelspitze der Landespartei beworben. Doch beide konnten sich bei einem Parteitag in Schönefeld nicht durchsetzen gegen Fraktionschef Sebastian Walter und die Landesvorsitzende Katharina Slanina.
»Einstimmig und ohne jeden Streit«, so hält es der Kreisverband Oberhavel fest, wurde der Berufsschullehrer Candy Boldt-Händel zum Landtagskandidaten für Leegebruch, Liebenwalde und Oranienburg nominiert. »Für seine Idee des ersten Oberhaveler Christopher-Street-Days konnte er viele Mitstreiter gewinnen und machte möglich, was viele für unmöglich hielten: ein buntes, lautstarkes Fest.« Der 37-Jährige selbst machte deutlich: »Jeder Mensch, unabhängig von seiner sexuellen Orientierung oder Identität, verdient Respekt und gleiche Rechte.«
Als Nächstes steht am 11. November die Nominierung in Brandenburg/Havel an. Hier bewirbt sich die Kreisvorsitzende Christin Willnat. Sie hatte zu der von der Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht am 23. Oktober angekündigten Gründung einer eigenen Partei erklärt: »Wir bedauern diesen Schritt, da aus unserer Sicht eine solidarische und starke Linke für den Erhalt des demokratischen Sozialstaats in heutiger Zeit unverzichtbar ist!« Der Kreisvorstand sehe die Entwicklung aber auch als Chance, zur Sacharbeit zurückzukehren. Willnat ging davon aus, »dass unserem Kreisverband zehn bis 15 Prozent der Mitglieder den Rücken kehren werden«.
Nach Kenntnis von Landesgeschäftsführer Stefan Wollenberg sind seit dem 23. Oktober jedoch weniger als 20 Genossen ausgetreten – und zwar nicht in der Stadt Brandenburg/Havel, sondern im gesamten Land Brandenburg. Auf der anderen Seite seien mehr als 20 Neueintritte zu verzeichnen gewesen, sagte Wollenberg dem »nd« am Montag. Mit den exakten Zahlen konnte er aufgrund technischer Schwierigkeiten im Moment noch nicht dienen. Er erläuterte aber, es sei das erste Mal seit zwei Jahren, dass im Landesverband die Zahl der Eintritte die der Austritte überwiege. Von einer Austrittswelle könne man bei insgesamt rund 4350 Mitgliedern nicht sprechen.
Dabei ist Wollenberg allerdings völlig klar, dass es gehäuft zu Übertritten kommen könnte, wenn sich die neue Wagenknecht-Partei wie vorgesehen im Januar tatsächlich gründet. Die Linke möchte ausschließen, dass bereits Nominierte dann noch die Seiten wechseln. »Wir erwarten: Wer jetzt kandidiert, soll sich zur Linken bekennen«, betonte Wollenberg. Das gelte nicht allein für die Landtagswahl, sondern auch für die Kommunalwahl am 9. Juni 2024, bei der Kreistagsabgeordnete, Stadtverordnete, Gemeindevertreter und Ortsbeiräte gewählt werden.
In Brandenburg gibt es wie in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern einen Karl-Liebknecht-Kreis (KLK), in dem sich Genossen zusammengeschlossen haben, die Wagenknecht zuneigen. In Brandenburg zählt dieser Kreis 86 Mitglieder, die aber nicht alle auch der Partei angehören. In einer Erklärung von Sprecherrat und Koordinierungsgruppe des KLK heißt es, dass einige sich zu gegebener Zeit der neuen Partei anschließen wollen, andere in der Linken bleiben möchten. Wie viele das jeweils sein werden, vermag Sprecher Andreas Eichner am Montag nicht abzuschätzen. Eichner selbst hatte die Partei dieses Jahr bereits enttäuscht verlassen, war aber kurz darauf wieder eingetreten.
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In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap, deren Ergebnisse am 13. September veröffentlicht worden sind, stand Die Linke bei acht Prozent. In dieser Umfrage wurde auch ermittelt, dass 44 Prozent der Brandenburger die Gründung einer Wagenknecht-Partei »eher gut« finden würden. 57 Prozent der AfD-Anhänger und 53 Prozent der Linke-Anhänger äußerten sich derart, was nicht heißt, dass jeweils so viele eine solche Partei dann tatsächlich ankreuzen würden. Bundesweit, so ergab eine Insa-Umfrage, könnte die Wagenknecht-Partei aus dem Stand zwölf Prozent holen. Für Thüringen gab es schon Analysen, dass eine Wagenknecht-Partei der Linken von Ministerpräsident Bodo Ramelow nur einige Prozentpunkte wegnehmen, das Ergebnis der AfD jedoch halbieren würde.
Dass Brandenburgs Linke mit Umfragewert von acht Prozent irgendwo in Brandenburg einen Wahlkreis gewinnt, ist so gut wie ausgeschlossen. Selbst in Hochburgen wie Frankfurt (Oder), Rathenow oder Strausberg wären Siege eine faustdicke Überraschung. Die Nominierungen in den Wahlkreisen sind dennoch nicht bedeutungslos. Schließlich stellt der Landesverband am 27. und 28. Januar in Templin seine Landesliste vornehmlich aus den Wahlkreiskandidaten zusammen.
Die Linksjugend Solid möchte die 25-jährige Patricia Usée auf der Landesliste unterbringen. Spitzenkandidat soll Landes- und Fraktionschef Sebastian Walter werden, so wie schon 2019, als 10,7 Prozent zu verzeichnen waren.
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